Unternehmen Das doppelte China-Risiko der BASF

In den ersten neun Monaten dieses Jahres setzte die BASF in der Geschäftsregion Greater China (Volksrepublik und Taiwan) 9,2 Mil
In den ersten neun Monaten dieses Jahres setzte die BASF in der Geschäftsregion Greater China (Volksrepublik und Taiwan) 9,2 Milliarden Euro um, das sind rund 14 Prozent des Konzernumsatzes.

Die Warnungen vor einem wachsenden wirtschaftlichen Engagement in der Volksrepublik werden lauter. Der Ludwigshafener Chemiekonzern setzt dennoch voll auf die Karte China. Das kann ihm übel auf die Füße fallen.

„Mit Volldampf in die falsche Richtung.“ Die Botschaft könnte nicht deutlicher sein, die das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vor wenigen Wochen an Politik und Unternehmen ausgesendet hat. Das IW warnt vor China: Ungeachtet der massiv gestiegenen politischen Risiken investierten deutsche Unternehmen in bisher nie dagewesenem Umfang in der Volksrepublik. Einer der ganz großen deutschen Investoren dort ist der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF. Der will das ohnehin schon wichtige Geschäft in China noch viel weiter ausdehnen. Und setzt mit der größten Einzelinvestition seiner Geschichte voll auf die Volksrepublik.

Die Investitionen so hoch wie nie, der Handel im Ungleichgewicht wie nie zuvor: Nach Angaben des IW erreicht das Defizit in der deutschen Warenhandelsbilanz mit China mit Abstand gerade ein Allzeithoch. Und die Importe aus China steigen weiter, ungleich stärker als die Exporte nach Fernost. Für das IW sind diese Entwicklungen derart alarmierend, dass das – wohlgemerkt – unternehmensnahe Wirtschaftsinstitut sogar nach einem Eingreifen des Staates ruft. Damit deutsche Firmen bei Investitionen und Importen nicht noch mehr, sondern weniger auf China setzen. Angesichts des Schulterschlusses von China mit Russland nach dem Überfall auf die Ukraine und der massiven Drohungen Pekings gegenüber Taiwan sei es ratsam für Unternehmen, sich „selbst auf Extremszenarien“ vorzubereiten, in denen das China-Geschäft völlig kollabiert. Denn dazu könne es kommen, sollte China in Taiwan einmarschieren und der Westen darauf mit umfangreichen Sanktionen reagieren.

Zweiter Verbundstandort in China

BASF-Chef Martin Brudermüller jedenfalls zeigt sich vorbereitet. Er versicherte schon im Juli, der Konzern habe die geopolitischen Risiken seines China-Engagements sehr genau abgewogen. Diese Risiken seien zu managen, meint er.

Der Ludwigshafener Chemiekonzern macht derzeit rund 14 Prozent seines Umsatzes in China. Dem BASF-Chef ist das zu wenig. Dieser Anteil soll ausgebaut werden. Der Konzern erwartet, dass im Jahr 2030 rund 50 Prozent des Chemieumsatzes weltweit und zwei Drittel des Chemie-Wachstums auf China entfallen. Für die BASF ist klar: Sie kommt als größter Chemiekonzern der Welt an diesem Markt nicht vorbei.

Deshalb hat sich der Konzern auch dazu entschlossen, mit der größten Einzelinvestition seiner 157-jährigen Unternehmensgeschichte auf China zu setzen. Bis zu 10 Milliarden Euro steckt die BASF in ihren künftigen Verbundstandort in Zhanjiang im Süden Chinas. Ab 2025 soll er nach und nach in Betrieb gehen, 2030 voll betriebsfähig sein. Es wäre der zweite Verbundstandort in der Volksrepublik nach Nanjing, der schon seit 2005 betrieben wird.

„Im Systemkonflikt“

Das IW-Institut steht mit seiner Warnung vor China nicht alleine da. Jüngst sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, welche Lehren sie aus den Fehlern der Russlandpolitik für den Umgang mit China zieht: Deutschland dürfe sich basierend auf dem Prinzip Hoffnung „von keinen Land mehr existenziell abhängig machen, das unsere Werte nicht teilt“. Dadurch würden wir politisch erpressbar. Es dürfe auch nicht so weit kommen, dass wir vielleicht in einigen Jahren wieder in die Situation geraten, „diesmal Chemie- und Autokonzerne mit Steuermilliarden retten zu müssen, weil sie sich auf Gedeih und Verderb von dem chinesischen Absatzmarkt abhängig gemacht haben“.

