Fragen und Antworten Startet das Öl-Embargo mit einem Fiasko?

Erdölraffinerie-Anlagen auf dem PCK-Gelände im brandenburgischen Schwedt.
Erdölraffinerie-Anlagen auf dem PCK-Gelände im brandenburgischen Schwedt.

Kurz vor dem geplanten Stopp der Ölimporte aus Russland sucht die Bundesregierung noch immer nach neuen Bezugsquellen für die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Feste Zusagen fehlen. In Brandenburg und Berlin wächst deshalb die Ungeduld und die Sorge vor höheren Preisen an der Zapfsäule.

Moskau führt Krieg gegen die Ukraine – deshalb kaufen wir kein russisches Öl mehr. Diese Formel vertritt die Bundesregierung seit Monaten. Doch kurz vor Start des Embargos machen sich viele Sorgen um Preise und Versorgung. Im Osten hoffen einige auf eine Kehrtwende.

Worum geht es?
Gut neun Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine macht die Europäische Union ernst. Ab kommendem Montag, 5. Dezember, soll kein russisches Öl mehr auf dem Seeweg importiert werden. Von Januar an will Deutschland dann auch russische Einfuhren über die Druschba-Pipeline stoppen. Der dritte Schritt folgt am 5. Februar: Ein Embargo gegen Diesel und andere Mineralölprodukte aus der Russischen Föderation. Ziel ist, die Kriegskasse des Kreml auszutrocknen.

Aber schneiden sich die Europäer damit nicht ins eigene Fleisch?
In Deutschland fürchten einige mitten in der Gas- und Stromkrise auch noch Engpässe und höhere Preise an den Tankstellen. Besonders groß sind die Sorgen in der brandenburgischen PCK-Raffinerie in Schwedt, die seit Jahrzehnten an der Druschba hängt.

Hat Deutschland auch ohne Russland genug Öl?
Vor Beginn des Ukraine-Kriegs deckten Ölimporte aus Russland rund 35 Prozent des deutschen Bedarfs. Grob gesagt kam davon ein Drittel per Tanker, zwei Drittel flossen über die Druschba in die ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt. Laut Wirtschaftsverband Fuels und Energie sanken die Rohölimporte aus Russland bis Oktober 2022 auf 16 Prozent. Ersatz kommt aus Großbritannien, den USA und Kasachstan.

Der Branchenverband geht davon aus, dass das vom EU-Embargo betroffene russische Tankeröl rechtzeitig vollständig ersetzt wird. Ohne russisches Öl aus der Druschba will auch die Raffinerie in Leuna bis Jahresende auskommen. Bleibt als Knackpunkt: die PCK-Raffinerie in Schwedt.

Wie ist die Lage für PCK?
Die Mehrheitseigner – zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft – hatten nach Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lange kein Interesse an der Abkehr vom russischen Öl. Mitte September griff Habeck ein und entzog den Rosneft-Töchtern per Treuhandverwaltung faktisch die Kontrolle über PCK. Zusätzlich gab die Regierung weitreichende Zusagen für das Werk an der Oder, darunter eine zweijährige Beschäftigungsgarantie für die 1200 Mitarbeiter und ein riesiges Investitionspaket für eine grünere Zukunft. Doch die Belieferung der Raffinerie ohne Druschba-Öl ist bis heute nicht abschließend geklärt. An PCK hängt wiederum zu großen Teilen die Versorgung in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie am Hauptstadtflughafen BER.

Welche Optionen gibt es für PCK?
Habecks Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) arbeitet seit Monaten an drei Optionen, um genug Rohöl für PCK ranzuschaffen. Bis zu 55 Prozent des Bedarfs sollen über Tanker nach Rostock und von dort über eine bestehende Pipeline nach Schwedt gebracht werden. Das Problem: Die Leitung ist zu klein, um noch mehr Rohöl zu transportieren. Der Bund will sie ausbauen, doch das dauert mindestens zwei Jahre.

