Wirtschaft Prozess mit überraschendem Ende

Die juristische Aufarbeitung des größten deutschen Bankenrettungsfalls hat ein fragwürdiges Ende gefunden. Weil Verjährung droht, kapituliert die Justiz.

Der von vielen erwartete große Prozess um die Hintergründe des Debakels der Hypo Real Estate (HRE) war die juristische Aufarbeitung des größten deutschen Bankenrettungsfalls ohnehin nicht mehr. Die Hauptvorwürfe wurden schon fallen gelassen, bevor das Verfahren vor dem Landgericht München vor gut einem halben Jahr begonnen hatte. Nun aber endet der Prozess, bei dem der ehemalige HRE-Chef Georg Funke und der frühere Finanzchef Markus Fell auf der Anklagebank saßen, im juristischen Fiasko. Beide Angeklagte kommen mit einer Geldauflage – 18.000 Euro für Funke und 25.000 Euro für Fell – davon. Die Begründung dafür ist vor allem für jene niederschmetternd, die das HRE-Debakel schädigte. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe, die Angeklagten hätten 2008 die Lage ihrer Bank zu positiv gezeichnet und Fell auch Marktmanipulation betrieben, habe im bisherigen Prozess nicht ausreichend aufgeklärt werden können. „Ob die erforderlichen Beweisführungen noch vor Ablauf der absoluten Verjährung abgeschlossen werden können, ist nicht abzuschätzen“, teilte das Gericht mit. Im Klartext heißt das, die Mühlen der Justiz haben zu langsam gemahlen. Die Verantwortlichkeiten beim HRE-Debakel, das zu einer Zwangsverstaatlichung des Immobilienfinanzierers geführt und in der Spitze staatliche Garantien von über 100 Milliarden Euro ausgelöst hat, bleiben für immer im Dunkeln. Denn sollten Funke und Fell bis 15. Oktober die zusammen 43.000 Euro wie mit dem Gericht ausgehandelt gemeinnützigen Vereinen zukommen lassen, ist das Verfahren endgültig eingestellt. Da dem auch die Staatsanwaltschaft schon zugestimmt hat, ist auch eine etwaige Revision hinfällig. Diese finale Wende im HRE-Prozess kommt überraschend. Denn erst vor Kurzem hatte die von Richterin Petra Wittmann geführte Wirtschaftsstrafkammer neue Prozesstermine bis Ende Dezember dieses Jahres festgelegt und alle Beteiligten gebeten, sich auch Anfang 2018 für weitere Gerichtstage vorzubereiten. Ursprünglich hätte der Prozess dann schon beendet sein sollen. Das war nicht möglich, unter anderem weil während des Verfahrens neue und unbekannte Daten riesigen Ausmaßes aufgetaucht waren, die unter anderem die Münchner Staatsanwaltschaft in 75 mit Aktenordnern gefüllten Kartons in ihren Räumen gelagert hatte. Der Prozess war von Anfang an zeitlich auf Kante genäht. Der eine Teil der Tatvorwürfe wäre im März verjährt, der andere im August 2018. Schon die vorangegangenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatten Jahre verschlungen, unter anderem weil sich der Zugriff auf potenzielle Beweismittel wie etwa ein brisantes Gutachten schwierig gestaltet hatte. Danach brauchte das Gericht weitere fast zwei Jahre, um die Anklage zum Prozess zuzulassen. Die war zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon sehr stark abgespeckt. Im jetzigen Verfahren ging es nämlich nicht mehr um die Frage, wer die Schuldigen am HRE-Debakel sind. Verhandelt wurde nur noch die Frage, ob Funke und Fell die Lage der ihnen anvertrauten Bank in einem eng begrenzten Zeitraum öffentlich zu positiv dargestellt und damit Anleger potenziell in die Falle gelockt hatten. Aber nicht einmal dieses Detail konnte nun geklärt werden, weil der Prozess unter dem juristischen Fachbegriff der Ermessenseinstellung ohne Urteil endet. Das Gericht gesteht ein, dass für ein Urteil noch ein weiteres Gutachten durch einen Sachverständigen hätte erstellt werden müssen. Zudem hätten noch zahlreiche Zeugen vernommen werden müssen. Das unrühmliche Prozessende bereitet dem Gericht aber auch deshalb kein schlechtes Gewissen, weil selbst eine bewiesene Schuld der Angeklagten „einer Einstellung nicht entgegensteht“, heißt es zur Begründung. Denn Funke und Fell sei letztlich nicht zur Last gelegt worden, falsche Zahlen und Fakten zur Lage der HRE verbreitet, sondern nur ihren Beurteilungsspielraum überschritten zu haben. In der ursprünglichen Anklage klingt das noch anders. Das Gericht verweist ferner darauf, dass die vermeintlichen Straftaten fast ein Jahrzehnt zurückliegen und die Angeklagten vom Prozess sowie den Ermittlungen massiv belastet worden seien. Zudem hätten sie Schwierigkeiten wegen der Berichterstattung und teils massiver Angriffe gegen ihre Person, beruflich wieder Fuß zu fassen. Diese Zeit hat nun ein Ende. Funke und Fell bleiben unbestraft. Sie können sich nun unbeschwert nach neuen Jobs umsehen.

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