Bahnverkehr Ein Opfer des Milliardengrabs „Stuttgart 21“

Die Gäubahn hat große Bedeutung für den Regionalverkehr (Foto), es fahren dort aber auch Intercity-Züge nach Zürich.
Die Gäubahn hat große Bedeutung für den Regionalverkehr (Foto), es fahren dort aber auch Intercity-Züge nach Zürich.

Die Gäubahn von Stuttgart über Horb nach Singen wird ab 2025 wohl vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgehängt. Pläne, sie über eine „Rohrer Kurve“ zum Stuttgarter Flughafenbahnhof zu führen, werden nicht mehr weiterverfolgt. Stattdessen soll ein langer Tunnel zwischen Böblingen und dem Flughafenbahnhof gebaut werden – Inbetriebnahme des „Pfaffensteigtunnels“ ist aber wohl frühestens 2032.

Die von IC-Zügen nach Zürich befahrene Gäubahn hat in der letzten Zeit viel Aufmerksamkeit bekommen, die ihr lange Zeit fehlte. Begonnen hatte alles mit einem heftigen Protest der Oberbürgermeister der Kommunen entlang der Strecke. Sie wandten sich gegen die Pläne der Deutschen Bahn (DB), die Direktverbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof im Zuge des Milliardenprojekts „Stuttgart 21“ zu kappen. Ab 2025 soll eine durchgängige Verbindung mit der Gäubahn in die Landeshauptstadt für etliche Jahre nicht mehr möglich sein. Stattdessen sollen Reisende im Stuttgarter Vorortbahnhof Vaihingen in die S-Bahn umsteigen.

„Desaster für Bewohner entlang der Gäubahn“

Für die Bewohner entlang der Gäubahn seien die Pläne ein Desaster, sagt Böblingens Oberbürgermeister Stefan Belz (Grüne). „Eine Abbindung ab 2025 wollen und werden sie nicht akzeptieren.“ Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler (CDU) betont: „Es kann nicht sein, dass eine internationale Fernverkehrsstrecke von Mailand über Zürich mit einem Prellbock kurz vor der Landeshauptstadt abgeschnitten wird.“

Die Schweizer sind verärgert

Die für (mindestens) sieben Jahre geplante Unterbrechung der Gäubahn ist nicht nur den Anrainerstädten auf deutscher Seite wie Singen, Rottweil, Tuttlingen, Horb, Herrenberg und Böblingen ein Dorn im Auge. Auch die Schweizer sind mehr als verärgert. „Wir sind natürlich nicht zufrieden mit der Situation, weil es unser Ziel ist, die internationalen Verbindungen auszubauen und so auch mehr Menschen in der Schweiz auf die Schiene zu bekommen“, sagte der Chef des Schweizer Bundesamtes für Verkehr, Peter Füglistaler. Die Diskussion um die Gäubahn schaffe eine „riesige Unsicherheit“.

Die betroffenen deutschen Städte sind absolut gegen die geplante Abbindung der Gäubahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof, solange die Trasse über den Flughafen nach Stuttgart mit dem Pfaffensteigtunnel nicht fertig gestellt ist. Die deutschen Kommunen mit ihren 1,4 Millionen Anwohnern entlang der Gäubahn befürchten, dass dieses Provisorium lange andauern könnte und damit die Attraktivität der Gäubahn, die ohnehin gelitten hat, massiv beschädigt. Rottweil befürchtet zudem, ausgerechnet im Jahr der Landesgartenschau 2028 vom Fernzugverkehr und der Landeshauptstadt abgekoppelt zu sein, was sich negativ auf die Besucherzahlen auswirken könnte.

„Gäubahn ist keine Bimmelbahn ins Hinterland“

„Die Gäubahn ist nicht nur eine regionale Bahn für Berufspendler, sondern es ist tatsächlich eine wichtige internationale Verbindung“, sagte Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß. Wer nur den Begriff Gäubahn höre, vermute, es handle sich um eine Regionalbahn. Doch die Gäubahn sei keine Tingeltangel- und auch keine Bimmelbahn ins Hinterland, sondern in Wirklichkeit eine wichtige Verbindung zwischen der Schweiz und Stuttgart. Die Frage sei, warum man die vorhandene Bahnstrecke zum Hauptbahnhof kappen müsse, sagte Broß. „Warum kann man sie nicht vorübergehend weiter nutzen, um die Bahnreisenden bis zum Hauptbahnhof zu bringen?“ Stuttgart plane ohnehin eine städtebauliche Nutzung des Geländes erst in ein paar Jahren. Die Landeshauptstadt Stuttgart lehnt aber eine Einbindung der vorhandenen Strecke in den neuen Tiefbahnhof kategorisch ab.

Als Alternative für die Anbindung des Fernverkehrs an den Stuttgarter Hauptbahnhof wird auch die Führung der Züge über Tübingen diskutiert. Dafür, so fordern Tübingen und die ganze Region, soll die Strecke zwischen Horb und Tübingen elektrifiziert werden. Ein Befürworter dieser Lösung ist der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung Michael Theurer (FDP), der in Tübingen geboren ist und früher Oberbürgermeister von Horb war. Theurer hält eine Führung der Züge über Tübingen sogar für möglich, bevor die Elektrifizierungslücke zwischen Horb und Tübingen geschlossen ist. Theurer: „Ich bin schon mit einer Hybrid-Diesellok gefahren. Das wäre eine schnelle Lösung.“

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