Wirtschaft Fast zehn Stunden Verspätung

Ein paar schöne Tage am Mittelmeer – und am Sonntagabend mit dem Flieger um 21.20 Uhr zurück nach Deutschland. So dachten sich das wohl die Passagiere von Flug OE 577 der Laudamotion von Palma de Mallorca nach Stuttgart. Doch aus der geplanten Ankunft um 23.20 Uhr in der Schwabenmetropole wurde nichts. Stattdessen erlebten die Laudamotion-Kunden „eine unfassbare Odyssee“, wie eine verärgerte Reisende berichtet.

Schon der Start am zweiten Juni-Wochenende stand unter schlechten Vorzeichen. „Einige Unwetter und der Streik der französischen Fluglotsen hatten die Flugpläne in Palma schon ziemlich durcheinander gebracht“, erzählt die Touristin. Die Passagiere seien daher erleichtert gewesen, als die Maschine verspätet aus Stuttgart eingetroffen war und nach sechsmaliger Änderung des Abflug-Gates endlich das Boarding mit einer Stunde Verspätung begann. Doch kaum saßen die Reisenden im Flieger, kam die nächste unerfreuliche Durchsage: Gewitter über dem Airport, Flugbetrieb gestoppt, keine Startfreigabe. Die Zeit verrann, einige Passagiere wohl ahnten bereits, dass eine Landung in Stuttgart wegen des Nachtflugverbots nur noch mit Ausnahmegenehmigung möglich sein könnte. „Andere Maschinen durften dann wieder starten, bei uns passierte nichts“, schildert die Mallorca-Urlauberin ihre Erlebnisse. Zur geplanten Ankunftszeit um 23.20 Uhr saßen die Reisenden immer noch im Flugzeug am Airport Palma. Neue Durchsage: Nun sollte die verspätete Maschine zu den Ausweichflughäfen Frankfurt-Hahn oder Nürnberg starten. Einige Passagiere wollten daher lieber aussteigen. Doch das Bodenpersonal sei für die Crew nicht zu erreichen gewesen, berichtet die Reisende. Nach mehr als vier Stunden Warten an Bord hob die Laudamotion-Maschine schließlich nachts um 2 Uhr mit dem Ziel Nürnberg ab. Lediglich einen Becher Wasser habe man als „magere Serviceleistung“ bis dahin bekommen, ärgert sich die geplagte Kundin. Doch „der unverschämteste Teil der Odyssee“ habe erst nach der Landung morgens um 4 Uhr begonnen, nachdem die Besatzung den Gästen noch „eine gute Weiterreise“ gewünscht hatte. Denn anders als versprochen, warteten keine Busse auf die gestrandeten Mallorca-Urlauber, die rund 250 Kilometer vom gebuchten Zielort entfernt abgesetzt worden waren. Stattdessen war der Flughafen Nürnberg quasi verwaist. „Es gab keine Durchsagen, keinen Ansprechpartner, keinen Serviceschalter – und auch die allgemeine Fluggast-Information sollte erst um 6 Uhr öffnen“, erzählt die Reisende. So mussten die Laudamotion-Kunden schließlich die Rückreise nach Stuttgart auf eigene Faust und Rechnung mit der Bahn oder dem Taxi organisieren. „Ich erreichte mein Ziel am Flughafen Stuttgart schließlich um 8.45 Uhr und damit mit genau neun Stunden und 25 Minuten Verspätung“, berichtet die Rückkehrerin. „Dieser Umgang mit zahlender Kundschaft spottet jeder Beschreibung, ist unverantwortlich und in höchstem Maße respektlos.“ Laudamotion reagierte erst nach drei Tagen und mehrmaliger Erinnerung auf unsere Anfrage. Man habe den Fall erst prüfen müssen, sagt eine Sprecherin der Wiener Airline des früheren Autorennfahrers Niki Lauda. Das Unternehmen bedauere sehr, dass es zu der Verspätung und dem „Transferproblem“ gekommen ist und entschuldige sich bei allen Kunden für die Unannehmlichkeiten. Als Grund für die Probleme nennt die Airline die Streiks in Frankreich zwischen dem 8. und 11. Juni. Über die Starts in Palma habe die dortige Luftraumkontrolle entschieden. Ein „Kommunikationsproblem“ mit den Partnern sei dafür verantwortlich, dass in Nürnberg weder Transfers noch Hotels organisiert gewesen seien. Man wolle künftig durch Kontrollanrufe sicherstellen, dass sich ein solcher Fehler nicht wiederhole. Anträge auf Entschädigung für die entstandenen Zusatzkosten können Passagiere online einreichen, so die Sprecherin. Laudamotion wird einiges zu tun haben, denn die Übernahme vieler Verbindungen der insolventen Air Berlin im erweiterten Sommerflugplan verlief bei den Österreichern alles andere als optimal. Flüge fielen aus oder waren stark verspätet. Das wird auch den Partner Ryanair wenig begeistern, der die Mehrheit der Anteile übernehmen will und keine Stellungnahme zu den Vorkommnissen abgeben will. „Die Einstellung des Flugbetriebs von Air Berlin führte zu erheblichen Umbrüchen am Markt“, so Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin. Es scheine so, dass dieser Prozess „noch lange nicht abgeschlossen ist“. Darauf deute der starke Anstieg der Beschwerden von Airline-Kunden bei der SÖP hin. Allein im Mai wuchs die Anzahl der Schlichtungsanträge um 68 Prozent auf 1354. Schon im April hatte sich der Berg von Beschwerden, die Airlines betreffen, um 42 Prozent auf 1024 erhöht und damit fast verdoppelt. Im März hatte die SÖP bereits eine Zunahme um 25 Prozent auf 1048 Anträge verzeichnet. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gingen zusammengerechnet 5671 Beschwerden über Airlines ein. Damit zeichnet sich ein weiteres Negativrekordjahr ab, nachdem schon 2017 mit 11.817 Fällen ein starker Zuwachs von mehr als 11 Prozent verzeichnet wurde. Der Anteil der Beschwerden, die sich auf Verspätungen und Flugausfälle beziehen, ist dabei seit Jahresbeginn von zuvor 70 auf 81 Prozent geklettert. Bei der SÖP können Flug-, Bahn-, Bus- oder Schiffsreisende eine kostenlose Schlichtung beantragen, wenn Unternehmen sich weigern, die gesetzlich festgelegten Entschädigungen zu bezahlen. Oft haben enttäuschte Kunden damit Erfolg. Die tief enttäuschte Mallorca-Reisende will aus der nächtlichen Odyssee jedenfalls ihre Lehren ziehen: „Nie wieder fliege ich mit Laudamotion!“ Ob der Flug mit anderen Anbietern besser klappt, ist jedoch nicht garantiert. ZUR SACHE

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