Konjunktur Spätes Frühlingserwachen

Pkw-Produktion bei Porsche.
Pkw-Produktion bei Porsche.

Die deutsche Wirtschaft steht nach Einschätzung von Konjunkturforschern vor einer kräftigen Erholung. Allerdings gibt es einen Unsicherheitsfaktor.

Nach der tiefen Corona-Rezession 2020 und der erneuten Vollbremsung Anfang 2021 dürfte der Konjunkturmotor allerdings nicht mit dem von Vizekanzler Olaf Scholz erhofften „Wumms“ starten – sondern eher in zwei Stufen zünden, wie mehrere Forschungsinstitute am Donnerstag in ihren Prognosen erklärten. Wesentliche Stütze ist demnach zunächst lediglich der private Konsum. In der Industrie dürfte es wegen der erheblichen Störungen in den globalen Lieferketten erst in der zweiten Jahreshälfte rund laufen: Das verarbeitende Gewerbe sitzt zwar auf prall gefüllten Orderbüchern, kann die Aufträge wegen Lieferengpässen bei Rohstoffen und Vorprodukten aber oft nicht abarbeiten. Die Nachfrage übersteigt nach Einschätzung des Dekabank-Chefvolkswirts Ulrich Kater zunehmend die Produktionskapazitäten, die in der Pandemie eher geschrumpft sein dürften.

Erwartungen in der Summe positiv

In Summe sind die Erwartungen der Wirtschaftsforscher allerdings durchweg positiv: „Deutsche Wirtschaft mit spätem Frühlingserwachen“, heißt es beim Berliner DIW. Der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, sagt: „Der deutsche Konjunkturkessel steht unter Dampf.“ Oder: „Die Konjunktur in Deutschland nimmt im Zuge der Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen wieder Fahrt auf“, so der Konjunkturchef des Essener RWI, Torsten Schmidt.

2020 war die Nummer vier der Weltwirtschaft unter dem Eindruck der Corona-Pandemie im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent eingebrochen. Das IfW rechnet nun für 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von 3,9 Prozent (Märzprognose: 3,7). Das DIW traut der größten europäischen Volkswirtschaft einen Zuwachs von 3,2 (zuvor: 3,0) Prozent zu, und das RWI stockte seine Erwartungen auf 3,7 (3,6) Prozent auf. Einzig das Münchner Ifo-Institut hatte am Vortag auf 3,3 (3,7) Prozent reduziert – und dabei die Bremseffekte der Lieferengpässe in den Vordergrund gerückt.

2022 deutlich stärkeres Wachstum

Für 2022 gehen alle Forscher von einem deutlich stärkeren Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus: Die Vorhersagen liegen zwischen 4,3 Prozent (Ifo und DIW) und 4,7 (RWI) beziehungsweise 4,8 Prozent (IfW). Der vor Corona boomende deutsche Arbeitsmarkt sollte damit den Prognosen zufolge bei Beschäftigten- und Arbeitslosenzahlen im kommenden Jahr an das Vorkrisenjahr 2019 anknüpfen.

Bei den privaten Haushalten haben die immer wieder nötigen Lockdowns mit Schließungen, unter anderem von Einzelhandel, Fitnessstudios und Kinos, zu einem gewaltigen Konsumstau geführt, der zu beispiellosem Sparen geführt hat: „Im Vergleich zu einem Szenario, in dem die Sparquote auf ihrem Vorkrisenniveau verblieben wäre, beträgt unserer Prognose zufolge die im vergangenen und in diesem Jahr aufgestaute Kaufkraft zusammengenommen rund 200 Milliarden Euro beziehungsweise 10 Prozent des verfügbaren Einkommens im Jahr 2019“, schreiben die IfW-Konjunkturforscher. Auch die staatlichen Unterstützungsleistungen hätten sich zu einem großen Teil bislang aufgestaut.

Starkes Konsumwachstum im nächsten Jahr

Das IfW erwartet, dass die privaten Konsumausgaben 2021 im Vorjahresvergleich um 2,4 Prozent und 2022 sogar um 8,2 Prozent zulegen. Allerdings: Alle Prognosen stünden „auf wackligen Beinen, solange die Corona-Pandemie nicht nachhaltig eingedämmt ist“, hob das DIW hervor. „Insbesondere die Dienstleistungsbereiche profitieren jetzt von den Lockerungsmaßnahmen“, sagte dessen Konjunkturexperte Claus Michelsen. „Erst wenn die Impfquote so hoch ist, dass zumindest annähernd eine Herdenimmunität erreicht ist, werden wir einen nachhaltigen Aufschwung erleben.“

wirtkonjukturprognosen
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