Wirtschaft Leitartikel: Gefährlicher Schnellschuss

Den Unternehmen bürokratische und finanzielle Steine in den Weg zu legen, ist sicher der falsche Weg, um das zarte Pflänzchen Wachstum in Italien am Leben zu erhalten. Genau das aber tut Arbeits- und Industrieminister Di Maio. Di Maio versucht, sich gegenüber dem Juniorpartner in der Regierung zu behaupten.

Weniger Investitionen, weniger Wachstum, weniger Arbeitsplätze. Das Bild, das die Confindustria, der größte Arbeitgeberverband Italiens, zeichnet, wäre für das Land ein Alptraum. Für ihn sind dies aber die vorhersehbaren Folgen der Maßnahmen, mit denen Luigi Di Maio den italienischen Arbeitsmarkt umkrempeln will. An Pathos fehlt es dem 31-jährigen Superminister für Arbeit, wirtschaftliche Entwicklung und Industrie nicht. Seinem Regelpaket hat er den Namen „decreto dignità“, „Dekret Würde“ verpasst. Der Kampf gegen schlecht bezahlte und unsichere Arbeitsplätze ist eines der Hauptanliegen der Fünf-Sterne-Bewegung, der Di Maio angehört. Doch mit seinem wenig durchdachten Schnellschuss wird er ihn kaum gewinnen. Nach nur sieben Wochen im Amt hat der Polit-Jungstar, der nie in der freien Wirtschaft gearbeitet hat und auch sonst kaum Kompetenzen für sein Amt mitbringt, ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht. Befristete Arbeitsverträge dürfen nun längstens für 24 statt bisher 36 Monate ausgestellt werden. Eine befristete Verlängerung ist maximal vier statt fünf Mal möglich. Mit jeder Verlängerung erhöhen sich die Sozialabgaben für die Arbeitgeber um 0,5 Prozent. Und für die befristete Verlängerung nach einem Jahr müssen außergewöhnliche Gründe vorliegen. Statt mehr unbefristete Verträge zu bewirken, dürften die neuen Regelungen vor allem der Schwarzarbeit einen Wachstumsschub verleihen. Wodurch dem Staat Steuereinnahmen verloren gingen. Tito Boeri, Chef der italienischen Sozialversicherung INPS, warnt davor, dass die Maßnahmen, statt Stellen zu schaffen, in den kommenden zehn Jahren 80.000 Jobs kosten werden. Auch sei eine Klagewelle absehbar, um Befristungsgründe als außergewöhnlich anerkannt zu bekommen. Schon fürchten Universitäten, dass die Forschung in Italien ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren könnte. Denn viele Jobs dort sind befristet. Noch ein Weiteres lässt die Alarmglocken schrillen: Unternehmen, die Subventionen erhalten, etwa in Form von Steuererleichterungen, müssen diese zurückzahlen und werden in manchen Fällen bestraft, sollten sie Teile ihrer Produktion binnen fünf Jahren ins Ausland verlagern. Das schreckt Investoren ab. Dabei bräuchte sie Italien, damit es wirtschaftlich bergauf geht. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation zwar verbessert, allerdings nur langsam. Und die Erfolge sind fragil. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 10,7 Prozent, dem niedrigsten Stand seit sechs Jahren. Den Unternehmen bürokratische und finanzielle Steine in den Weg zu legen, ist sicher der falsche Weg, um das zarte Pflänzchen Wachstum am Leben zu erhalten. Di Maio versucht, sich gegenüber dem Juniorpartner in der Regierung zu behaupten. Innenminister Matteo Salvini poltert seit Wochen gegen Migranten. In Umfragen liegt seine Lega mit rund 30 Prozent vor den Fünf Sternen, die nur noch auf 28 Prozent Wählerstimmen kommen. Bei der Wahl im März waren die Fünf Sterne noch mit 32,6 Prozent weit vor der Lega (17 Prozent) gelandet. Di Maio kann aber keine seiner geplanten Wohltaten verwirklichen, ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen. Das Bürgereinkommen für Arbeitslose, die Senkung des Rentenalters: All das kostet. Dem hat der parteilose Finanzminister Giovanni Tria einen Riegel vorgeschoben, denn das Land schiebt den gewaltigen Schuldenberg von 2300 Milliarden Euro vor sich her. Wie hilflos man in Di Maios Ministerium ist, zeigt eine weitere Idee: Bedürftigen soll bald eine halbe Stunde Internet-Zugang pro Tag gratis zur Verfügung stehen.

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