Europa EU-Verpackungsverordnung: Streit ums Zuckertütchen

Müll ist ein Milliardengeschäft. Jeder EU-Bürger verursacht im Schnitt allein 190 Kilogramm Verpackungsmüll pro Jahr – Tendenz steigend. Doch die Verpackungsindustrie, die jährliche Umsätze in Höhe von 355 Milliarden Euro verzeichnet, ist seit Monaten in heller Aufregung. Der Grund ist die geplante „Packaging and Packaging Waste Regulation“ (PPWR) der Europäischen Union. Das klingt – wie vieles, was aus Brüssel kommt – kompliziert, ist im Grunde aber ziemlich einfach. Die EU will die Kreislaufwirtschaft stärken, das Recycling ausbauen und so die Müllberge abbauen.
Leichte Plastiktüten wie etwa beim Obsteinkauf sollen demnach weitgehend verboten werden. In den großen Fast-Food-Ketten werden die Burger in Zukunft wohl auf Tellern und die Cola in Mehrwegbechern serviert, so wie es in Frankreich schon üblich ist. Für Getränke sollen alle EU-Staaten Mehrwegsysteme einführen. „Was in Deutschland bereits gängige Praxis ist, wird nun in ganz Europa zum Standard“, sagt die umweltpolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, Delara Burkhardt.
Viel Lärm um nichts
Dennoch schrillten beim Deutschen Brauerbund die Alarmglocken, weil Gerüchte um die richtige Etikettierung und eine spezielle Markierung von Flaschen die Runde machten. Milliarden Flaschen müssten eingeschmolzen, erklärte der Verband empört. Von einer zentralistischen Verwaltungsbürokratie der EU war die Rede, von fragwürdigen Vorschriften und drohenden Milliardeninvestitionen der deutschen Brauereien. Doch es war viel Lärm um nichts, denn für die Brauer und ihre Flaschen ändert sich wohl nichts.
Es habe sich im Laufe der Verhandlungen gezeigt, dass jedes Land beim Thema Verpackungen seine eigenen Befindlichkeiten habe, sagt die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler. So ist es Spanien ein Dorn im Auge, dass Salatgurken nicht mehr einzeln in Folie verpackt werden sollen. Das Problem: das mindert die Haltbarkeit – ein wichtiges Argument beim Export. In Frankreich droht den Camembert-Verpackungen das Aus, weil sie nur schwer zu recyceln sind, was die Franzosen nicht hinnehmen wollen.
Aufregung gibt es auch um einen Vorschlag in Artikel 22, Anhang 5, Teil 4 der geplanten Verordnung. Darin wird gefordert, dass die kleinen Papiertütchen für Zucker oder Gewürze in der Gastronomie verboten werden sollen. In diesem speziellen Fall spricht sogar der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese von „Verbotsorgien“. Er wies darauf hin, dass diese Tütchen in allen drei EU-Institutionen benutzt würden. „Ich kämpfe dafür und bin zuversichtlich, dass dieses Verbot den nächsten Mittwoch nicht überlebt“, kündigt Peter Liese an. Dann wird das EU-Parlament über die Verpackungsordnung abstimmen.
Sorge um Markenprodukte
Großes Kopfzerbrechen bereitet die geplante Verordnung den Versandunternehmen oder auch den Herstellern von Haushaltsgeräten, deren Lieferungen beim Transport zum Kunden in der Regel dick in Plastikfolie und Styropor eingepackt sind. Da die geplante Verordnung tief in die Abläufe der Unternehmen eingreifen würde, fährt die Verpackungsindustrie eine ungewöhnlich heftige Lobbykampagne. Auch sie tritt eigenen Angaben zufolge für Umweltschutz, glaubt die EU aber auf dem falschen Weg.
„Der Vorschlag der Kommission würde zu einer Flut von Hartplastikprodukten auf den europäischen Märkten führen, die letztlich in den Flüssen, Meeren und Deponien landen würden“, betont etwa die European Paper Packaging Alliance (EPPA) in Brüssel. Nach Angaben des Lobbyverbandes verbrauchten wiederverwendbare Verpackungen mehr Wasser und seien weniger hygienisch.
Der Markenverband e. V. warnt sogar davor, dass traditionelle deutsche Marken wie Jägermeister, Maggi oder Odol vom Markt verschwinden könnten. Der Grund: Diese Produkte sind bei den Verbrauchern auch durch ihre besondere Verpackung ein Begriff. Solche „ikonischen Formen“ wären mit der geplanten Verpackungsverordnung nicht mehr wie bisher geschützt. Aus diesem Grund werden die Europaparlamentarier am Mittwoch auch über Änderungsantrag 421, Artikel 9, Absatz 2 abstimmen. Darin wird gefordert, dass Traditionsmarken ihre Alleinstellungsmerkmale behalten dürfen.
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