Wirtschaft Mobilfunk-Riesen bilden Allianz

Die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen bringt regelmäßig Milliarden Euro ein.
Die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen bringt regelmäßig Milliarden Euro ein.

Zwei Jahre nach einer milliardenschweren Auktion von Mobilfunk-Frequenzen wollen Deutschlands große Telekommunikationskonzerne eine Regeländerung. Sie argumentieren mit einem schnelleren Netzausbau im Interesse der Kunden. Doch es gibt Widerstand.

Anstatt Spektrum – also Funkfrequenzen für die Übertragung von Daten und Telefonie – zu versteigern und den Firmen so Geld zu entziehen, solle die derzeitige Vermietung von 800-Megahertz-Frequenzen verlängert werden, fordern Telefónica, die Deutsche Telekom und Vodafone unisono. Dann würden lediglich Gebühren fällig und die Netzbetreiber müssten weniger Geld an den Staat zahlen. „Das gäbe uns Planungssicherheit und würde uns Investitionen erleichtern“, so Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas.

Anlass der Forderung ist die Reform des Telekommunikationsgesetzes. Hierin sollte nach Auffassung der Firmen die Möglichkeit verankert werden, die Frequenznutzung zu verlängern. Für nächsten Mittwoch ist hierzu ein Abstimmung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags geplant.

Erste Auktion war maßlos überteuert

Fachleute stehen der Forderung der Konzerne skeptisch gegenüber. Der Verzicht auf Auktionen hätte keine sicheren Vorteile für die Verbraucher, sagt etwa Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen. „Denn es ist überhaupt nicht sichergestellt, dass die Betreiber die eingesparten Finanzmittel auch tatsächlich in den heimischen Netzausbau stecken – möglicherweise versickert das Geld in einem ganz anderen Teil ihres globalen Geschäfts.“

Die Frage der Sinnhaftigkeit von Auktionen ist Jahrzehnte alt: Bei der ersten großen Mobilfunkauktion im Jahr 2000 legten damals sechs Firmen umgerechnet rund 50 Milliarden Euro auf den Tisch. Im Nachhinein erwies sich das als viel zu viel. Zwei der Firmen verschwanden schnell von der Bildfläche, und die anderen trugen an der Schuldenlast derart schwer, dass zu wenig Geld für einen schnellen umfassenden Netzausbau – damals noch im 3G-Standard (UMTS) – ausgegeben wurde. Bei späteren Auktionen zahlten die Netzbetreiber zwar deutlich weniger, dennoch flammte die Debatte immer wieder auf. Im Jahr 2019 ersteigerten die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica für zusammen 5,5 Milliarde Euro Spektrum für ihre 5G-Netze. Auch diese Milliardenkosten waren aus ihrer Sicht unnötig.

„Können jeden Euro nur einmal ausgeben“

Nach der Auktion ist vor der Auktion: Nach dieser Devise gewinnt die Debatte nun wieder an Fahrt. Telefónica-Manager Markus Haas verweist darauf, dass Versteigerungen immer Unsicherheit mit sich brächten. Es sei betriebswirtschaftlich fragwürdig, jetzt in Standorte zu investieren, an denen man ab 2026 bestimmte Frequenzen vielleicht gar nicht mehr nutzen dürfe, sollte man das dafür notwendige Spektrum bei der Auktion nicht bekommen. Auktionen seien ein Bremsklotz für Investitionen. „Wir könnten vor allem im ländlichen Bereich noch schneller ausbauen, wenn wir schon bald Planungssicherheit bekämen bei den 800-Megahertz-Frequenzen.“

Haas macht darauf aufmerksam, dass der Bund mit der derzeitig geplanten Reform gegen einen Europäischen Kodex und somit gegen EU-Recht verstoßen könnte – weil ein Verzicht auf die Auktion nicht möglich wäre. In anderen EU-Staaten würden Frequenzen durchaus ohne Auktion vergeben. Auch die Telekom fordert „Verlängerungslösungen“. Vodafone betont, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden könne: „Für ein Stück Papier – oder leistungsstarke Netze, die Deutschland den Weg in eine digitale Zukunft ebnen.“

1&1 Drillisch wehrt sich

Die Verlängerungsforderung der drei Netzbetreiber hat aber noch einen Haken: Der heißt 1&1 Drillisch. Die Tochterfirma von United Internet in Montabaur setzt gerade an, zum vierten deutschen Netzbetreiber zu werden. Sie hat für ihr erstes eigenes Spektrum 2019 rund 1,1 Milliarden Euro bezahlt.

Die erworbenen Bänder eignen sich für Städte, nicht aber für die Flächenversorgung auf dem Land. Drillisch will bei der nächsten Auktion nachlegen und sich mit weiterem Spektrum eindecken. Würde die Versteigerung abgeblasen, hätte der Neueinsteiger dazu keine Möglichkeit. Zwar hätte Drillisch über Telefónica weiterhin Zugang zu niedrigeren Frequenzbändern zur Flächenabdeckung, ist hierbei aber abhängig vom Wettbewerber. Entsprechend heftig ist das Kopfschütteln bei 1&1 bezüglich der Verlängerungsforderung der Wettbewerber. Man sei „zwingend darauf angewiesen, im Rahmen der anstehenden Frequenzvergaben Zugang zu den wichtigen Flächenfrequenzen zu erhalten“, teilt das Unternehmen mit. Eine bloße Verlängerung von Frequenznutzungsrechten wäre „eine nicht zu rechtfertigende, offenkundig rechtswidrige Privilegierung von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica und gleichzeitig eine erhebliche, nicht aufholbare Benachteiligung für 1&1 Drillisch“.

Abfuhr bei Bundesnetzagentur

Ebenfalls kühl reagiert die für die Frequenzvergabe zuständige Bundesnetzagentur auf das Ansinnen der drei großen Netzbetreiber. „Auktionen sind und bleiben der beste Weg, knappe Frequenzen wettbewerbsoffen zu vergeben und Chancen für potenzielle Neueinsteiger zu eröffnen“, sagt Behördenchef Jochen Homann.

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