Deshalb sollen zusätzliche Mengen über den polnischen Hafen Danzig kommen, über den sich auch die Raffinerie in Leuna versorgt. „Wir führen intensive und gute Gespräche mit der polnischen Regierung, um eine möglichst gute Auslastung des PCK Schwedt zu gewährleisten“, sagte Kellner. Doch eine feste Zusage fehlt.

Dasselbe gilt für die dritte Option, den Import von kasachischem Öl. Dazu sagte Kellner: „Eine Delegation des Bundeswirtschaftsministeriums war im September im Kasachstan. Wir erwarten im Dezember Vertreter der kasachischen Regierung in Berlin. Da das Öl in der Druschba-Leitung über russisches Territorium gebracht werden müsste, bleibt allerdings immer eine Unsicherheit.“

Kommt der deutsche Importstopp vielleicht doch nicht?
In Brandenburg werden einige inzwischen unruhig. „Was die alternativen Lieferungen angeht, sind wir keinen Schritt weiter“, sagte CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann. Er befürchte, dass nach dem Öl-Embargo die Raffinerie in Schwedt allenfalls halb ausgelastet sein werde. Die Landrätin des Kreises Uckermark, Karina Dörk (CDU), hegt die Hoffnung, „dass es über den 1. Januar hinaus weiterhin die Lieferung über die Druschba geben wird“.

Zur Erinnerung: Das EU-Embargo gilt offiziell nur für Tankeröl. Der Verzicht auf Leitungsöl aus der Druschba ist eine darüber hinaus gehende Zusage der Bundesregierung, festgelegt in einer EU-Protokollnotiz von Ende Mai. Ist eine Abkehr davon denkbar? Kellner antwortete so: „Der Importstopp ist eine Zusage von Bundeskanzler Olaf Scholz für die Bundesregierung. Unser Job ist es, Schritt für Schritt die einzelnen Bausteine umzusetzen, damit zusätzliche Öllieferungen für Schwedt über Polen und Kasachstan kommen, und genau daran arbeiten wir mit ganzer Kraft.“

Was sagt der Experte?
Unterm Strich erwartet der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum, dass der PCK zumindest zu Jahresbeginn Ölmengen fehlen: „Kurzfristig ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Raffinerie in Schwedt mit voller Kapazität weiter produzieren kann.“ Angebotsengpässe bei Diesel und Kerosin seien dann möglich.

Geht den Tankstellen in Ostdeutschland der Sprit aus?
Die Brandenburger Landesregierung gibt sich trotz allem optimistisch. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Versorgung der Region mit Mineralölprodukten funktioniert, ist hoch“, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Kurzfristige Probleme seien denkbar, aber die Gefahr sei gering. Auch Kellner versicherte: „Ich sehe keine Gefahr für die Versorgungssicherheit in Ostdeutschland.“ Bei Engpässen stopften üblicherweise andere Raffinerien Löcher.

Wird der Sprit dann wieder teurer?
Auch „dauerhaft höhere Preise an den Tankstellen in Ostdeutschland sehe ich nicht“, sagte Kellner. Ganz anders der Ostbeauftragte der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann: Er warnte zuletzt vor einem massiven Anstieg der Spritpreise in Berlin und Ostdeutschland. Wirtschaftsexperte Südekum wagt folgende Prognose: „Beim Rohöl dürften sich die Auswirkungen des Embargos in Grenzen halten. Die Übergangsfristen waren lang genug, sodass sich die Marktteilnehmer darauf einstellen konnten.“ Doch fügte er hinzu: „Größere Auswirkungen erwarte ich beim Markt für Diesel, die ja ab Februar 2023 auch unter das Embargo fallen werden. Hier spielen Importe aus Russland weiterhin eine große Rolle.“ Ist es damit vorbei, seien höhere Preise an den Zapfsäulen und vorübergehende Versorgungslücken nicht auszuschließen.

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