Wirtschaft Leitartikel: Stau am Himmel

Die Gründe für Flugverspätungen und -ausfälle sind vielfältig. Zu ihnen gehört auch der enorme Kostendruck. Ohne höhere Ticketpreise wird es wohl

nicht möglich sein, den Flugverkehr wieder zuverlässiger zu machen. Wer für mehr Qualität einen höheren Preis zahlt, muss diese auch geliefert bekommen.

Zigtausende Urlauber sind, mal wieder, sauer. In München wurden vergangene Woche, ausgerechnet zum Ferienbeginn, rund 200 Flüge gestrichen. In Frankfurt mussten viele Flieger Ehrenrunden drehen oder wurden auf den Flughafen Hahn im Hunsrück umgeleitet. Das sind nur zwei der aktuellen Beispiele, die Flugpassagiere derzeit vermehrt erleben müssen. In München war es eine Frau, die irgendwie durch die Sicherheitskontrollen gerutscht war, weswegen dann ein komplettes Terminal gesperrt wurde. In Frankfurt war es eines der zahlreichen Unwetter, das den Flugverkehr durcheinanderbrachte. Egal warum: Für Urlauber und Geschäftsreisende ist es ärgerlich, dass die Anzahl der Verspätungen allein zwischen Mai und Juli im Vergleich zum Vorjahr um über 60 Prozent gestiegen ist. Die Anzahl der gestrichenen Flüge erhöhte sich im selben Zeitraum sogar um 80 Prozent. Die Gründe für den Stau am Himmel sind vielfältig. Sie sei einfach nur müde und genervt, sagte eine junge Frau, die von München nach Abu Dhabi wollte, deren Flieger aber wegen des Nachtflugverbots (Grund eins) nicht mehr starten durfte. Grund zwei: Die Unwetter, die der anhaltenden Hitze in diesem Sommer geschuldet sind. Dazu kommen Engpässe bei den Sicherheitskontrollen (Grund drei), bei den Fluglotsen (Grund vier) und bei den Fluggesellschaften (Grund fünf). An den Gründen eins und zwei wird sich so schnell nichts ändern – Bürgerinitiativen haben lange für die Beschränkung der Flugzeiten gekämpft. Und gegen das Wetter ist schon gar nichts zu machen. Bei den Sicherheitskontrollen setzt der Bundesverkehrsminister auf mehr Privatisierung und mehr Verantwortung bei den Flughäfen. Aber das wird dauern, wenn es denn überhaupt umsetzbar ist, denn das Personal ist nicht unendlich vermehrbar, schon aus Kostengründen nicht. Ähnlich ist es bei den Fluglotsen, die für ihren anspruchsvollen Job nicht über Nacht ausgebildet werden können. Was also können die Fluggesellschaften tun? Eine Lücke ist entstanden, weil die bis dato zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin nicht mehr da ist. Die Konkurrenz hat zwar versucht, das Vakuum zu füllen, aber bei immer mehr Fluggästen ist das nicht so einfach. Zumal der Preiswettbewerb härter wird, der dafür sorgt, dass immer mehr Menschen fliegen. „Wer nur 20 Euro bezahlt, was kann der schon erwarten?“, fragte eine Flugbegleiterin der irischen Billigairline Ryanair jüngst, als die Mitarbeiter wegen des enormen Kostendrucks in den Ausstand (Grund sechs) traten. Damit hat sie auf den siebten Grund angesprochen: die niedrigen Preise. Wer für 300 Euro eine Woche Mallorca inklusive Flug, Hotel und Vollverpflegung erwartet, der darf sich nicht wundern, wenn nicht alles rund läuft. Auch Ryanair hatte zunächst die Strategie, über den Preis möglichst viele Kunden zu werben. Dabei hat die Airline aber die eigene Belegschaft vernachlässigt. Air Berlin versuchte den Spagat, aus einem Ferienflieger eine Qualitätsairline zu machen – und ging bekanntlich pleite. Die Lufthansa versucht den umgekehrten Weg: Wer mehr bezahlt, soll auch mehr Leistung erwarten dürfen. Das ist innerhalb eines Unternehmens schwer umzusetzen, und dafür hat die deutsche Nummer eins hart mit den Gewerkschaften gerungen. Der Stau am Himmel zeigt, dass es aus ökonomischen Gründen zwingend erforderlich ist, den komplexen Flugbetrieb mit einer Mischkalkulation aufrecht zu erhalten. Aber: Wer für mehr Qualität einen höheren Preis zahlt, muss diese auch geliefert bekommen.

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