Inflation Das Teuerungsgespenst geht um

Auch, wenn die Inflation vermutlich wieder sinken wird: Die Energiepreise werden es auf lange Sicht wohl nicht.
Auch, wenn die Inflation vermutlich wieder sinken wird: Die Energiepreise werden es auf lange Sicht wohl nicht.

An der Tankstelle und beim Heizölkauf reiben sich die Verbraucher die Augen: Die Preise steigen, zumeist jedenfalls, und wenn nicht, sind das nur kurze Atempausen. Die Teuerung in Deutschland kennt seit Monaten nur eine Richtung: nach oben. Wie geht es weiter?

Inflationsraten von 4 oder mehr Prozent gab es hierzulande zuletzt Anfang der 1990er Jahre, kurz nach der deutschen Wiedervereinigung. Bei vielen Menschen wächst die Sorge, dass ihr sauer verdientes Geld zunehmend an Wert verliert. Europas Währungshüter, deren oberstes Ziel ein stabiler Euro ist, beschwichtigen hingegen: Vieles, was die Inflation zuletzt in die Höhe trieb, seien vorübergehende Effekte, sagen sie. Etwa steigende Energiepreise und Lieferengpässe infolge der Konjunkturerholung nach der Corona-Krise 2020. „Die Inflation ist derzeit unerwartet hoch, aber wir glauben, dass sie im nächsten Jahr zurückgehen wird“, sagte etwa der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Philip R. Lane.

Bislang sah die EZB kein großes Risiko, dass steigende Löhne zu einem nachhaltigen Anstieg der Inflation führen könnten, es also zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt. „Insgesamt gehen wir weiterhin davon aus, dass die Inflation mittelfristig unter unserem neuen symmetrischen 2-Prozent-Ziel bleibt“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst.

Lange Zeit vom Radar verschwunden

Nicht jeder teilt diesen Optimismus. Aber werden tatsächlich „in Deutschland die inflationären Risiken systematisch unterschätzt“, wie der FDP-Chef und designierte Bundesfinanzminister Christian Lindner Anfang November der „FAZ“ sagte? Kritiker warnen jedenfalls schon länger vor den möglichen Folgen der EZB-Geldschwemme für die Preisstabilität. Doch in den vergangenen Jahren war nicht erkennbar, dass das viele billige Geld die Inflation anheizt. Im Gegenteil: Trotz Nullzins-Politik und milliardenschwerer Wertpapierkäufe verfehlte die EZB jahrelang ihr Ziel, die jährliche Teuerungsrate bei einem Wert mit ausreichend Abstand zur Nullmarke zu verankern.

Die Inflation sei deswegen in den vergangenen Jahren „geradezu vom Radarschirm der Beobachter verschwunden“, resümierte der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing Anfang November im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Auch deshalb wirke der zuletzt sprunghafte Anstieg der Verbraucherpreise – sowohl in Deutschland als auch im Euro-Raum – für viele Menschen so erschreckend.

Energie wird eher teurer

Aber: „Die EZB verweist zu Recht darauf, dass hier temporäre Faktoren eine Rolle spielen“, sagte Issing. Zum Beispiel werde Anfang 2022 der Mehrwertsteuereffekt in Deutschland entfallen: In der Corona-Krise 2020 hatte die Bundesregierung die Mehrwertsteuersätze vorübergehend gesenkt, um den Konsum anzukurbeln. Seit Anfang 2021 gelten wieder die regulären Sätze, das verteuerte Waren und Dienstleistungen im Jahresvergleich und trieb die Inflation nach oben. Auch viele Lieferengpässe hätten zuletzt zu Preissteigerungen geführt, so Issing.

Energie jedoch werde nach seiner Einschätzung tendenziell eher teurer. Vieles, was mit dem Klimawandel zu tun habe, werde zu einer Verteuerung der Produktion führen. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Inflation auf Dauer so niedrig bleiben wird, wie wir es gewohnt waren“, so Issings Fazit. Anfang 2022 sei aber mit einem vorübergehenden deutlichen Rückgang zu rechnen.

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