Wirtschaft Frankreich lässt Multis haften

Französische Großkonzerne haften in Zukunft für Menschenrechts- und Umweltverstöße von Subunternehmen. Deutschland solle nachziehen, verlangen Organisationen in Berlin.

Ein vierjähriger Gesetzesmarathon hat in Paris ein Ende gefunden: Das französische Verfassungsgericht hat ein hart umkämpftes Gesetz, das die Konzernverantwortung für Zuliefererfirmen, Tochterunternehmen und Auftragsempfänger festschreibt, grundsätzlich gebilligt. Auslöser war die Tragödie von Rana Plaza im Jahr 2013, als in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeshs, über 1000 Textilarbeiter beim Einsturz eines Gebäudes ums Leben kamen. In Paris war die Reaktion besonders heftig, da die Todesopfer für Zulieferer großer Pariser Modekonzerne gearbeitet hatten. Sozialistische Abgeordnete reichten darauf ein Gesetz ein, das die Sorgfaltspflicht betroffener Konzerne umschreibt und sie für Menschenrechts- und Umweltvergehen auch ihrer Subunternehmen haften lässt. Betroffen sind an die 200 Firmen wie etwa Danone, Total oder Renault, die mindestens 5000 Angestellten haben – oder 10 .000, wenn es sich um Niederlassungen ausländischer Konzerne handelt.   Der Erlass wurde im Februar genehmigt, aber von konservativen Abgeordneten angefochten, weil französische Firmen gegenüber der Konkurrenz ihre Wettbewerbsfähigkeit verlören. Der Conseil Constitutionnel hat die Einwände im Prinzip abgewiesen. Die höchsten Landesrichter bestätigen die Pflicht, Sorgfaltsregeln im Jahresbericht des Unternehmens zu veröffentlichen. Das stelle keine „übermäßige Beeinträchtigung“ der unternehmerischen Freiheit dar. Hingegen kritisiert das Verfassungsgericht den Erlass als „zu wenig präzis“. Deshalb erklärte es die vorgesehenen Bußen von bis zu 30 Millionen Euro für verfassungswidrig und strich sie aus dem Gesetz.   Die französischen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften reagierten unterschiedlich auf den Gerichtsentscheid. Ihr Verbund begrüßte eine „historische Entscheidung“, da sich Frankreich als erstes Land ein solches Gesetz gebe. Das katholische Komitee gegen Hunger und für Entwicklung bedauerte allerdings, dass das Urteil das Gesetz „teilweise seiner Substanz“ beraube, wenn es nicht mit Bußgeldern durchsetzbar sein könne. Der sozialistische Wirtschaftsminister Michel Sapin kündigte gestern an, seine Regierung werde die nötigen „Präzisierungen“ in einem Gesetzeszusatz einbringen. Vor den Wahlen im April dürfte das kaum mehr möglich sein.   In Deutschland begrüßten Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch und Oxfam das französische Gerichtsurteil als „Meilenstein für den Schutz der Menschenrechte“. In einer Presseerklärung teilten die Organisationen mit: „Die Bundesregierung sollte nachziehen und endlich in Deutschland die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen.“ Deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ist es seit Ende 2016 überlassen, Sorgfaltsverfahren zu beschließen. Nur, wenn die Hälfte dieser Firmen bis zum Jahr 2020 nicht nachzieht, soll ein verbindliches Gesetz folgen.       

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