Energie Lang erwarteter Windstrom aus dem Norden für Deutschlands Süden

Ein Leerrohr der geplanten Stromautobahn SuedLink ragt vor dem Umspannwerk Großgartach aus einem kleinen Tunnel.
Ein Leerrohr der geplanten Stromautobahn SuedLink ragt vor dem Umspannwerk Großgartach aus einem kleinen Tunnel.

Nach jahrelangen Verzögerungen haben für die Gleichstrom-Trasse SuedLink die Bauarbeiten in Schleswig-Holstein begonnen.

Das deutsche Stromnetz bekommt endlich eine belastbare Nord-Süd-Verbindung: Für das Großprojekt Suedlink haben nach jahrelangen Verzögerungen die Bauarbeiten in Wewelsfleht in Schleswig-Holstein begonnen. Ab 2028 soll die neue Stromtrasse Energie aus Windkraft aus dem Norden Deutschlands in den Süden transportieren. Dorthin, wo sich Industrie ballt und besonders viel Strom braucht.

Am Montagnachmittag erfolgte der offizielle Spatenstich für den Elbtunnel bei Wewelsfleth (Kreis Steinburg), durch den die SuedLink-Leitung nach Niedersachsen geführt werden soll. Die Elbquerung ist nach Angaben des Stromnetzbetreibers Tennet eines der größten Sonderbauwerke von SuedLink. Sechs 525-kV-Gleichstromkabel sollen eingezogen und an die SuedLink-Kabel auf beiden Seiten der Elbe angeschlossen werden. Die Bauzeit werde voraussichtlich viereinhalb Jahre betragen.

SuedLink soll den Strom aus Windparks in Schleswig-Holstein auf einer Länge von 700 Kilometern über Niedersachsen, Hessen und Thüringen nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren. Für den Abschnitt aus dem Norden bis nach Hildesheim im Süden Niedersachsens ist der Betreiber Tennet zuständig, für den südlichen Teil der Betreiber Transnet BW.

Proteste verzögern Bau

Auf einem Großteil der Strecke sollen zwei Stromleitungen parallel verlegt werden. Eine verläuft von Brunsbüttel an der Elbmündung nach Großgartach in Baden-Württemberg, die andere von Wilster nördlich der Elbe nach Bergrheinfeld im Norden Bayerns. Die Kabel sollen auf der gesamten Strecke unter der Erde liegen.

Für das Verlegen dieser Erdkabel hatten sich zahlreiche Bürgerinitiativen stark gemacht – deren Engagement das Vorhaben aber auch verzögert hat. Ursprünglich sollte Suedlink bereits 2022 in Betrieb genommen werden. Die Trasse war zunächst als Überlandleitung geplant gewesen, dagegen gab es vor allem in Bayern Widerstand aus der Bevölkerung und der Politik. Die jetzt geplante unterirdische Leitung ist mit einer Investitionssumme von rund 10 Milliarden Euro deutlich teurer.

Die Verfechter von Erdkabeln hatten die anfangs angedachte Streckenführung mit Masten kritisiert, weil die Leitungen das Landschaftsbild störten. Andere Menschen hatten Ängste vor elektromagnetischen Feldern angeführt oder darauf hingewiesen, dass sich der Wert ihrer Immobilien verringern würden.

Mehrkosten tragen Stromverbraucher

Auf jeden Fall kommt das Verlegen von Erdkabeln auf der freien Fläche sehr viel teurer als die Leitungen an Strommasten. Diese Mehrkosten werden laut Bundeswirtschaftsministerium von den Netznutzern – also von der Wirtschaft und der Verbrauchern – über die Netzentgelte auf der Stromrechnung getragen.

Die Stromtrasse SuedLink ist auf eine Kapazität von vier Gigawatt ausgelegt. Das entspricht etwa 10 Prozent des Strombedarfs in Deutschland oder umgerechnet der Leistung der drei letzten deutschen Atomkraftwerke, die im April vom Netz gegangen waren. Damit leistet SuedLink nur einen kleinen Beitrag zum Netzausbau, bis 2037 rechnen die Betreiber mit einem Strom-Transportbedarf innerhalb Deutschlands von mehr als 80 Gigawatt.

Die Verbindungen nutzen Gleichstrom, der sich – im Gegensatz zum Wechselstrom aus der Steckdose – über Hunderte Kilometer nahezu verlustfrei transportieren lässt. Am Anfang und am Ende einer Leitung stehen Konverter, die den Strom umwandeln und ins Netz mit dem Wechselstrom einspeisen. Ansonsten ist SuedLink nicht mit dem übrigen Stromnetz verbunden.

Zuverlässiger als an Land

Der Hintergrund des Ganzen: Bis 2045 soll der gesamte Strom in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Den größten Anteil daran haben den Plänen zufolge Offshore-Windparks in der Nordsee. Also Windparks, die auf dem offenen Meer stehen, wo der Wind zuverlässiger weht als an Land. Im vergangenen Jahr waren nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie auf dem Meer Anlagen mit einer Leistung von insgesamt gut acht Gigawatt in Betrieb, bis 2045 sollen diese Kapazitäten auf 70 Gigawatt ausgebaut werden.

Schon jetzt reicht das bestehende Netz nicht aus, um den Strom in ganz Deutschland zu verteilen. Das sorgt für hohe Kosten: Kann der Strom nicht eingespeist werden, müssen Windräder abgestellt und die Betreiber entschädigt werden. In Süddeutschland braucht man aber Strom – deshalb müssen dort in solchen Fällen fossile Kraftwerke, also Kohle- oder Gaskraftwerke, hochgefahren werden.

Vordringlicher Bedarf

Bislang haben die Behörden zwei der 15 Teilstrecken von Suedlink für den Bau freigegeben: die Leitung unter der Elbe bei Wewelsfleht und einen 17 Kilometer langen Abschnitt im Kreis Heilbronn. Weitere Genehmigungen sollen nach Angaben der Bundesnetzagentur in diesem und im nächsten Jahr folgen. Die Bundesregierung hat Suedlink einen „vordringlichen Bedarf“ eingeräumt, mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz fällt zudem eine Genehmigungsstufe weg.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, betonte, der Netzausbau in Deutschland nehme an Fahrt auf. „Wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren, wo immer es geht.“ Bis Ende 2024 sollten 2800 Kilometer und bis Ende 2025 bereits 4400 Kilometer Leitungen genehmigt sein, betonte Müller.

Derweil wird auch an der Westküstenleitung gebaut. Sie steht nach Angaben des Netzbetreibers Tennet kurz vor der Gesamtinbetriebnahme. Sie führt von der dänischen Grenze über Husum und Heide auf knapp 140 Kilometern Länge bis Brunsbüttel. Auf den ersten vier Abschnitten (121 Kilometer) transportiert die 380-kV-Freileitung bereits Strom aus erneuerbaren Energien Richtung Süden. Bis Ende September sollen auch die letzten Kilometer in Nordfriesland von Klanxbüll bis zur dänischen Grenze fertiggestellt sein. Der Anschluss an das Netz in Dänemark soll 2024 erfolgen. „Die Westküste ist Vorzeigeregion für die Energiewende in Deutschland“, hieß es von Tennet.

wirtsuedlink001
x