Flugverkehr Kofferberge an den Flughäfen

Durch die Komplikationen im Flugverkehr werden oft Reisende und ihr Gepäck getrennt. Das Foto entstand in Hamburg.
Durch die Komplikationen im Flugverkehr werden oft Reisende und ihr Gepäck getrennt. Das Foto entstand in Hamburg.

Fliegen ist in diesen Sommertagen schwierig. Besonders heikel wird es bei Umsteigeverbindungen, wenn Gepäck und Besitzer in unterschiedlichen Flügen weiterkommen. Und die Perspektiven für die nächsten Jahre sind nicht gut. Passagiere müssen sich auf anhaltend harte Zeiten mit vielen Flugausfällen und steigenden Preisen einstellen.

Die deutschen Flughäfen kämpfen angesichts der Abfertigungsprobleme im Luftverkehr mit großen Problemen beim Gepäck. An den größeren Flughäfen muss eine wachsende Menge an Koffern umgeschlagen werden, die erst nach ihren Besitzern am Zielort ankommen, wie eine Umfrage ergab. Vor allem beim Umsteigen an Drehkreuzen wie München und Frankfurt werden demnach Passagiere und Gepäck getrennt.

Den Berliner BER erreichen täglich an die 300 Koffer, die von den Fluggesellschaften an ihre Kunden nachgesendet werden, wie eine Sprecherin sagte. Das sei deutlich mehr als üblich. Es musste demnach eine zusätzliche Fläche zur Verfügung gestellt werden, auf der die Koffer zwischengelagert werden. Ein Großteil stamme von Drehkreuzen wie München oder Frankfurt.

In München steht derzeit ein Berg von mehreren tausend Koffern, die zugeordnet werden müssen, wie der Flughafenbetreiber bestätigte. Eine exakte Zahl kenne man aber nicht, und man sei auch nicht allein verantwortlich: „Ein nicht unerheblicher Teil dieser Koffer wurde von anderen Stationen nach München geschickt, um hier bearbeitet zu werden.“

Am Frankfurter Airport sind Tausende Koffer gestrandet

Am Frankfurter Flughafen finden sich im Moment in Spitzenzeiten Tausende Koffer, die nachgesendet werden müssen, bestätigte der Betreiber Fraport, ebenfalls ohne exakte Zahlen zu nennen. Es sei aber mehr als in normalen Zeiten. Grund sei die mangelnde Pünktlichkeit zahlreicher Flüge. Zuletzt hatte die Lufthansa weitere Flüge gestrichen, um das Gesamtsystem verlässlicher zu machen. Extraflächen für gestrandete Koffer müssen laut Fraport allerdings nicht eingerichtet werden, da es auch in der Vergangenheit immer mal wieder Situationen gab, in denen vermehrt Gepäckstücke nachgesendet werden mussten.

Der Flughafen Hannover verzeichnet etwa fünfmal mehr verlustgemeldete Gepäckstücke als üblich. „Wir schätzen die Zahl auf täglich durchschnittlich zwischen 300 bis 500 Lost-&-Found-Fälle.“ Aufgrund der Pandemie seien aber besonders die Zahlen der Jahre ab 2019 bis 2022 schwer miteinander vergleichbar. „Natürlich steigt die Zahl der Verlustmeldungen mit dem Anstieg des Flugvolumens jedes Jahr auch saisonbedingt.“ Am Hamburger Flughafen gibt es nach Angaben einer Sprecherin nur Probleme mit dem nachgesendeten Gepäck von anderen Flughäfen. Zuständig seien die Fluggesellschaften. Die Lufthansa hatte den Fluggästen empfohlen, den Status ihrer Verlustmeldung online einzusehen und nach Eintreffen des Gepäckstücks in Hamburg ihren Koffer am Flughafen abzuholen. Der Flughafen Düsseldorf sah sich nicht in der Lage, Angaben zum Gepäck zu machen.

Heathrow begrenzt Anzahl der Passagiere

Der Londoner Flughafen Heathrow hat ein Limit für die Anzahl abreisender Passagiere für die Sommermonate eingeführt. Wie Geschäftsführer John Holland-Kaye am Dienstag in einem offenen Brief mitteilte, soll ab sofort bis zum 11. September eine Obergrenze von 100.000 Passagieren am Tag gelten. Fluggesellschaften rief er auf, den Ticket-Verkauf für diesen Zeitraum einzustellen. Es gebe einige entscheidende Funktionen am Flughafen, bei denen nicht ausreichend Mitarbeiter zur Verfügung stünden, insbesondere bei der Bodenabfertigung, begründete Holland-Kaye den Schritt. Es fehle den entsprechenden Unternehmen beispielsweise an Mitarbeitern am Check-in oder bei der Gepäckabfertigung.

„Flugstreichungen könnten Normalzustand werden“

Flugpassagiere müssen sich in Europa nach Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade auf anhaltend harte Zeiten einstellen. Einer am Dienstag vorgestellten Studie zufolge steigen in diesem Jahr die Ticketpreise zwar kräftig. Die Fluggesellschaften hätten dennoch keinen finanziellen Spielraum, ihre Personalmisere zu beheben. Die im Moment so häufigen Flugstreichungen könnten so zum Normalzustand werden. Mittelfristig rechnen die Finanzexperten im Europaverkehr zudem mit Vorteilen für die umweltfreundlichere Eisenbahn.

Flugticket-Preise sind erheblich gestiegen

Die Fluggesellschaften haben in Folge der seit Jahresbeginn stark gestiegenen Kerosinpreise (plus 89 Prozent) die Ticketpreise bereits deutlich nach oben gesetzt, wie die Studie ergab. „Die Fluggesellschaften versuchen, die Verluste von zwei Jahren Corona-Pandemie wettzumachen“, erklärte der Allianz-Trade-Chef für den deutschsprachigen Raum, Milo Bogaerts. Man rechne für das Gesamtjahr mit einem durchschnittlichen Preisanstieg von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zusammen mit dem höheren Passagieraufkommen sollten sich die Umsätze der Gesellschaften im Vergleich zum coronageprägten Vorjahr so mehr als verdoppeln, aber bei weitem nicht ausreichen, um die Verluste seit 2020 auszugleichen. Die Rückkehr in die Gewinnzone sei bei den meisten Gesellschaften erst 2023 zu erwarten. Im Gegensatz zu den verbrauchsabhängigen Kerosinkosten sind die Personalkosten bei den Unternehmen fix.

Angesichts der Treibstoffpreise hätten die Fluggesellschaften derzeit wenig Anreize, ihr in der Krise kräftig abgebautes Personal wieder aufzustocken. Die Folgen liegen für Allianz Trade auf der Hand: „Flugstreichungen nehmen zu und trüben die Urlaubsfreude von Reisenden noch etwas länger.“

Mittelfristig werde die Branche bei Europaverbindungen mehr Konkurrenz durch die umweltfreundlichere Bahn erhalten, erwarten die Autoren. Während die Entwicklung CO2-neutraler Flugantriebe noch lange dauern werde, fehle den hoch verschuldeten Fluggesellschaften auch Geld, um in der Zwischenzeit neue, sparsamere Maschinen zu kaufen. Die politische Vorgabe, zunehmend nachhaltige Kraftstoffe beizumischen, werde die Treibstoffkosten weiter in die Höhe treiben und die Gewinnmargen drücken.

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