Patente Deutschland ist kein Land der Erfinderinnen

Europaweit stammen gut 13 Prozent der beim Europäischen Patentamt (Bild) angemeldeten Patente von Frauen.
Europaweit stammen gut 13 Prozent der beim Europäischen Patentamt (Bild) angemeldeten Patente von Frauen.

Deutschland rangiert beim Anteil von Erfinderinnen europaweit fast ganz am Ende. Nur ein Zehntel aller Patente werden von Frauen eingereicht.

Es gibt Aussagen, bei denen man nicht gendern darf, weil sonst Wahrheiten verloren gehen. Deutschland ist eine Erfindernation, ist ein Beispiel dafür – und zwar ein bedauerliches. Erfinderinnen sind nämlich speziell in der Bundesrepublik Mangelware. Das hat eine Studie des Europäischen Patentamts (Epa) in München enthüllt.

Schon der Europa-Schnitt wirft Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit auf. Von den zwischen 1978 und 2019 beim Epa eingereichten Patentanmeldungen stammen nur 13,2 Prozent von Frauen. Deutschland steht mit 10,0 Prozent mit am schlechtesten da. Lediglich in Liechtenstein und Österreich gehen von 34 untersuchten Nationen noch weniger Anmeldungen auf Frauen zurück. „Unsere Studie kann die Diskrepanzen nicht ganz erklären“, gesteht Epa-Ökonom Ilja Rudyk.

Viele Erfindungen in Männerdomänen

In Deutschland, sagt Rudyk, würden viele Patente in Bereichen angemeldet, die typische Männerdomänen sind wie Maschinen- oder Automobilbau. Das dämpfe den Frauenanteil. „Aber jeder dritte Promovierte in den Mint-Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist hierzulande weiblich,“ weiß der Epa-Experte auch. Das liege weit über der Erfinderinnenquote in der Bundesrepublik.

Um ein Mehrfaches besser sieht das zum Beispiel in Lettland aus, wo gut 30 Prozent aller von dort stammenden Patentanmeldungen auf Frauen zurückgehen. In Portugal, Kroatien oder Spanien sind es rund ein Viertel. In solchen Dimensionen bewegt sich der Erfinderinnenanteil auch in China und Südkorea, haben dortige Studien ergeben. Mit 15 Prozent liegen zudem die USA über dem Schnitt in Europa und dem deutschen Wert sowieso.

Rheinland-Pfalz über dem Bundesschnitt

Antonio Campinos hält schon die europäische Quote für bedenklich. „Die Studie wirft ein neues Licht auf den Beitrag von Frauen zu technologischen Innovationen und auf die Lücken, die geschlossen werden müssen“, findet der Epa-Chef. Es gelte, das volle Potenzial von Erfinderinnen auszuschöpfen, weil Innovationen ein Schlüsselfaktor für Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit seien.

In Deutschland sähe es für Erfinderinnen noch düsterer aus, gäbe es nicht Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg. Dort liegt der Erfinderinnenanteil über 16 Prozent. Berlin folgt mit gut 13 Prozent und liegt damit zumindest noch im Europa-Schnitt. Auch Rheinland-Pfalz liegt mit 11,5 Prozent über dem Bundesschnitt. Am Ende rangieren dagegen Bayern mit acht Prozent Frauenanteil und Baden-Württemberg mit 7,5 Prozent. Zwei Bundesländer also, die als besonders erfindungsintensiv gelten. Auffällig niedrig ist der deutsche Erfinderinnenanteil auch auf Ebene von Unternehmen mit 8,4 Prozent im Vergleich zu öffentlichen Forschungseinrichtungen und Universitäten mit 13,7 Prozent.

Fortschritte in Trippelschritten

Rudyk will diese Details nicht weiter kommentieren und über männlichen Chauvinismus in der Erfinderszene spekulieren oder über den Umstand, dass Frauen meistens in von Männern geführten Teams forschen und sich diese möglicherweise am Ende mit den Erfindungen ihrer Kolleginnen schmücken. Historische Forscherbeispiele dafür gäbe es. Eines der bekanntesten ist das der deutschen Kernphysikerin Lise Meitner, die zusammen mit dem Chemiker Otto Hahn die Kernspaltung entdeckt hat. Der Nobelpreis dafür blieb Hahn vorbehalten. Das war 1946.

Im Laufe der Zeit hat es dabei schon Fortschritte gegeben, wenn auch in Trippelschritten. Ende der 70er Jahre stammten gerade einmal zwei Prozent aller Patentanmeldungen beim Epa von Frauen. „Es gibt kontinuierliche Verbesserungen in den letzten drei Jahrzehnten, aber keine beschleunigten in den letzten Jahren“, sagt Rudyk zum langsamen Klettern auf zehn Prozent Erfinderinnenanteil in Deutschland. Dabei hätten Frauen wie die Ungarin und Biontech-Forscherin Katalin Kariko, deren Erfindungen Grundlage unter anderem für Covid-Impfstoffe war, in letzter Zeit bahnbrechende Erfindungen gemacht. Das gilt auch für die Forschungen der polnischen Softwareingenieurin Marta Karczewicz, die sozusagen Streaming und Netflix ermöglicht haben.

„Solche Frauen als Rollenmodell zu präsentieren, könnte andere Forscherinnen zum Erfinden motivieren“, sagt Rudyk zu den Möglichkeiten die Erfinderinnenquote zu steigern. Seinen Arbeitgeber empfindet er dabei durchaus als vorbildhaft. Immerhin sei ein Drittel aller Epa-Beschäftigten weiblich.

Lesen Sie hier, wie die Welt aussehen könnte, wenn Erfinderinnen mehr Gehör fänden

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