Bahnverkehr Schweizer Elektrozüge statt alter deutscher Dieselloks

Astoro-Triebzüge der Schweizer SBB haben zum Fahrplanwechsel die Züge von Zürich nach München übernommen.
Astoro-Triebzüge der Schweizer SBB haben zum Fahrplanwechsel die Züge von Zürich nach München übernommen.

Erstmals seit langer Zeit ist in Deutschland zum Fahrplanwechsel wieder einmal eine über 100 Kilometer lange Bahnstrecke auf elektrischen Betrieb umgestellt worden. Allerdings gibt es vorerst noch einige Provisorien und der Betrieb startete am ersten Tag des neuen Fahrplans mit einer peinlichen Panne.

Während der erste elektrische Zug von München nach Zürich am Sonntag sein Ziel planmäßig erreichte, geriet der Gegenzug auf einen Abweg. Im Abzweigbahnhof Hergatz, wo die neu elektrifizierte eingleisige Strecke über Memmingen nach München von der zweigleisigen (ab Hergatz nicht elektrifizierten) Strecke über Kempten nach München abzweigt, wurde der ECE 97 irrtümlich auf das Gleis nach Kempten geleitet. Dabei wurde nicht nur der Stromabnehmer des fehlgeleiteten Triebzugs beschädigt, sondern auch die Oberleitung. Die Folge war eine mehrstündige Unterbrechung des Zugverkehrs zwischen München und Zürich. Erklären lässt sich diese Panne wahrscheinlich dadurch, dass die Züge von Zürich nach München während der Elektrifizierungsarbeiten auf der Memminger Strecke über Kempten fuhren.

Sechs statt drei Zugpaare

Eurocity-Züge von München nach Zürich wurden im Allgäu bisher von Dieselloks gezogen, die teilweise mehr als 40 Jahre alt waren. Mit dem Fahrplanwechsel am vergangenen Sonntag hat sich das nun geändert – nach mehr als 40 Jahre dauernden Bemühungen um eine Bahn-Elektrifizierung im Allgäu.

Rund 500 Millionen Euro hat der Ausbau der größtenteils eingleisigen Strecke zwischen Geltendorf westlich von München und Lindau nach Angaben der Deutschen Bahn (DB) gekostet. 3650 Masten wurden aufgestellt, auf 155 Kilometern Länge Oberleitungen gespannt und Lärmschutzwände gebaut.

Nun haben elektrische Astoro-Triebzüge der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) die Züge von Zürich nach München übernommen, das Angebot wurde von drei auf sechs Zugpaare zwischen der Schweizer Metropole und der bayerischen Landeshauptstadt erweitert. Auf dem neu elektrifizierten Abschnitt in Deutschland kann der Astoro abschnittsweise mit Tempo 160 fahren, die zuvor bei den Eurocity-Zügen eingesetzten DB-Dieselloks der Baureihe 218 erreichen maximal Tempo 140.

Zur verkürzten Fahrzeit trägt allerdings auch bei, dass die nun als ECE bezeichneten Züge von Zürich nach München nicht mehr den Lindauer Inselbahnhof bedienen, sondern stattdessen in Lindau-Reutin halten. Dadurch wird ein zeitaufwendiger Fahrtrichtungswechsel vermieden, der bisher nicht zuletzt dem Lokwechsel von Schweizer E-Lok auf deutsche Diesellok diente. Wegen Komplikationen mit einem Umschaltvorgang in der Leit- und Sicherungstechnik der Astoro-Züge erfolgt die Reduzierung der Fahrzeit allerdings in zwei Etappen. Erst zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 soll die Fahrzeit zwischen Zürich und München dann nur noch dreieinhalb Stunden betragen.

Regionalverkehr folgt verspätet

Erst zu diesem Zeitpunkt wird auch der Regionalverkehr auf elektrische Fahrzeuge umgestellt. Grund dafür sind Verzögerungen bei der Ausschreibung und Vergabe von Nahverkehrsaufträgen durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG). In der Zwischenzeit wird weiter zumindest überwiegend mit Diesel gefahren.

Verschlechterungen ergeben sich zum Teil auf anderen Strecken, die einen Teil der Direktverbindungen nach München verlieren. Deren Anzahl sinkt laut BEG an manchen Bahnhöfen um mehr als die Hälfte. Obwohl die Fahrt deswegen nur wenige Minuten länger dauert und insgesamt mehr Züge ins südliche Allgäu fahren sollen, sieht der Vorsitzende des Regionalen Planungsverbands Allgäu, Stefan Bosse (CSU), diese Entwicklung kritisch: „Meine Sorge ist, dass die Bahn mit zusätzlichen Umstiegen für Pendler wieder unattraktiver wird.“ Bosse ist Oberbürgermeister der Stadt Kaufbeuren, die ab Dezember 2021 statt vorher 45 nur noch 27 Direktverbindungen nach München hat. „Was wir jetzt brauchen, ist ein Einstieg in die Grundelektrifizierung des Allgäus“, sagt er. Als Beispiel nennt Bosse die Strecke von Augsburg nach Buchloe, deren Ausbau über ein Förderprogramm für den Güterverkehr finanziert werden könnte.

Dieselzüge in München nicht gerne gesehen

Der Eisenbahnknotenpunkt Buchloe liegt ebenfalls an der neu elektrifizierten Strecke. Hier verzweigen sich die Strecken aus dem Allgäu nach München (nun elektrifiziert) und Augsburg (weiterhin nicht elektrifiziert). In aller Regel wollen mehr Fahrgäste nach München als nach Augsburg. Nachdem man München aus Richtung Buchloe elektrisch erreichen kann, wird es bei der Fahrplangestaltung künftig aber auch eine größere Rolle spielen, dass im Hauptbahnhof der bayerischen Landeshauptstadt, die unter massiven Luftqualitätsproblemen leidet, Diesel-Züge weniger gerne gesehen sind als elektrische. Dadurch wächst der Druck, auch die Strecken von Kempten und Füssen über Kaufbeuren nach Buchloe zu elektrifizieren.

Die zweite große Elektrifizierung im Allgäu könnte aber auf einer anderen Strecke anstehen: Zur Vorplanung für einen Ausbau der Illertalbahn zwischen Ulm und Kempten, die die gerade neu elektrifizierte Strecke in Memmingen kreuzt, hat das bayerische Verkehrsministerium Ende November rund 10,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ersten Schätzungen zufolge könnte das Projekt selbst rund 300 Millionen Euro kosten.

Kommentar: Der Schweiz sei Dank

Bernd Frey (vorne) gehört zu den Lokführern der Deutschen Bahn (DB), die nun den Astoro auf dem DB-Streckenabschnitt fahren.
Bernd Frey (vorne) gehört zu den Lokführern der Deutschen Bahn (DB), die nun den Astoro auf dem DB-Streckenabschnitt fahren.
Riesenpanne: Der erste ECE von Zürich nach München wurde in Hergatz auf ein falsches Gleis geleitet und musste danach abgeschlep
Riesenpanne: Der erste ECE von Zürich nach München wurde in Hergatz auf ein falsches Gleis geleitet und musste danach abgeschleppt werden.
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