Physik-Nobelpreis Massemonster im Zentrum der Milchstraße

Reinhard Genzel
Reinhard Genzel

Sie sind die mysteriösesten Objekte im Universum, ihre Eigenschaften sprengen die Vorstellungskraft. Für die Erforschung Schwarzer Löcher erhalten drei Forscher den Nobelpreis für Physik. Ein Experte spricht von „Spitzenforschung am Rande des Machbaren“.

Im Herzen unserer Heimatgalaxie haust ein unsichtbares Monster: ein Schwarzes Loch mit der Masse von mehr als vier Millionen Sonnen. Für den Nachweis dieses Massemonsters im Zentrum der Milchstraße bekommen der Deutsche Reinhard Genzel und die US-Amerikanerin Andrea Ghez in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik. Sie teilen sich die Auszeichnung mit dem Briten Roger Penrose, der den theoretischen Beweis für die Existenz Schwarzer Löcher geliefert hatte, wie das Nobel-Komitee am Dienstag in Stockholm mitteilte. Genzel konnte die Nachricht zunächst fast nicht glauben. Das habe er wirklich nicht erwartet. Seine Gefühlslage direkt danach: sehr emotional. „Ein paar Tränen waren auch dabei.“

Geheimnisvolle Objekte

„Die diesjährigen Preisträger haben Geheimnisse in der dunkelsten Ecke unseres Universums gelüftet“, sagte Physiker Ulf Danielsson vom Nobelkomitee in Stockholm. Schwarze Löcher sind die geheimnisvollsten Objekte im Universum, viele ihrer Eigenschaften sprengen die Vorstellungskraft. Nichts, das einmal ihren sogenannten Ereignishorizont überschritten hat, kann aus ihnen entkommen – nicht einmal Licht. An ihrem Horizont bleibt die Zeit stehen, und in ihrem Inneren wächst die Dichte ins Unendliche – theoretisch.

„Wir haben keine Ahnung, was im Innern eines Schwarzen Lochs ist“, erläuterte die frisch gekürte Preisträgerin Andrea Ghez von der Universität von Kalifornien in Los Angeles. „Und das ist es, was diese Objekte so exotisch macht.“ In ihnen breche das Verständnis der physikalischen Gesetze zusammen. „Das ist Teil der Faszination.“ Wollte man die Erde in ein Schwarzes Loch verwandeln, müsste man sie auf die Größe einer Erbse schrumpfen.

Erst mit Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie von 1915 gab es einen mathematischen Rahmen, um solche Objekte zu beschreiben. Einstein selbst habe nicht an die Existenz Schwarzer Löcher geglaubt, erläuterte das Nobelkomitee. „Dann hat Roger Penrose 1965 eine bemerkenswerte Arbeit veröffentlicht“, betonte Danielsson. „Er führte neue mathematische Werkzeuge ein und bewies mit mathematischer Strenge, dass die Entstehung Schwarzer Löcher eine unausweichliche Konsequenz der Allgemeinen Relativitätstheorie ist.“ Diese Arbeit gelte bis heute als wichtigster Beitrag zur Allgemeinen Relativitätstheorie seit Einstein.

Blick durch Staub und Gas

In anderen Galaxien ließ sich dann durch Beobachtung und mathematische Analyse die Existenz sogenannter supermassereicher Schwarzer Löcher nachweisen, die Millionen bis Milliarden Mal so viel Masse besitzen wie unsere Sonne. Genzel und Ghez nahmen vor fast 30 Jahren mit ihren Teams unabhängig voneinander das Zentrum unserer Milchstraße ins Visier, um herauszufinden, ob auch diese Galaxie ein derartiges Massemonster besitzt. Doch das Zentrum der Milchstraße ist rund 25.000 Lichtjahre entfernt, und große Gas- und Staubwolken behindern die Sicht.

Beide Teams entwickelten Methoden, durch diese Gas- und Staubwolken zu blicken, und lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach Jahrzehnten konnten beide zeigen, dass sich die Bahnen der Sterne im Zentrum der Milchstraße nur durch ein extrem kompaktes Objekt mit einer Masse von mehr als vier Millionen Sonnen erklären ließen – das gesuchte Schwarze Loch. „Spitzenforschung am Rande des Machbaren“, kommentierte das Astrophysiker Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.

Andrea Ghezin
Andrea Ghezin
Roger Penrose
Roger Penrose
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