Ludwigshafen Homeoffice für BASF-Aktionäre

Ein Wechsel an der Spitze des BASF-Aufsichtsrates steht an: Der frühere Konzernchef Kurt Bock (links) soll den amtierenden Aufsi
Ein Wechsel an der Spitze des BASF-Aufsichtsrates steht an: Der frühere Konzernchef Kurt Bock (links) soll den amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Hambrecht (rechts) ablösen.

Wenn am Donnerstag um 10 Uhr die Hauptversammlung der BASF beginnt, dann wird das ein historisches Treffen sein. Erstmals in der Geschichte des Chemiekonzerns werden sich Aktionäre der BASF dabei nicht leiblich versammeln, sondern virtuell über das Internet. Und Aufsichtsratschef Jürgen Hambrecht wird den Bruch einer goldenen BASF-Regel kitten.

Die Chancen stehen gut, dass heute mehr als die zuletzt üblichen rund 6000 Aktionäre an der BASF-Hauptversammlung teilnehmen. Das hat damit zu tun, dass die Besitzer des Unternehmens diesmal über eine Internetschaltung zusammenkommen und bequem – wenn sie es so wollen auch in Schlappen und Jogginghose – von zu Hause aus den Ausführungen des Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Hambrecht und des BASF-Vorstandes folgen können. Sie müssen nicht nach Mannheim anreisen zum bislang üblichen Veranstaltungsort Congress Center Rosengarten. Allerdings heißt das für die Aktionäre auch, dass sie auf die übliche Verpflegung mit Würstchen und Kartoffelsalat entbehren müssen, falls sie sich ein solches Mahl nicht zu Hause selbst zubereiten, um der Versammlung auch am Bildschirm stilgerecht beizuwohnen.

Auch sonst läuft einiges anders auf dieser virtuellen Hauptversammlung. Der Gesetzgeber hatte in großer Eile Ende März dieses Jahres derartige Aktionärszusammenkünfte ermöglicht als eine von vielen Maßnahmen, um gegen die Pandemie vorzugehen. Es wird keine Redebeiträge von BASF-Aktionären geben, die dabei live ihre Fragen stellen, es wird keine Nachfragen geben. Kein Applaus. Die Aktionäre werden die vielen anderen Aktionäre nicht zu sehen bekommen. Sichtbar auf den Bildschirmen zu Hause sind lediglich der Vorstand und der Aufsichtsrat. Fragen mussten vorab eingereicht werden bis zwei Tage vor der Hauptversammlung. Der Vorstand darf daraus „sinnvolle Fragen auswählen“, Fragen zusammenfassen und dann nach „pflichtgemäßem, freiem Ermessen“ entscheiden, wie er welche Fragen beantwortet. Für spontane Reaktionen von Aktionären und für Nachfragen ist da kein Platz mehr.

Immerhin: Die BASF teilte mit, die Vorstandsmitglieder seien „bestrebt, alle Fragen zu beantworten“. Und es seien diesmal online mehr als die 150 Fragen eingereicht worden, die im vergangenen Jahr auf der Hauptversammlung gestellt wurden.

Mehr Aktionäre als je zuvor

Ein weiterer Punkt spricht dafür, dass an diesem Donnerstag mehr Anteilseigner an der Hauptversammlung teilnehmen könnten. Denn es gibt nach Angaben des Chemiekonzerns derzeit mehr BASF-Aktionäre als je zuvor. Viele Anleger hätten in diesen Wochen den niedrigen Kurs der Pandemie-gebeutelten BASF-Aktie genutzt, um sich mit dem Wertpapier einzudecken. Aktuell gehöre die BASF rund 770.000 Aktionären, von denen etwa 230.000 Privatpersonen seien. Der Rest sind sogenannte institutionelle Anleger wie beispielsweise Investmentgesellschaften oder Banken.

Diese Hauptversammlung der BASF-Aktionäre wird die letzte sein, die Jürgen Hambrecht (73) als Aufsichtsratsvorsitzender leitet. Er trat im Mai 2014 an die Spitze des Gremiums. Ihn soll der frühere BASF-Vorstandsvorsitzende Kurt Bock ablösen. Hambrecht ist in seinem Amt aktuell eine Besonderheit. Denn der damals 72-Jährige hätte im Mai 2019 eigentlich das Aufsichtsgremium verlassen müssen. Nach einer internen goldenen Regel der BASF sollen Aufsichtsratsmitglieder ab einem Alter von 70 Jahren nicht mehr für einen Sitz in dem Gremium kandidieren. Hambrecht hat es trotzdem getan und gleichzeitig versprochen, seinen Posten nach einem Jahr abzugeben, damit der Regelverstoß nicht allzu groß wird. Der Grund: Um am Donnerstag den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen zu können, musste Kurt Bock (61) eine gesetzlich vorgeschriebenen zweijährige „Abkühlungsphase“ einhalten, nachdem er genau zur Hauptversammlung im Mai 2018 seinen Posten als Vorstandsvorsitzender an Martin Brudermüller abgegeben hatte. Bock war damals 59 Jahre alt und gab sein Amt ab, obwohl sein Vertrag 2016 bis zum Frühjahr 2021 verlängert worden war.

Um seinen Aufsichtsratsposten anzutreten, hat Bock „mit Blick auf die Anzahl seiner Mandate“ im April sein Aufsichtsratsmandat bei der Münchener Rückversicherungsgesellschaft niedergelegt. Das will er auch mit seinem Mandat bei der Fresenius Management SE tun. Im vergangenen Jahr hatte es Kritik an einer Häufung von Aufsichtsratsposten bei Bock gegeben. Der frühere BASF-Chef ist weiterhin Mitglied der Aufsichtsräte des Münchener Autoherstellers BMW und des Mannheimer Chemieunternehmens Fuchs Petrolub, wo er dem Kontrollgremium auch vorsteht. Der deutsche Corporate Governance Kodex, der anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung festlegt, empfiehlt, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate wahrnimmt, wobei ein Aufsichtsratsvorsitz doppelt zählt. Wenn Bock BASF-Aufsichtsratsvorsitzender ist und nachdem er aus dem Aufsichtsrat von Fresenius ausgeschieden ist, käme er nach dieser Rechnung auf genau jene fünf Mandate.

Neue Vorstandsvergütung

Zur Abstimmung auf der Hauptversammlung steht aber nicht nur Bocks Einzug in den Aufsichtsrat, sondern auch die Erhöhung der Dividende um 10 Cent auf 3,30 Euro. Zudem soll die Wahlperiode für Aufsichtsratsmitglieder von fünf auf vier Jahre verringert werden. Auch dahinter steckt eine Empfehlung des Corporate Governance Kodex. Und die Aktionäre müssen über ein weiterentwickeltes und „vereinfachtes“ Vergütungssystem für Vorstandsmitglieder entscheiden. Es regelt unter anderem, dass Vorstände dauerhaft BASF-Aktien im Wert von 150 Prozent ihrer jährlichen Brutto-Festvergütung halten müssen und zwar bis zwei Jahre nach Beendigung des Vorstandsmandates. Außerdem werden Maximalvergütungen für den Vorstand festgelegt: für den Vorsitzenden 15 Millionen Euro jährlich, für seinen Stellvertreter knapp 10 Millionen, für die übrigen Vorstände 7,5 Millionen Euro.

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Meinung

Kommentar zur BASF-Hauptversammlung: Schlechtes Theater

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