Mobilität Ist Carsharing günstiger als ein eigenes Auto?

Der regionale Anbieter Stadtmobil kombiniert in seinem Angebot stationsbasiertes und „free-floating“ Carsharing.
Der regionale Anbieter Stadtmobil kombiniert in seinem Angebot stationsbasiertes und »free-floating« Carsharing.

Anschaffung, Versicherung, Inspektion – auch ein stehendes Auto verursacht Kosten. Carsharing-Anbieter werben mit Alternativen, die Geldbeutel und Umwelt schonen. Für wen es sich finanziell lohnt, ein Auto zu teilen.

Die Deutschen und ihre Liebe zum eigenen Auto – eine Beziehung, die zumindest mit Blick auf die Fahrleistung nicht mehr ganz so innig zu sein scheint. Denn laut einer aktuellen Studie des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) lassen die Deutschen ihr Auto immer häufiger stehen. Im Schnitt legten sie damit im vergangenen Jahr 12.320 Kilometer zurück und damit 150 Kilometer weniger als noch im Jahr zuvor. Grundlage für die Modellrechnung des KBA sind Daten, die im Rahmen der Hauptuntersuchung erhoben werden.

An den Fixkosten, die durch ein eigenes Auto entstehen, ändert die Fahrleistung nichts. Etwas anders sieht das beim Carsharing aus. Nutzer, die sich ein Auto teilen, zahlen bei vielen Anbietern nur für die Strecken, die sie auch tatsächlich zurücklegen.

Mehr Autos trotz Rückgang der Fahrleistung

Eine Mitgliedschaft rentiere sich für Menschen, die nicht täglich weite Entfernungen mit dem Auto zurücklegen, schreibt der Bundesverband Carsharing. Wer also jeden Tag zur Arbeit pendelt, wird vermutlich eher weniger profitieren. Finanziell überwiegen die Vorteile gegenüber einem neu angeschafften Auto laut Bundesverband bei einer Fahrleistung von 14.000 Kilometern oder weniger pro Jahr. Damit unterschreitet die durchschnittliche Fahrleistung der Deutschen die Rentabilitätsgrenze deutlich. Wer weniger als 8000 Kilometer zurücklegt, könne mit einer Carsharing-Mitgliedschaft jährlich bis zu 1622 Euro einsparen.

Dass der Umstieg vom Besitz zur Nutzung Sparpotenzial birgt, scheint in den Köpfen vieler Autobesitzer noch nicht angekommen zu sein. Denn obwohl hierzulande immer weniger Kilometer zurückgelegt werden, gibt es immer mehr Autos. Laut Statista erreichte die Anzahl der in Deutschland gemeldeten Pkw zu Beginn dieses Jahres mit rund 49,1 Millionen Fahrzeugen den höchsten Wert aller Zeiten.

Carsharing besonders in Städten eine Option

Woran liegt das? Steht die deutsche Seele dem Verzicht auf ein eigenes Auto im Weg? Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Mobilitätsforscher Weert Canzler im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Ein zentraler Punkt, den die Statistik des KBA vernachlässige, sei die Spannbreite an Fahrleistung in Deutschland. „Es gibt eine Menge Autos, die gar nicht bewegt werden und andere, die sehr viel gefahren werden. Das liegt immer auch an der Siedlungsstruktur“, sagt Canzler. In hochverdichteten Räumen gebe es viele Menschen, die nur 4000 bis 5000 Kilometer im Jahr zurücklegten und den eigenen Pkw vorrangig als „Mobilitätsreserve“ nutzten. In solchen Fällen sei – vorausgesetzt der Zugang ist gegeben – Carsharing die günstigere Option.

Der Sozialwissenschaftler und Mobilitätsforscher Weert Canzler ist am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung tätig und
Der Sozialwissenschaftler und Mobilitätsforscher Weert Canzler ist am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung tätig und beschäftigt sich mit den Themen Mobilität und Verkehr.

Für die Attraktivität von Carsharing seien verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Das Angebot müsse den Mobilitätsbedürfnissen der Nutzer entsprechen, sagt Canzler. Dazu zähle nicht nur die Verfügbarkeit am Wohnort, sondern auch eine Auswahl an verschiedenen Fahrzeug-Modellen.

Umdenken erst, wenn Mehrkosten entstehen

Ein weiterer wichtiger Punkt: die Kostenfrage. Dass die Rentabilitätsrechnungen von Carsharing-Anbietern zugunsten des Autoteilens ausfallen, liege auch an den hohen Abschreibungskosten für ein eigenes Auto. In der Rechnung von Autobesitzern spielten die Anschaffungskosten hingegen kaum eine Rolle. Wer in sein Auto steigt, habe es gedanklich meist schon abgeschrieben. Ähnlich verhalte es sich mit Reparaturkosten, Versicherungen und anderen Fixkosten, die automatisch abgebucht werden und von den wenigsten anteilig auf die einzelne Fahrt zum Supermarkt umgelegt würden.

