Wirtschaft Haltung im eigenen Garten: Ein Huhn ist kein Kuscheltier

Hühner leben am liebsten in kleinen Gruppen – und mit Hahn.
Hühner leben am liebsten in kleinen Gruppen – und mit Hahn.

Viele Verbraucher haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie gefärbte Ostereier im Supermarkt kaufen, weil diese immer noch oft aus tierquälerischer Massentierhaltung stammen. Eine Alternative: Do it yourself. Die eigene Hühnerhaltung liegt im Trend, doch sie will wohlüberlegt sein.

Der Eiergenuss schlägt manchem Tierfreund angesichts der noch immer oft lebendig geschredderten männlichen Küken nicht nur zu Ostern auf den Magen. Wer ohne Reue Eier essen möchte, kann sie auch selbst produzieren lassen – vom eigenen Federvieh. Die Hühnerhaltung ist bei Privatleuten jedenfalls im Kommen.

Der Trend zum sogenannten Urban Farming spiegele sich in der Hühnerhaltung wider, bestätigt die Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, Lea Schmitz. „Viele Menschen haben wieder den Wunsch, sich selbst zu versorgen und auf natürliche, selbst erzeugte Lebensmittel zurückzugreifen“, erklärt Schmitz.

Eier von glücklichen Hühnern bekomme man aber nicht ohne entsprechende Sachkunde über artgerechte Haltung, betont sie. Hühner leben gerne in kleinen, strukturierten Gruppen – idealerweise mit einem Hahn. Zum Wohlfühlen brauchen die Tiere laut Schmitz einen überdachten, geschützten Stall „mit Einstreu, ausreichend Nestern, Rückzugsmöglichkeiten, Beschäftigungsmaterial und Sitzstangen“.

Auf Auslauf achten

Zudem erforderlich ist eine eingezäunte, befestigte Freilauffläche. Diese sollte genug Platz zum Laufen, Scharren und Picken bieten und neben Rasen auch über trockene Erde, Sand, schattenspendende und rückzugbietende Büsche sowie Deckungsmöglichkeiten vor Greifvögeln verfügen.

Für Einsteiger empfiehlt Christoph Günzel, Präsident des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter, mittelschwere Rassen wie Italiener, New Hampshire und Amrocks. Günzel bestätigt – auch mit Blick auf manchen Lebensmittelskandal – einen „absoluten Trend zum Ei aus dem eigenen Garten“. Für Günzel das A und O bei der Hühnerhaltung: „Die Tiere müssen ordentlich Auslauf haben“. Nicht jeder Hobby-Hühnerhalter kann das aber bieten; manch einer ist schnell überfordert mit seinem Neuzugang, wie Tierschützer beobachten. So wurden vom Bremer Tierschutzverein in kurzer Zeit 29 Hühner aufgenommen. Zwischen der romantischen Idee vom ökologischen Selbstversorger, der von seinen Tieren jeden Tag frische Eier bekommt, und dem Alltag mit dem Federvieh gebe es dann doch einen ziemlichen Unterschied, mahnt Gaby Schwab vom Tierschutzverein.

Hühner graben Garten um

„Hühner sind keine Kuscheltiere“, stellt sie klar. Außerdem scharrten sie gerne und graben den Garten um, „da ist nix mehr mit grüner Wiese“. Ganz abgesehen vom geruchsintensiven Hühnerkot und dem Lärm, mit dem ein Hahn in aller Herrgottsfrühe die Nachbarn stören könne. Die Bremer Tierschützer vermitteln Hühner deshalb nur zu tierlieben Menschen aufs Land, die ausreichend Platz und räumlichen Abstand zu Nachbarn haben.

Ruhen auf erhöhten Plätzen, Sandbaden bei Tageslicht, Körnerfutter, Rückzug beim Eierlegen in ein ruhiges Nest, Aufzucht ihrer Küken – davon wissen Legehennen in Massentierhaltung nichts. Wenigstens einigen von ihnen möchte der Verein Rettet das Huhn eine zweite Chance geben, wenn ihre Legeleistung nach rund 18 bis 24 Monaten nachlässt. Rund 14.000 Privatpersonen hätten allein 2020 ausrangierten Tiere ein Gnadenbrot gegeben und ihnen damit das Leben gerettet, „so viele wie in keinem Jahr zuvor“, heißt es auf der Homepage des Vereins.

Adoptiertes Federvieh

Auch Sarah Kirch hat zehn Hühner und einen Hahn aus dem Tierschutz adoptiert. Die regionale Ansprechpartnerin des Vereins für das südliche Rheinland hat sich zuvor länger intensiv mit dem Thema Hühnerhaltung beschäftigt. „Man sollte sich vorher wirklich Gedanken machen, denn das nimmt viel Zeit in Anspruch“, sagt die 28-Jährige. Ein bis zwei Stunden sei sie pro Tag – am Wochenende mit gründlicher Stallreinigung auch mal drei Stunden – mit der Versorgung ihrer Hühner beschäftigt.

Viele Hennen seien bei ihrer Ankunft schwach und hätten keine Federn mehr, sagt Kirch. Bis diese nach vielen Monaten nachgewachsen sind, bekommen die Tiere bei Bedarf vorübergehend „Hühnerpullis“ zum Schutz vor Kälte, Sonne oder pickenden Artgenossen. Ein Aufwand, der sich lohnt: Manche Tiere können nach ihrer Rettung noch mehrere Jahre ein artgerechtes Hühnerleben führen.

Infos im Netz finden Sie hier.

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