Die deutsche Politik der späten Merkel-Jahre habe sich „viel zu langsam darauf eingestellt, dass wir es mit einem China zu tun haben, das sich in einem fundamentalen Systemkonflikt zum Westen sieht und seine wirtschaftliche Macht politisch ausspielt“, äußerte kürzlich Bernhard Bartsch, Fachmann am Berliner Mercator-Institut für Chinastudien. „Es gibt viele Beispiele, dass China Länder und Unternehmen bestraft, wenn es politische Spannungen gibt.“

Aufrüstung der Volksbefreiungsarmee

Auch militärisch tritt die Volksrepublik immer aggressiver auf. Der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der USA, General Mark Milley, hatte im Juli in einem Interview erneut darauf hingewiesen. Mindestens seit Mitte 2021 warnte er wiederholt, die sogenannte Volksbefreiungsarmee habe ihr Modernisierungs- und Aufrüstungsprogramm auf Geheiß von Staatschef Xi Jinping beschleunigt, um bis 2027 militärisch in der Lage zu sein, Taiwan zu besetzen. Es gehört zu den offiziellen Staatszielen der Volksrepublik, sich die Insel mit ihren 23 Millionen Einwohnern und der Größe von Baden-Württemberg einzuverleiben. Doch Taiwan ist de facto ein souveräner Staat, dessen Bürger keine Lust haben, sich ihre Freiheit und ihre Demokratie von der Volksrepublik China wieder nehmen zu lassen, wie es die Diktatur der Kommunistischen Partei in Hongkong vorgeführt hat.

Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen eines solchen Konflikts können uns ins Mark treffen. Sie könnten sogar diejenigen des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine weit übertreffen. Dort, wo die Streitkräfte der Volksrepublik China vor wenigen Monaten tagelang eine Seeblockade Taiwans übten, verlaufen wichtige Schiffshandelsrouten. Taiwan ist der größte Auftragsfertiger von Mikrochips weltweit. Bei den modernsten Halbleitern hat das Land einen Weltmarktanteil von 90 Prozent.

USA im Handelskrieg

Eine tatsächliche Seeblockade oder gar ein Angriff auf Taiwan hätten also bereits unmittelbar sehr große Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Für diesen Fall wäre aber auch mit schwerwiegenden Sanktionen gegen China und mit Gegensanktionen zu rechnen. Das wäre ein enorm belastendes Szenario für die Weltwirtschaft – und auch für die Pfalz, denn sie ist weit überdurchschnittlich vom Außenhandel abhängig: Die Exportquote erreicht hier 66 Prozent, deutschlandweit sind es nur 48 Prozent. Zudem ist der mit Abstand größte Arbeitgeber der Pfalz eben die BASF, die bereits seit 1885 Geschäfte im Reich der Mitte macht.

BASF-Chef Brudermüller muss auch klar sein, dass sein Engagement in China ein doppeltes Risiko birgt. Das eine ist eine zunehmend aggressive Volksrepublik und ihr Vorgehen gegen Taiwan. Das zweite China-Risiko aber heißt USA. Die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik wachsen seit Jahren. Die USA führen bereits einen Handelskrieg mit China. Bei den Wählern jenseits des Atlantiks ist Härte gegenüber den Kommunisten in Peking populär. Viele sehen in China den Hauptfeind der Vereinigten Staaten. Und auf Nordamerika entfallen rund 28 Prozent des Konzernumsatzes der BASF. Die aktuelle US-Regierung unter Präsident Joe Biden sieht sich in einem „langfristigen strategischen Wettstreit“ der „beiden Systeme“. Dabei ist sie auch bereit, größere bilaterale Spannungen in Kauf zu nehmen. Dazu gehören auch Sanktionen.

Lange bevor es also zur direkten Konfrontation im Pazifik oder um Taiwan kommen würde, wäre im Wettstreit der Systeme durchaus auch ein Szenario denkbar, in dem die USA sagen: Wer in der Volksrepublik Geschäfte macht, der kann nicht gleichzeitig in den Vereinigten Staaten Geschäfte machen. Oder umgekehrt: die Volksrepublik nimmt eine solche Haltung gegenüber Amerika ein. Dann müsste sich Brudermüller im Extremfall womöglich entscheiden, wo die BASF noch vertreten sein will – in den USA oder in China. Egal wie: Für den Konzern wäre es ein Desaster.

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