Kriminalität Ex-Wirecard-Chef Braun: Schuld sind nur die anderen

Ex-Wirecard-Chef Markus Braun (links) mit seinem Anwalt Alfred Dierlamm.
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun (links) mit seinem Anwalt Alfred Dierlamm.

Der frühere Vorstandschef von Wirecard präsentiert vor Gericht seine Version vom Zusammenbruch des Finanzdienstleisters. Im Kreuzverhör kommt Markus Braun am Donnerstag aber ins Schwimmen.

Wirtschaftsstrafprozesse wie der um die Skandalfirma Wirecard ähneln oft einem Boxkampf. Im Betrugsprozess um den einstigen Dax-Konzern ist dessen Ex-Chef Markus Braun als Hauptangeklagter nach längerem Kreuzverhör durch Richter Markus Födisch erkennbar ins Hintertreffen geraten. Man könnte sagen, er braucht dringend eine Runde, die nach Punkten an ihn geht.

Braun hat das offenkundig begriffen und teilt nun aus. Dazu projiziert er Zahlenkolonnen auf eine Leinwand im Gerichtssaal. „Diese Belege zeigen massiv, dass Geschäft existiert hat und dass Geld veruntreut wurde“, sagt Braun. Der Satz ist Kern seiner Verteidigungsstrategie. Er widerspricht der Anklage diametral. Denn die Staatsanwälte behaupten, dass bei Wirecard viele Geschäfte nur erfunden wurden, um Kredite zu erschwindeln, Anleger zu täuschen und Märkte zu manipulieren.

Zweifelhafte Belege

Die Buchungsbelege, die Braun präsentiert, sollen dagegen beweisen, dass es angeblich frei erfundene Zahlungsdienstleistungen für asiatische Händler wirklich gegeben hat. Solche Geschäfte hatten sich auf Treuhandkonten kurz vor der Wirecard-Pleite im Juni 2020 auf 1,9 Milliarden Euro summiert. Als Teile des Geldes zum Beweis ihrer Existenz abgerufen werden sollten, stellte sich aber heraus, dass die Konten leer waren. Es hat das Geld nie gegeben, sagen Staatsanwälte. Es war da, ist aber gestohlen worden, entgegnet Braun.

Für solche Zahlungsabflüsse glaubt er nun klare Belege liefern zu können. „Das sind Zahlungsausgänge an Veruntreuungsvehikel über insgesamt 800 Millionen Euro“, fasst er seine Präsentation zusammen. Diese Vehikel sind Firmen, auf die in Brauns Version der Wahrheit real existierende Gelder verschoben wurden. Er sagt auch, von wem sie kontrolliert wurden. Verfügungsberechtigt gewesen sei Oliver Bellenhaus. Der ist Mitangeklagter sowie Kronzeuge in Personalunion und der Mann, der Braun zu Prozessbeginn schwer belastet hatte.

Kritische Nachfragen

Der ehemalige Wirecard-Chef dreht nun den Spieß um. Bellenhaus habe ein Schattenreich aufgebaut, in das er veruntreute Gelder nahezu in Milliardenhöhe gelenkt habe, ohne dass Braun davon etwas mitbekommen haben will. Zum Beweis zeigt er Buchungsunterlagen, die „Originaldokumente“ seien und „eindeutig“ belegen würden, dass es Geschäfte mit angeblich nicht existenten Händlern sehr wohl gegeben habe.

Wenn die Kreditkartentransaktionen real seien, warum hätten dann Mastercard und Visa als Kreditkartenfirmen sie als nicht echt gebrandmarkt, will Richter Födisch wissen. Braun kommt ins Schwimmen. Es ist nicht das erste Mal. Im April 2020 hat er für die Börse eine Pflichtmitteilung verfasst, die zentraler Teil der Anklage ist. Eine Sonderuntersuchung der Wirtschaftsprüfer von KPMG sollte damals klären, ob es umstrittene Treuhandmilliarden gibt oder nicht. Das musste KPMG mangels Unterlagen aber offenlassen. In Brauns Pflichtmitteilung war davon keine Rede. Es gebe keine Belege für Bilanzmanipulation, hieß es dort vielmehr, was den Wirecard-Kurs steigen ließ.

Das Gegenteil kommuniziert

Richter Födisch drängt sich beim Vergleich der KPMG-Erkenntnisse mit Brauns Mitteilung eine Erkenntnis auf. „Sie haben eigentlich das Gegenteil kommuniziert“, stellt der Richter fest. Veröffentlicht habe Braun, was er sich als Wahrheit gewünscht habe, aber nicht was wahr gewesen ist.

Regelmäßig kommt es auch vor, dass Braun sich für nicht zuständig erklärt, wenn Födisch ihn mit heiklen Sachverhalten konfrontiert. Die umstrittenen Geschäfte in Asien hätten allein in der Verantwortung seines flüchtigen Vorstandskollegen Jan Marsalek gelegen, sagt Braun in solchen Momenten. Neben Bellenhaus ist das die zweite Person, der er alle Betrügereien zuordnet.

In den nächsten Verhandlungstagen will Braun sich neben weiteren Fragen des Richters auch denen der Staatsanwaltschaft stellen. Zudem dürften die Anwälte des von ihm heftig angegangenen Kronzeugen nachbohren wollen. Die noch anstehenden Runden im Wirecard-Prozess erstrecken sich voraussichtlich bis ins Jahr 2024 hinein.

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