Wirtschaft Woher hat die EZB das viele Geld?

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Jeden Monat für 60 Milliarden Euro einkaufen: Wer kann das schon? Nur wenige. Die Europäische Zentralbank (EZB) zum Beispiel. Und sie macht es auch. Seit Anfang 2015. Bis März dieses Jahres blätterten die Währungshüter in Frankfurt ein Jahr lang sogar jeden Monat 80 Milliarden Euro auf den Tisch, um davon Anleihen – wie etwa Anleihen von Staaten des Euro-Raumes oder Unternehmensanleihen – zu kaufen. Das läppert sich. Bis Ende März hat die EZB, genauer das Eurosystem aus EZB und den nationalen Zentralbanken der Euro-Staaten, so derartige Wertpapiere für sage und schreibe mehr als 1,8 Billionen Euro angehäuft. Genauer und ausgeschrieben: 1.834.381.000.000 Euro. Die EZB verfolgt mit dem Anleihekaufprogramm ihr vornehmstes Ziel: die Preise stabil zu halten. Die Zentralbank sieht dieses Ziel am besten erreicht bei einer Inflationsrate knapp unter 2 Prozent. Die Teuerungsrate lag aber bis vor Kurzem weit unter diesem Wert. Deshalb öffnete die EZB ihre Geldschleusen weit und flutet die Märkte mit enormen Mengen des Schmierstoffs Geld. Das soll den Zugang zu Krediten erleichtern, für mehr Investitionen sorgen, Arbeitsplätze schaffen und so das Wirtschaftswachstum antreiben, um wiederum die Inflation zum Zielwert der EZB zu bringen. Woher aber stammen diese ungeheuren Summen, für die die EZB Anleihen kauft? Darüber wundert sich nicht nur RHEINPFALZ-Leser Dieter H. aus L. Er schreibt, keiner seiner Bekannten oder Freunde verstehe das. Er will wissen, woher das Geld kommt und wer „am Ende“ dafür bezahlt. Salopp gesagt kommt das Geld aus dem Nichts. Die EZB, beziehungsweise die Zentralbanken des Eurosystems machen hier nämlich von ihrem Vorrecht Gebrauch, Geld einfach zu schöpfen. Sie erzeugen monatlich, täglich, stündlich die Milliarden, die sie brauchen. Die Zentralbank entscheidet, wie viel Geld sie in Umlauf bringt. Die Summen entstehen also „per Federstrich“, wie es ein Sprecher der Bundesbank formuliert. Da dieser Begriff noch aus einem analogen Zeitalter stammt, sollte man heute einfach sagen, die Milliarden für den Anleihekauf entstehen, wenn ein Zentralbank-Mitarbeiter den Betrag an seinem Computer eingibt und auf die Return-Taste drückt. Die Geschäftspartner der Zentralbanken, das sind Geschäftsbanken, müssen bei der Zentralbank ein Konto unterhalten. Kauft die Zentralbank nun Anleihen bei einem Geschäftspartner, dann schreibt sie ihm mit einer einfachen Eingabe und anschließendem Tastendruck auf diesem Konto einen Betrag gut, der für den Kauf der Anleihen anfällt. In diesem Moment schafft der Geldschöpfer Eurosystem neues Geld in Form eines Guthabens auf dem Konto des Geschäftspartners. Dafür wechseln Anleihen in den Besitz der jeweiligen Notenbank des Eurosystems. Das Geld kommt also nirgendwoher. Es entsteht bei der Zentralbank, die es durch eine Eingabe am Computer erzeugt. Das Geld bezahlt also auch niemand. Aber die Frage lautete ja, wer „am Ende“ dafür bezahlt. Zunächst einmal bezahlt für die Anleihe im Besitz des Eurosystems am Ende der Laufzeit der Emittent der Anleihe; also derjenige, der sich gegen Ausgabe dieses Wertpapiers Geld geliehen hat – ein Unternehmen etwa oder ein Staat des Euro-Systems. Das geliehene Geld plus Zinsen muss zurückgezahlt werden. Was aber, wenn der Emittent nicht mehr bezahlen kann? In diesem Fall würde die Zentralbank auf ihrer Anleihe sitzenbleiben. Würde das in größerem Umfang passieren, könnte das dazu führen, dass die Zentralbank einen Verlust ausweisen muss. Die EZB räumt ein solches Risiko ein. Im Falle des Kaufs von Staatsanleihen tragen „eventuelle Verluste“ zum Großteil die nationalen Zentralbanken des Euro-Systems und teilweise auch die EZB. Diese Verluste seien jedoch „hypothetisch“. Sie habe bislang immer Gewinne erwirtschaftet, und sie werde weiterhin umsichtig vorgehen, teilt die Europäische Zentralbank hierzu mit. In der Tat würde ein solcher Verlust nicht die Funktionsfähigkeit einer Zentralbank beeinträchtigen. Während Zentralbank-Gewinne an die Haushalte der jeweiligen Staaten überwiesen werden, müssen umgekehrt Verluste nicht von den Steuerzahlern getragen werden. Denn der Zentralbank kann durch anhaltende Verlust nicht das Geld ausgehen, wie etwa einem Unternehmen, das nur über begrenztes Kapital verfügt. Die Zentralbank darf ja Geld schöpfen oder erschaffen, um Forderungen an sie zu erfüllen. Sie bleibt also immer flüssig.

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