Bahnverkehr Lokführer: Von Jim-Knopf-Romantik keine Spur mehr

 Sascha Weise hat 1999 eine Ausbildung zum Lokführer bei der Nahverkehrssparte DB Regio gemacht und wechselte 2008 zum Fernverke
Sascha Weise hat 1999 eine Ausbildung zum Lokführer bei der Nahverkehrssparte DB Regio gemacht und wechselte 2008 zum Fernverkehr. Sein Arbeitsplatz ist nun ein ICE-Cockpit.

„Wenn ich groß bin, werde ich Lokführer!“, verkündet manches Kind schon im Kindergartenalter. Allein im vergangenen Jahr begannen rund 650 junge Menschen bei der Deutschen Bahn ihre Ausbildung zum Lokführer. Immer noch ein Traumberuf?

Felix Mayer sitzt entspannt ganz vorne an seinem Arbeitsplatz in einem ICE auf der Schnellfahrstrecke von Frankfurt nach Köln. Vor ihm der Schienenstrang, der Zug flitzt an Bäumen vorbei, neben der Geschwindigkeitsanzeige auf einem Monitor der einzige Hinweis darauf, dass der Zug gerade mit einer Geschwindigkeit von 250 Kilometern pro Stunde unterwegs ist – kein Ruckeln, kein Fahrtlärm im Lokführerstand, der mehr an ein Cockpit erinnert als an die Eisenbahnromantik der Dampflok-Ära. Zahlreiche Monitore und Anzeigen prägen das Bild, ein Tablet zeigt Mayer den aktuellen Energieverbrauch an.

Mittlerweile erinnern nur noch Museen oder Kinderbücher wie der Klassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ an jene Zeit, in der ganze Kindergartengenerationen beteuerten: „Wenn ich groß bin, werde ich Lokomotivführer!“

Die meisten Lokführer führen keine Lok

Und heute? Etwa 24.000 Bewerbungen gingen laut Angaben der Deutschen Bahn (DB) im vergangenen Jahr bei der DB ein, rund 650 junge Menschen begannen die Ausbildung zum Lokführer, korrekt-amtlich als Triebfahrzeugführer bezeichnet, weil die meisten Lokführer heute streng genommen keine Lok führen, sondern im Führerstand eines Triebwagens sitzen. Von ihnen gibt es derzeit etwa 19.000 und anders als beim Zugpersonal, das Reisende in den Zügen zu Gesicht bekommen, sind Frauen hier noch ausgesprochen selten: Ihr Anteil liegt derzeit bei 4 Prozent.

„Ich habe Hunderte von Vorstellungsgesprächen mit Lokführern geführt und ich kenne viele junge Menschen, die von klein auf den Wunsch hatten, Lokführer zu werden“, sagt Bahnmitarbeiter Hans Schröder. Was macht einen guten Lokführer aus? „Ein gewisses technisches Verständnis sollte schon da sein“, betont Schröder. Zudem sollten sich Bewerber mit den Besonderheiten auseinandergesetzt haben, die das Arbeitsleben eines Eisenbahners mit sich bringt: Schichtdienst, Arbeit auch an Wochenenden und Feiertagen, das Leben nach dem Dienstplan: „Der Lokführer fängt auch mal mitten in der Nacht an oder mittags. Man muss das schon auch mit Herzblut machen.“

Wollte auch Felix Mayer seit der Kindheit Züge steuern? „Ich wusste lange nicht, was ich wollte“, gibt der gelernte Schlosser zu. Nach dem Abitur und zwei Semestern Jura sei er zu der Überzeugung gekommen, dass ein Studium nichts für ihn sei. Der Wunsch „Pilot oder Lokführer“ sei aber schon länger da gewesen. Nicht zuletzt angesichts der Krise der Luftfahrtindustrie wegen der Corona-Pandemie meint er jetzt: „Ich habe alles richtig gemacht. Ich würde das jedes Mal wieder machen.“

„Immer schon Interesse für die Eisenbahn“

Sein Kollege Sascha Weise hingegen hatte „immer schon Interesse für die Eisenbahn“, wo er 1999 bei DB Regio eine Ausbildung zum Lokführer machte. Vor zwölf Jahren wechselte er dann zum Fernverkehr und fährt von seiner Einsatzstelle Dortmund nach Frankfurt, Hamburg, Hannover, Magdeburg oder Stuttgart. „Da kommt man schon gut rum“, sagt er zufrieden.

Dieses Unterwegssein gehört auch für Mayer, der hofft, eines Tages auch auf den internationalen Strecken etwa von Frankfurt nach Frankreich eingesetzt zu werden, zu den Attraktionen des Berufs. Zwar beenden die Lokführer in aller Regel ihren Arbeitstag auch wieder in ihrem „Heimatbahnhof“, doch es gebe immer wieder einmal Gelegenheit, neue Städte kennenzulernen.

Und dann ist da natürlich noch der Blick auf Schienen und Landschaften. Auch wenn es alleine im „Cockpit“ eines ICE natürlich auch schon mal etwas einsam sein kann, wie Mayer einräumt. Weise hingegen ist „ganz froh, wenn ich da vorne meine Ruhe habe - mich stört es nicht, dass ich da alleine bin.“ Zudem gebe es die Gespräche mit dem Zugbegleiter, mal rufe der Fahrdienstleiter an – ganz ohne Ansprache sei man als Lokführer also nicht.

Verständnisvolle Freunde wichtig

Im Privatleben seien allerdings verständnisvolle Partner und Freunde wichtig, betont Weise. „Die Arbeitszeiten sind nun mal nicht wie im Büro, wir können rund um die Uhr eingesetzt werden.“ Da sei es durchaus nicht einfach, wenn Freunde am Wochenende etwas unternehmen wollten und er selbst müsse arbeiten oder sich von einer Nachtschicht erholen.

Und wie wird man Lokführer? Laut DB ist das entweder über eine dreijährige duale Berufsausbildung möglich, für die ein Hauptschulabschluss Mindestvoraussetzung ist, oder über die Funktionsausbildung für Quereinsteiger, die in zehn bis zwölf Monaten ausgebildet werden. Hierfür wird eine abgeschlossene, möglichst technische Berufsausbildung, vorausgesetzt.

Kommentar: Eisenbahner sind gefragt

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