Wirtschaft Rheinland-pfälzisches Nahverkehrsgesetz gefährdet den VRN

Die S-Bahn Rhein-Neckar gilt als ein Vorzeigeprojekt der Metropolregion. Möglich wurde sie dank der guten Zusammenarbeit der Län
Die S-Bahn Rhein-Neckar gilt als ein Vorzeigeprojekt der Metropolregion. Möglich wurde sie dank der guten Zusammenarbeit der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen. Institutionalisiert wurde diese Kooperation mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), dessen Tarif in der kompletten Pfalz gilt.

Nicht weniger als einen „Quantensprung für den Nahverkehr“ bringt laut Minister Volker Wissing (FDP) das neue rheinland-pfälzische Nahverkehrsgesetz. Der Gesetzentwurf hat nun aber erst einmal einen Brandbrief des Mannheimer Bürgermeisters Christian Specht (CDU) ausgelöst. Ungemach droht besonders für die Westpfalz.

Mit der Information der Öffentlichkeit über das neue Nahverkehrsgesetz hatte es das federführende Mainzer Wirtschaftsministerium besonders eilig. Am 28. April um 11.51 Uhr verschickte die Pressestelle des Ministeriums eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Wissing: Quantensprung für den Nahverkehr.“ Eine halbe Stunde später, um 12.23 Uhr zog das Ministerium die Presseerklärung wieder zurück. Interessant war sie trotzdem. Darin stand nämlich, wie sich das Ministerium die Reform vorgestellt hatte, die Rede war unter anderem von einem „Dachzweckverband Öffentlicher Personennahverkehr Rheinland-Pfalz“. Davon ist in dem eine Woche später vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf keine Rede mehr.

Specht befürchtet „Zerschlagung des VRN“

Die Details des Gesetzentwurfs sind für Nicht-Fachleute mühsam zu lesen und ihre Brisanz ist schwer zu durchschauen. Klar war dagegen das, was am 14. Mai der Mannheimer Bürgermeister Christian Specht (CDU) als Chef des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Neckar (ZRN) an die Oberbürgermeister und Landräte im Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) schrieb: „Entwurf für neues Nahverkehrsgesetz Rheinland-Pfalz, Zerschlagung des VRN“. Den VRN als anerkannt erfolgreichste länderübergreifende Organisation der Metropolregion Rhein-Neckar zu zerschlagen, wäre in der Tat starker Tobak. In einer ausführlichen Stellungnahme, die an die Oberbürgermeister und Landräte ging, listete der VRN auf, warum der Gesetzentwurf unvereinbar mit dem VRN-Grundvertrag ist, den die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz geschlossen haben. Ob das Mainzer Ministerium es tatsächlich auf die Demontage des VRN anlegt, ist derzeit noch nicht ganz klar. Staatssekretär Andy Becht (FDP) vom Mainzer Wirtschaftsministerium stellte in einer Replik auf den Brandbrief von Specht klar: „Seitens des Landes Rheinland-Pfalz besteht keinerlei Absicht den VRN zu zerschlagen.“ VRN-Geschäftsführer Volkhard Malik sagte der RHEINPFALZ auf Anfrage: „Wir sind derzeit in konstruktiven Gesprächen mit dem Mainzer Ministerium, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Brisant ist nicht zuletzt, dass laut der Analyse des VRN der aktuelle Text des Gesetzentwurfs es den Städten Ludwigshafen und Kaiserslautern künftig unmöglich machen würde, den städtischen Nahverkehr direkt an ihre kommunalen Unternehmen zu vergeben.

Die Attacke auf das durch einen Vertrag mit zwei anderen Bundesländern fixierte Konstrukt VRN/ZRN war möglicherweise eine Ungeschicklichkeit, deren Tragweite in Mainz zuerst nicht erkannt wurde, aber sie passt in die Linie des Gesetzentwurfs, der vor allem darauf abzielt, bisher kommunal dominierte Organisationen zu schwächen und stattdessen möglichst viel Macht im Mainzer Wirtschaftsministerium anzusiedeln.

Kreise und Städte haben bisher starke Position

Das gilt besonders für die beiden Zweckverbände, die bisher für die Organisation des regionalen Schienenverkehrs zuständig waren. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte diese Zweckverbände kürzlich noch als besonders erfolgreiche rheinland-pfälzische Besonderheit gewürdigt. Offenbar am Widerstand der SPD gescheitert ist der Versuch des FDP-geführten Ministeriums, die beiden Zweckverbände durch eine neue vom Ministerium dominierte Organisation zu ersetzen. Was der nun vorgelegte Gesetzentwurf vorsieht, ist allerdings immer noch gravierend genug. Bisher haben in den beiden Zweckverbänden mit Sitz in Kaiserslautern und Koblenz Landkreise und Städte die dominierende Position, das Land hat wie sie in der Verbandsversammlung nur eine Stimme. Im Zweckverband für den südlichen Landesteil war bisher immer ein Landrat Verbandsvorsteher. Auf Georg Kalbfuß (Bad Dürkheim, SPD) folgten Winfried Hirschberger (Kusel, SPD) und Fritz Brechtel (Germersheim, CDU).

In den beiden neuen Zweckverbänden, die auch für den Busverkehr zuständig sein sollen, soll laut dem Gesetzentwurf das Land allein über 40 Prozent der Stimmen verfügen. Die übrigen 60 Prozent sollen unter den Zweckverbandsmitgliedern nach Einwohnerzahl gewichtet aufgeteilt werden. Pro angefangene 50.000 Einwohner sollen Landkreise und kreisfreie Städte jeweils eine Stimme erhalten. Damit verringert sich das Gewicht ländlich strukturierter Regionen wie der Westpfalz besonders stark. Dass ein gerade für die Belange des ländlichen Raums stark engagierter Landrat wie Winfried Hirschberger aus Kusel dem Mainzer Ministerium so die Stirn bietet, wie das 2003 gegenüber den Demontage-Plänen für den Rheinland-Pfalz-Takt der Fall war, wäre in dieser neuen Struktur kaum noch vorstellbar.

Ministerium will selbst entscheidende Rolle

Zusätzlich soll die Position des Wirtschaftsministeriums noch dadurch gestärkt werden, dass im Ministerium ein „Kompetenzcenter Integraler Taktverkehr“ eingerichtet wird, dessen Zustimmung zu Fahrplankonzepten erforderlich ist. Damit würden die Zweckverbände ihre jetzige Kernkompetenz verlieren. In der VRN-Analyse zum Nahverkehrsgesetzentwurf heißt es dazu: „Paragraph 13, Absatz 5 verschärft das Ganze dann noch zusätzlich: aus dieser scheinbaren Finanzierungsregelung ergibt sich letztlich materiell, dass die Vergaben faktisch mitnichten in den Gremien des Zweckverbands letztendschieden werden sollen, sondern vom Ministerium mit seinem neuen Kompetenzcenter – obwohl das Land sich im Zweckverband schon 40 Prozent der Stimmen zugesichert hat und dort sowieso schon alles blockieren kann. Denn nur wenn das Kompetenzzentrum inhaltlich einverstanden ist, kann eine Vergabe starten und fließen die Mittel des Landes! In Zukunft wird praktisch also immer im Ministerium entschieden, was wie vergeben wird.“ Kommentar: Peinlich und völlig unausgegoren

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