Meinung Für ein 1-Euro-Ticket

Der Name von Volker Wissing ist nun mit dem 9-Euro-Ticket verbunden. Als ihn Aktivisten am Rande einer ICE-Taufe in Mainz mit Fo
Der Name von Volker Wissing ist nun mit dem 9-Euro-Ticket verbunden. Als ihn Aktivisten am Rande einer ICE-Taufe in Mainz mit Forderungen nach einer Verlängerung konfrontierten, geschah das in recht freundlicher Form.

Trotz aller Schattenseiten hat der Erfolg des 9-Euro-Tickets das Thema Nahverkehr politisch stark aufgewertet. Der Druck ist nun enorm, eine Nachfolgeregelung zu finden. Sinnvoll wäre ein Preis von 1 Euro pro Tag.

Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Rainer Brüderle war wohl der erste und (bisher) letzte FDP-Politiker, der sich reichlich politische Lorbeeren mit dem Thema regionaler Bahnverkehr verdient hat. In einem Porträt vom ihm hieß es einmal treffend, was von Brüderle bleibe, seien nicht die vielen geküssten Weinköniginnen, sondern der Rheinland-Pfalz-Takt.

Volker Wissing, seinem Nachfolger im FDP-Landesvorsitz, könnte als Bundesverkehrsminister nun ähnliches auf Bundesebene gelingen – allerdings nur mit etwas Glück und wenn sein Parteichef Christian Lindner nicht querschießt. In einem langen Artikel über Lindner schrieb der Berliner „Tagesspiegel“ kürzlich: „Dass in diesem Sommer nicht der Tankrabatt der FDP, sondern die Grünen-Entlastungsidee des 9-Euro-Tickets der Medien-Schlager ist, dürfte Lindner wurmen.“ Kurios an dem Satz ist vor allem, dass die Idee den Grünen zugeschrieben wird, obwohl sie, nach allem was bekannt ist, wohl tatsächlich von Wissing stammt. Wie der Entscheidungsprozess in der berühmt-berüchtigten Nachtsitzung der Ampelspitzen im März genau gelaufen ist, ist zwar nie im Detail publik geworden, aber aus einigen Mosaiksteinen, lässt sich folgendes Bild zusammensetzen: Wissing, der aus Rheinland-Pfalz langjährige Erfahrungen mit Ampel-Kompromissen hat, kam auf die Idee, den Grünen die für sie besonders bittere Kröte Tankrabatt mit einem günstigen Nahverkehrsticket zu versüßen und schlug die Formel „90 für 90“ vor, gemeint waren 90 Euro für 90 Tage. Die Grünen handelten ihn dann von 90 Euro auf 9 Euro herunter, wobei zuerst sogar „9 für 90“ verkündet wurde, gemeint waren allerdings 9 Euro pro Monat, also 9 für 30 oder 27 für 90.

Die Details waren völlig ungeklärt, insbesondere der Gültigkeitsbereich. Zum Knaller und Knüller wurde das Angebot dann erst dadurch, dass aus der Nahverkehrsbranche der Vorschlag kam, dass das Ticket bundesweit gelten solle, weil jede Begrenzung (etwa auf ein Bundesland) für viel Streit, Neid und Unzufriedenheit sorgen würde. Wissing sonnt sich jetzt im Erfolg des Tickets, versucht aber gleichzeitig, die politische Dynamik, die dessen Erfolg ausgelöst hat, wieder zu bremsen. Es gibt jetzt zwei mögliche Szenarien. Im einen zerstreiten sich Bund und Länder über die Finanzierung des Nahverkehrs und das 9-Euro-Ticket bleibt ein einmaliges Sommer-Strohfeuer. Dann steht Wissing blamiert da.

In einem Positiv-Szenario könnte es ihm dagegen gelingen, einen Kompromiss mit den Bundesländern zu finden, der sowohl eine Verbesserung des Nahverkehrsangebots umfasst als auch eine Fahrkarte, die sich mit etwas Wohlwollen als 9-Euro-Ticket-Nachfolger verkaufen lässt. Ein Preis, der diese Bedingung erfüllen würde, wäre wohl 1 Euro pro Tag, also etwa 29 Euro im Monat oder 365 Euro im Jahr. In diesem Fall würde wohl auch eine geografische Beschränkung akzeptabel wirken – etwa auf ein Bundesland oder eine Ländergruppe beziehungsweise im Falle des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) auch auf einen großen Verkehrsverbund.

Wenn das Ticket bundesweit gelten soll, wäre wohl auch ein höherer Preis für viele noch akzeptabel und auf jeden Fall ein großer Fortschritt im Vergleich zur Zeit vor dem 9-Euro-Ticket. Mit einer solchen Lösung hätte sich Wissing große Verdienste erworben. Leider deutet derzeit wenig darauf hin, dass Wissings Parteichef Christian Lindner als Bundesfinanzminister bereit ist, die dafür nötigen Bundesmittel bereitzustellen. In letzter Zeit bemüht sich Lindner mit polemischen Sprüchen von „unfair“ bis „Gratismentalität“ nach Kräften darum, das von Wissing als „Riesenerfolg“ bezeichnete 9-Euro-Ticket schlecht zu reden.

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