Wirtschaft Leitartikel: Wir Natur-Verbraucher

Die Zerstörung der Tier- und Pflanzenwelt dieses Planeten hat ungeheure Ausmaße erreicht. Ursache dafür ist unsere Art des Wirtschaftens und des Konsums. Mit einem weiter so werden wir scheitern. Wir stehen nicht mehr weit von einem Punkt ohne Umkehrmöglichkeit.

Auch wenn es gerade nicht ganz in die Jahreszeit passt: Heißzeit ist das Wort des Jahres 2018. Diese Entscheidung einer Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache bezeugt, dass die Klimaerwärmung auch angesichts der Dürre in diesem Sommer heiß diskutiert wird. Ein anderer Aspekt der Zerstörung unserer Umwelt findet dagegen derzeit deutlich weniger Beachtung, auch wenn er nicht minder weitreichende Folgen hat. Das Plenum der UN-Weltnaturschutzkonferenz hat erst Ende November festgestellt, dass sich die Natur weltweit in einem katastrophalen Zustand befindet und dringend mehr dagegen getan werden muss. Die Konferenz spricht davon, dass die Zerstörung der Natur und der Verlust an biologischer Vielfalt ein Ausmaß erreicht haben, das alle Formen des Lebens auf der Erde bedroht. Das schließt, ganz nebenbei bemerkt, unsere eigene Spezies mit ein. Wir vernichten die Tier- und Pflanzenwelt dieses Planeten in einer ungeheuren Größenordnung. Dabei geht es nicht nur um die weltweit 26.500 Arten, die von der Auslöschung bedroht sind und deren Anzahl mit jeder neuen Ausgabe der Roten Listen steigt. Sondern es geht auch um die schier unvorstellbare Dezimierung der Tier- und Pflanzenbestände. Auch direkt vor unserer Haustür – und das in einem Land, in dem der Naturschutz mit erfunden wurde. So zeigte 2017 eine Langzeitstudie, dass die Masse der Insekten in Deutschland seit 1989 um 76 Prozent zurückgegangen ist. Und führende Ornithologen belegen plausibel, dass der Gesamtbestand der Vögel hierzulande in den vergangenen 200 Jahren um unfassbare 80 Prozent dezimiert wurde. Wo also einst zehn Vögel flatterten, sind es heute gerade noch zwei. Die wesentliche Ursache dieser Tragödie erdgeschichtlichen Ausmaßes ist unsere Wirtschafts- und Konsumweise. Die Folgen sind zerstörte Lebensräume und schwindende Biotop-Vielfalt durch ausgeräumte, verödete Kultursteppen, Zersiedelung durch ausufernde Städte und Straßen, Belastung durch Pestizide, Dünger, Abgase, Gifte, landwirtschaftliche Intensivnutzung, Verkehr oder schlicht die Störung durch die Anwesenheit von Menschen, die Wälder, Fluren, Seen und sogar Naturschutzgebiete teilweise zu Rummelplätzen machen. Boden, Luft, Wasser, Wälder und Wiesen, Pflanzen und Tiere sind zur Ressource degradiert, die wir selbstverständlich verbrauchen dürfen. Doch wir Natur-Verbraucher übersehen, dass wir unsere Lebensgrundlage nicht konsumieren können, ohne selbst über die Klinge zu springen. Auch ökonomisch betrachtet ist dieser Umgang mit dem knappen Gut Natur ziemlich dumm. Es sieht so aus, als hätten wir das Problem nicht wirklich verstanden. Der weltweite Schwund der Artenvielfalt schwächt das Groß-Ökosystem dieses Planeten, auf dem wir selbst leben. Und wir stehen nicht mehr weit von einem Punkt ohne Umkehrmöglichkeit, an dem dieses System, das uns mit Wasser, Luft und Essen versorgt, kippt und versagt. Dagegen erscheinen beispielsweise die Stickoxidprobleme in hiesigen Innenstädten und die hysterischen politischen Lösungsversuche geradezu lächerlich. Wir sollten unser Wirtschaften und unseren Konsum den ökologischen Anforderungen anpassen. Denn der Versuch, die Ökologie dem Markt zu unterwerfen, wird scheitern. Wir brauchen deshalb Mut zu großen Veränderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise und unserer Denkweisen und Anschauungen. Das kann nur getragen sein von einer tiefen Einsicht. Alles Leben auf diesem Planeten stellt einen Wert für sich selbst dar und ist unbedingt schützenswert. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann fügen wir der langen Liste der ausgestorbenen Arten letztlich auch unsere eigene an.

x