Erst wenn das eigene Auto spürbar Mehrkosten verursacht, werde ein Wechsel vom Besitz zur Nutzung in Erwägung gezogen, erklärt Canzler. Das sei häufig beim Thema Parkraumbewirtschaftung der Fall. „Das effektivste Mittel ist, wenn etwas, das bisher kostenlos war, plötzlich kostet, wie etwa Parkgebühren“, sagt Canzler. Dabei müssten die Gebühren so hoch sein, „dass sie wehtun“.

Carsharing als Zusatz zum eigenen Auto

Neben dem finanziellen Aspekt spiele auch die subjektive Bewertung des Flexibilitätsverlusts sowie der Mehraufwand in die Entscheidung mit ein. Dass trotz des Anstiegs der Registrierungen bei Carsharing-Anbietern nicht weniger Menschen auf das eigene Auto verzichten, liege daran, dass Carsharing oft zusätzlich, nicht jedoch als Ersatz für das eigene Auto genutzt würde. Wer etwa beim Restaurantbesuch nicht auf die Weinbegleitung verzichten möchte, hat die Möglichkeit, das geliehene Auto einfach vor Ort stehenzulassen.

Zu Beginn dieses Jahres waren laut Bundesverband Carsharing in Deutschland mehr als fünf Millionen Fahrberechtigte bei Carsharing-Anbietern registriert. Das entspricht einem Zuwachs von 23,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Darunter vermutet Canzler jedoch auch einige „Karteileichen“. Denn mit Aussagen darüber, wie viele Mitglieder das Angebot tatsächlich nutzen, seien Carsharing-Unternehmen „eher zurückhaltend“, sagt der Mobilitätsforscher.

Stadtmobil setzt auf nachhaltige Mobilität

Der regionale Anbieter Stadtmobil Rhein-Neckar geht transparent mit dem Nutzungsverhalten seiner Mitglieder um. Insgesamt zählt das Unternehmen knapp 16.000 registrierte Kunden, sagt Sprecherin Dali Tadic im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Von Kaiserslautern bis Moosbach stehen laut Tadic mehr als 750 Fahrzeuge an 270 Stationen zur Verfügung. In der Pfalz ist das Unternehmen neben Kaiserslautern auch in Landau, Neustadt, Speyer, Bad Dürkheim, Frankenthal und Ludwigshafen vertreten. In seinem Angebot kombiniert Stadtmobil stationsbasiertes und „free-floating“ Carsharing. Bei Ersterem sind die Mietfahrzeuge an festen Orten stationiert und können auch nur dort abgeholt und wieder abgestellt werden. Bei „freischwebenden“ Angeboten können die Autos flexibel innerhalb festgelegter Zonen abgestellt und angemietet werden.

Die Hochburgen mit den meisten Mitgliedern seien Mannheim und Heidelberg. Doch auch im ländlichen Raum entstünden stetig neue Stationen. Mit Blick auf das Nutzungsverhalten gebe es große Unterschiede: Einige buchten die Mietautos mehrmals wöchentlich, während andere mit ihrem monatlichen Beitrag vorrangig das Konzept unterstützen wollten. Denn mit seinem Angebot will das gemeinwohlorientierte Unternehmen laut Tadic nicht das Autofahren bewerben, sondern eine nachhaltige, klimafreundliche Mobilität in Kooperation mit öffentlichen Verkehrsmitteln fördern. „Unsere Erfahrungen zeigen, dass Carsharing-Kunden häufig Verkehrsmittel wie den öffentlichen Nahverkehr oder das Fahrrad intensiver nutzen als den Pkw.“

Stadtmobil: Carsharing als „Mitmachdienstleistung“

Als Rentabilitätsgrenze gibt das Unternehmen eine jährliche Fahrleistung von 12.000 Kilometern an. Dass viele Menschen an einem Privat-Pkw festhalten, führt Tadic auch auf Bequemlichkeit und die Stellung des eigenen Autos als Statussymbol zurück. Carsharing sei eine „Mitmachdienstleistung“, bei der die Kunden einbezogen würden. „Da ist jeder mal an der Reihe mit dem Tanken und jeder muss darauf achten, das Auto sauber für den nächsten Mieter zu hinterlassen“, erklärt die Unternehmenssprecherin.

Bei Firmen, Vereinen und städtischen Einrichtungen hingegen nehme die Nachfrage nach Carsharing zu. „Der Trend geht weg vom eigenen Fuhrpark. Leasingverträge werden teurer. Da findet bei vielen Firmen auch unter Aspekten der Nachhaltigkeit ein Umdenken statt“, erklärt Tadic. Auch für den privaten Sektor prophezeit sie, dass mit steigenden Preisen ein Umschwung stattfinden wird.

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