Wirtschaft Mannheims OB Kurz verhandelt in Bonn

Der Nahverkehr in Mannheim steht wegen der Nulltarif-Initiative der Bundesregierung nun besonders im Blickpunkt der Interesses.
Der Nahverkehr in Mannheim steht wegen der Nulltarif-Initiative der Bundesregierung nun besonders im Blickpunkt der Interesses.

«Ludwigshafen.»Seit die Bundesregierung mit einer Initiative für kostenlose öffentliche Verkehrsmittel überrascht hat, steht die Forderung nach einem attraktiveren Nahverkehr deutlicher als je zuvor auf der politischen Agenda. Zwar sorgt die Nulltarif-Ankündigung bei Fachleuten bundesweit eher für Kopfschütteln. Es könnte dadurch aber immerhin der Druck wachsen, tatsächlich etwas zu tun, statt weiter auf Ablenkungsmanöver zu setzen.

Aus dem Verkehr stammen in Deutschland zwar nur knapp 40 Prozent der Stickoxid-Emissionen (siehe Grafik). In den Städten, wo die Luftbelastung besonders kritisch ist, sieht das Bild aber anders aus. Hier ist laut Umweltbundesamt der Verkehr für 60 Prozent der Stickoxid-Emissionen verantwortlich, von denen wiederum rund 73 Prozent auf Diesel-Pkw entfallen. Gerade in den Städten ist der private Autoverkehr deshalb das zentrale Umweltproblem. Wohl weil sie nichts Anderes vorzuweisen hatte, kam die Bundesregierung auf die Idee, in einem Brief an die Europäische Union (EU) in Brüssel anzukündigen, dass Deutschland die von der EU seit Jahren monierte schlechte Luftqualität durch kostenlosen Nahverkehr verbessern will. Dabei wurden ohne vorherige Abstimmung fünf Modellstädte benannt, darunter, wie berichtet, auch Mannheim. Am kommenden Montag findet im Umweltministerium in Bonn ein Treffen der Oberbürgermeister der fünf Modellstädte statt. Außer dem Mannheimer OB Peter Kurz (SPD) wird auch der für das Thema Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) zuständige Bürgermeister Christian Specht (CDU) an dem Gespräch teilnehmen. Specht hat schon klargestellt, dass er andere Themen für wichtiger hält als einen von Fachleuten meist skeptisch gesehenen lokalen Nulltarif. Der Mannheimer Bürgermeister betonte: „Als schnell umsetzbare und kurzfristig wirksame Maßnahme sehe ich nur Verbesserungen im ÖPNV – dazu zählen zum Beispiel attraktive Fahrpreise, dichtere Takte und neue Verbindungen. Wir werden uns nun mit dem Bund zusammensetzen, um zielführende ÖPNV-Maßnahmen für Mannheim zu besprechen.“ Eine weitere Erhöhung des Anteils an ÖPNV-Nutzern setze weitere und stetige Investitionen zum Beispiel in neue Stadtbahnstrecken voraus. Hier sei die Stadt Mannheim als Kommune auf kontinuierliche finanzielle Förderung des Bundes und der Länder angewiesen. In der Tendenz ganz ähnlich wie Specht, aber sehr viel drastischer, äußerte sich in der von Stickoxiden ganz besonders belasteten Stadt München (die nicht zu den fünf Modellstädten gehört) deren zweiter Bürgermeister Josef Schmid (CSU). Er verwies auf die auch jetzt schon ohne Nulltarif sehr hohe Auslastung des Münchner Nahverkehrssystems und betonte: „Deshalb bräuchten wir was ganz anderes ganz dringend in München und in den Ballungsräumen, nämlich ein Sonderprogramm des Bundes zur Finanzierung des Ausbaus des Öffentlichen Personennahverkehrs.“ Sinnvoll wäre aus seiner Sicht deshalb ein ÖPNV-Sonderprogramm von 20 Milliarden Euro für ganz Deutschland, aus dem 3 bis 4 Milliarden Euro auf München entfallen könnten. Die von der großen Koalition vorgesehene Aufstockung der Bundesmittel für ÖPNV-Investitionen von 350 Millionen auf 1 Milliarde Euro pro Jahr sei hingegen „unzureichend“. Ein lokal beschränkter Nulltarif führt oft vor allem dazu, dass Fußgänger in die kostenlosen Busse und Bahnen steigen und dafür teure Zusatzkapazitäten gebraucht werden, ohne dass sich ein großer Entlastungseffekt für die Umwelt ergibt. Unter Fachleuten ist allerdings auch weitgehend unstrittig, dass zu einem öffentlichen Nahverkehr, der eine attraktive Alternative auch für Autofahrer bietet, nicht zuletzt günstige Tarife gehören. Beispielsweise sagte Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, der öffentliche Nahverkehr müsse dafür nicht unbedingt kostenlos sein. „Ich könnte mir vorstellen, dass auch günstige Jahreskarten schon viel bewirken.“ Kommentar

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