Konjunktur Der gebremste Aufschwung

Ein maßgeblicher Treiber bei der wirtschaftlichen Erholung werde im kommenden Jahr der private Konsum sein, erwarten führende Wi
Ein maßgeblicher Treiber bei der wirtschaftlichen Erholung werde im kommenden Jahr der private Konsum sein, erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute.

Nach dem dramatischen Corona-Einbruch ist die deutsche Wirtschaft noch nicht über den Berg. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute schraubten am Donnerstag ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr deutlich herunter. Für Verbraucher gibt es allerdings auch gute Perspektiven.

Die anhaltenden Folgen der Pandemie und Lieferengpässe bremsen den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland. Weitere Kernergebnisse: Die Inflation dürfte bis Jahresende weiter anziehen – im kommenden Jahr aber wieder zurückgehen. Die Arbeitslosenquote wird laut Prognose zurückgehen, die verfügbaren Einkommen werden im kommenden Jahr deutlich steigen. Für das Frühjahr erwarten die Experten einen Schub beim privaten Konsum.

Die Institute rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland von nur noch 2,4 Prozent. Im Frühjahr hatten sie noch erwartet, dass nach dem coronabedingten Einbruch der Wirtschaft 2020 das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,7 Prozent zulegt.

Lieferengpässe belasten

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland sei nach wie vor von der Corona-Pandemie gekennzeichnet, hieß es. Eine vollständige Normalisierung „kontaktintensiver Aktivitäten“ sei kurzfristig nicht zu erwarten. Darunter leide vor allem der Dienstleistungsbereich.

Eine Folgewirkung der Pandemie seien weltweite Lieferengpässe. Im vergangenen Jahr war die Nachfrage eingebrochen, nun zieht die Weltwirtschaft wieder an, vor allem in Asien. Staus an Häfen und fehlende Containerkapazitäten behindern aber die Exporte. Vorprodukte fehlen oder sind im Preis stark gestiegen. Das trifft zum Beispiel bei Halbleitern zu, an denen es mangelt – das belastet etwa die Autoindustrie weltweit.

Die kräftige Nachfrage hat auch die Rohstoffpreise stark steigen lassen, drastisch angezogen haben zuletzt die Gaspreise. Die gestiegenen Energiepreise haben den Preisauftrieb in Deutschland insgesamt angeheizt: Im September kletterten die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent, errechnete das Statistische Bundesamt. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 3 Prozent im laufenden Jahr. Im kommenden Jahr wird erwartet, dass der Preisschub etwas nachlässt und die Inflation auf 2,5 Prozent sinkt – das wäre allerdings immer noch ein hohes Niveau. Man könne für den „akuten Inflationsdruck“ Entwarnung geben, sagte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel. Die Verbraucherpreise würden sich im Verlauf des kommenden Jahres wieder einrenken – auch weil dann Sondereffekte wegfallen. So schlägt derzeit die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung des zweiten Halbjahres 2020 voll auf die Teuerung durch.

Auf dem Arbeitsmarkt sehen die Institute Signale für eine weitere Entspannung. Die Erwerbstätigkeit dürfte weiter zulegen, die Arbeitslosenquote nach 5,9 Prozent im Vorjahr in diesem Jahr im Jahresdurchschnitt auf 5,7 Prozent sinken. Die Einkommen der privaten Haushalte erhöhen sich laut Prognose in diesem Jahr durch finanzpolitische Maßnahmen wie die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages zu Jahresbeginn. Die Institute rechnen damit, dass die verfügbaren Einkommen um 2,1 Prozent steigen. 2022 dürfte der Anstieg mit 4,4 Prozent höher ausfallen.

2022 fällt der Wirtschaftsaufschwung laut Prognose kräftiger aus: Die Institute rechnen mit einem Wachstum von 4,8 Prozent. In ihrer Frühjahrsprognose waren sie noch von einem Plus von 3,9 Prozent für das nächste Jahr ausgegangen.

„Gürtel enger schnallen“

Ein maßgeblicher Treiber bei der wirtschaftlichen Erholung werde im kommenden Jahr der private Konsum sein, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. In der Corona-Pandemie haben viele Verbraucher Geld auf die hohe Kante gelegt, die Sparquote ist gestiegen. „Wenn die Pandemie im Frühjahr des kommenden Jahres das Wirtschaftsgeschehen nicht mehr belastet, wird sich der Konsum mit kräftigen Raten erholen“, heißt es in der Prognose.

Mit Blick auf die Verhandlungen über eine neue Bundesregierung forderten die Ökonomen die Politik zu Reformen auf. Das Rentensystem sei nicht stabil, sagte Holtemöller. Die derzeitige Klimapolitik sei zur Erreichung der Emissionsziele nicht hinreichend und für gesteckte Ziele unnötig teuer. Er sagte: „Politik und Bevölkerung in Deutschland haben noch nicht ganz verstanden, dass der Klimaschutz bedeutet, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen.“

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose der Institute wird zweimal im Jahr erstellt, im Frühjahr und im Herbst – und zwar vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dem Ifo-Institut, dem Institut für Weltwirtschaft, dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen.

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