Wirtschaft Neue Züge für den Pfalz-Elsass-Verkehr

Im regionalen Bahnverkehr zwischen Deutschland und Frankreich beginnt Ende 2024 eine neue Ära. Dafür wird eine in beiden Ländern einsetzbare Version eines französischen Triebwagens entwickelt. Erleichtert wird das dadurch, dass mehrere Linien in einem großen Paket zusammengefasst werden.
Heute wird in Stuttgart vom baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Die Grünen) und einem Vertreter der französischen Région Grand Est eine gemeinsame Resolution zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs unterschrieben. Damit ist Baden-Württemberg das dritte Bundesland nach Rheinland-Pfalz und dem Saarland, das mit der Région Grand Est, in der das Elsass und Lothringen aufgegangen sind, eine solche Vereinbarung abschließt. Im regionalen Bahnverkehr zwischen Deutschland und Frankreich gab es seit fast 20 Jahren keine größeren Fortschritte mehr, sondern eher Stagnation und Rückschläge wie den Wegfall von Direktzügen von Saarbrücken nach Straßburg.
Es mangelt bisher an Fahrzeugen
Grund dafür war meist der Mangel an sowohl in Deutschland als auch in Frankreich einsetzbaren Fahrzeugen. Bisher sind nur die relativ kleinen Triebwagen der Serie X 73.900 sowohl mit der französischen als auch der deutschen Leit- und Sicherungstechnik ausgerüstet. Aus diesen Fahrzeugen wird das bisher einzige Zugpaar gebildet, das Neustadt und Straßburg umsteigefrei verbindet – allerdings nur samstags und sonntags, weil die Triebwagen an Werktagen anderweitig gebraucht werden. Die Entwicklungskosten für ein neues in beiden Ländern einsetzbares Fahrzeug stellten bisher das größte Hindernis für eine Verbesserung des deutsch-französischen Regionalverkehrs dar. Erleichtert wird das Überwinden dieser Hürde jetzt durch ein Paket von sieben Strecken, auf denen die Fahrzeuge eingesetzt werden sollen. Das verteilt die Entwicklungskosten auf mehrere Schultern.
30 Triebwagen sind erforderlich
Zu diesen sieben Linien gehören die von Neustadt über Weißenburg nach Straßburg, von Straßburg über Lauterburg nach Wörth (und weiter nach Karlsruhe), außerdem die von Trier über Perl nach Metz, die von Saarbrücken über Forbach nach Metz, die von Saarbrücken über Saargemünd nach Straßburg, die von Offenburg nach Straßburg und die von Müllheim nach Mulhouse. Für die Bedienung dieser Linien werden rund 30 Triebwagen gebraucht. Der Betrieb ab Ende 2024 soll von den Nahverkehrsaufgabenträgern gemeinsam europaweit ausgeschrieben werden. Bei dieser Ausschreibung will das Elsass noch relativ neue Fahrzeuge des Typs Coradia Polyvalent (für die in Frankreich die Bezeichnung Régiolis üblich ist) weiterverwenden. Die neuen Fahrzeuge für den grenzüberschreitenden Verkehr müssen mit den vorhandenen kuppelbar sein, um auf stark frequentierten Abschnitten wie zwischen Hagenau und Straßburg Doppeleinheiten bilden zu können. Für die deutsch-französischen Linien kommt deshalb de facto nur der Coradia Polyvalent in Frage, der im Alstom-Werk im elsässischen Reichshoffen produziert wird. Die industriepolitische Relevanz dieses Auftrags ist eines der Motive für die hohe Bereitschaft der französischen Région Grand Est, sich stark für die Verbesserung des grenzüberschreitenden Verkehrs zu engagieren. Die Région Grand Est ist bereit, die Hälfte der auf rund 38 Millionen Euro veranschlagten Entwicklungskosten zu übernehmen, der Rest wird auf die beteiligten deutschen Nahverkehrsaufgabenträger gemäß ihrem Zugkilometer-Anteil aufgeteilt. Auf den für den regionalen Schienenverkehr in der Pfalz zuständigen Zweckverband in Kaiserslautern entfallen rund 6 Millionen Euro. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) haben zugesagt, die Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung zu stellen.
„Bi-Bi“-Version wird gebraucht
Wenn alle erforderlichen Beschlüsse der Beteiligten vorliegen, will die Région Grand Est die Fahrzeuge bei Alstom bestellen. Vorgesehen ist eine Version des Fahrzeugs, für die im französischen Eisenbahnerjargon die Bezeichnung „Bi-Bi“ üblich ist – dies bedeutet sozusagen Doppel-Zwei. Das erste „Bi“ steht für einen Antrieb sowohl elektrisch (mit Strom aus einer Oberleitung) als auch mit einem Dieselmotor für nicht elektrifizierte Streckenabschnitte, das zweite „Bi“ steht für zwei Stromsysteme, in diesem Fall das deutsche und das französische Wechselstromsystem. Der vorgesehene Triebwagen kann also auf elektrifizierten Strecken in Deutschland (etwa zwischen Trier und Perl, Wörth und Karlsruhe und künftig vielleicht auch einmal zwischen Neustadt und Winden) elektrisch fahren.