Chemieindustrie Verband warnt vor Kosten von möglichem Öl-Embargo

Shell hat sich entschuldigt, weil der Konzern noch nach dem Beginn der Ukraine-Invasion russisches Erdöl gekauft hat.
Shell hat sich entschuldigt, weil der Konzern noch nach dem Beginn der Ukraine-Invasion russisches Erdöl gekauft hat.

Die deutsche Chemie-Industrie warnt vor den Kosten eines möglichen Öl-Embargos gegen Russland. Unterdessen hat der Mineralöl- und Erdgas-Riese Shell angekündigt, künftig kein Öl und Gas mehr aus Russland zu verkaufen. Und die Nationale Akademie der Wissenschaften hält einen auch kurzfristigem Lieferstopp von russischem Gas für die deutsche Volkswirtschaft für „handhabbar“.

Zwar stamme lediglich ein Drittel der Ölimporte in Deutschland aus russischen Quellen. Dennoch gehe man davon aus, „dass ein Einfuhrembargo durch steigende Kosten in vielen Lebensbereichen zu spürbaren gesamtgesellschaftlichen Belastungen führen würde“, teilte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) am Dienstag in Frankfurt mit. Er verwies auf die Kosten für das Heizen sowie für Autofahrer und Logistikbranche.

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiter auf Energieimporte aus Russland setzt, hat die US-Regierung noch nicht über einen Importstopp für Öl aus Russland entschieden.

Krieg beschleunigt Preisauftrieb

Mit dem Ukraine-Krieg und den Sanktionen habe sich der Preisauftrieb bei Energie und Rohstoffen dramatisch beschleunigt, teilte der VCI weiter mit. „Im Falle eines Importstopps muss mit noch weiter steigenden Kosten gerechnet werden.“ Öl sei auf dem Weltmarkt aber von vielen Anbietern verfügbar, die Versorgung per Schiff oder Pipeline gesichert.

Die energieintensive Chemieindustrie leidet seit längerem unter hohen Energiepreisen. Sie verarbeitet als Rohstoff kein Erdöl, sondern Rohbenzin, das von den Raffinerien aus Öl destilliert wird. Viele Chemiefirmen könnten den massiven Preisanstieg bei Öl und Gas nicht oder nur teilweise an Kunden weitergeben, so der VCI. Wie schnell Preissteigerungen bei Alltagsprodukten für Verbraucher ankommen, lasse sich nur schwer sagen. Rohöl steckt in vielen Gütern wie Kunststoffen, Arzneien, Waschmitteln, Spielwaren und Textilien.

Shell will kurzfristig kein russisches Öl mehr kaufen

Der Ölkonzern Shell will unterdessen mit sofortiger Wirkung aufhören, russisches Erdöl auf dem Spotmarkt, also kurzfristig, zu kaufen. Zudem will er bestehende Verträge nicht erneuern, teilte der Konzern mit Sitz in London am Dienstag mit. Außerdem sollen alle Tankstellen in Russland geschlossen und andere Geschäftsaktivitäten dort aufgegeben werden. Auch dieser Prozess soll unmittelbar eingeleitet werden.

Außerdem will Shell „so schnell wie möglich“ russisches Erdöl aus den Lieferketten entfernen. Allerdings wird dies nach Angaben des Unternehmens mehrere Wochen dauern und zu Engpässen in einigen Raffinerien führen. Auch das Geschäft mit russischem Pipeline- und Flüssiggas soll Stück für Stück zurückgefahren werden. Dabei sei man auf die Zusammenarbeit mit Regierungen und Energieversorgern angewiesen. In einer Mitteilung entschuldigte sich der Konzern auch dafür, noch in der vergangenen Woche, nach Ausbruch des Krieges, eine Fracht Erdöl aus Russland gekauft zu haben. Man werde die Gewinne daraus humanitären Zwecken zugutekommen lassen.

An Kohleausstieg festhalten

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina geht davon aus, dass auch ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas für die deutsche Volkswirtschaft „handhabbar“ wäre. Das geht aus einer am Dienstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme zu einer raschen sowie einer langfristigen Ersetzbarkeit von Erdgas aus Russland hervor. Klar sprechen sich die Forscher gegen das Abrücken vom Kohleausstieg bis 2030 aus. Aber: „Um die Erdgasnachfrage zu reduzieren, könnte zudem auf eine stärkere Kohleverstromung gesetzt werden“, heißt es weiter. Mehrkosten müssten gegebenenfalls abgefedert werden, etwa durch Entlastungen bei Energiesteuern.

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