Banken Zinswende könnte Ende der „Strafzinsen“ bringen
„Sobald die Europäische Zentralbank sich von ihrer Minuszinspolitik verabschiedet, werden wir keine Verwahrentgelte für Privatkunden mehr erheben“, kündigte der Vorstandschef der ING Deutschland, Nick Jue, im „Handelsblatt“ an. „Das ist ein Versprechen.“ Am Donnerstag hatte auch die Finanzvorständin der Commerzbank, Bettina Orlopp, Änderungen in Aussicht gestellt: „Wenn es jetzt auch im Euroraum zu Zinserhöhungen kommt, werden wir peu à peu das Guthabenentgelt anpassen.“ Zunächst müsse aber abgewartet werden, welchen Kurs die Europäische Zentralbank (EZB) einschlage.
Seit Juni 2014 müssen Geschäftsbanken im Euroraum Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Aktuell liegt dieser Einlagenzins – im Fachjargon Einlagefazilität genannt – bei minus 0,5 Prozent. Die Kosten dafür geben etliche Geldhäuser an ihre Kundinnen und Kunden weiter.
Zinswende noch dieses Jahr?
Viele Volkswirte rechnen angesichts der anhaltend hohen Inflation inzwischen mit einer Zinswende im Euroraum im laufenden Jahr. Jue geht davon aus, dass die EZB ihre Geldpolitik so straffen wird, dass die Minuszinsen für Banken im ersten Quartal 2023 der Vergangenheit angehören könnten. „Das wäre dann der Zeitpunkt, an dem wir die Verwahrentgelte für unsere Kunden streichen würden“, sagte der ING-Deutschland-Chef. Die Direktbank verlangt derzeit ab 50.000 Guthaben je Konto ein sogenanntes Verwahrentgelt von ihren Kunden.
Der Genossenschaftsverband, der Volks- und Raiffeisenbanken in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg vertritt, rechnet ebenfalls nicht damit, dass die Institute Verwahrentgelte auf Dauer beibehalten werden. „Keine Bank hat ein ureigenes Interesse an diesen Verwahrentgelten“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Siegfried Mehring, am Freitag.
Nach Daten des Vergleichsportals Verivox verlangen 436 Banken und Sparkassen in Deutschland von Privatkunden ein „Verwahrentgelt“ auf Tagesgeld-, Giro- oder Verrechnungskonten.