Wirtschaft Chefwechsel stürzt Fiat Chrysler in Turbulenzen

Mike Manley ist der neue Mann an der Spitze von Fiat Chrysler.
Mike Manley ist der neue Mann an der Spitze von Fiat Chrysler.

«Mailand». Der neue Fiat-Chrysler-Chef Mike Manley tritt ein schwieriges Erbe an. Zwar hat sein charismatischer Vorgänger Sergio Marchionne mit dem vor wenigen Wochen präsentierten Strategieplan die Weichen für einen Übergang bereits gestellt. Aber der durch Marchionnes schwere Erkrankung nun erzwungene Führungswechsel trifft Mitarbeiter und Investoren wie aus heiterem Himmel.

Gestern trat zudem Europachef Alfredo Altavilla zurück. Er hatte neben Finanzvorstand Richard Palmer und Manley, der bisher die Marke Jeep leitete, als ein möglicher Nachfolger für Marchionne gegolten, der eigentlich erst im nächsten Jahr hatte abtreten wollen. Nachdem sich der Gesundheitszustand des 66-Jährigen jedoch überraschend verschlechtert hatte, berief Fiat Chrysler nun Manley an die Unternehmensspitze. Anleger reagierten nach dem überraschenden Führungswechsel verunsichert und warfen die Aktien des italienisch-amerikanischen Autokonzerns aus ihren Depots. Die Papiere verloren an der Mailänder Börse zeitweise mehr als 5 Prozent. Analysten gehen davon aus, dass sich der neue Fiat-Chrysler-Chef zunächst an Marchionnes Strategie orientieren kann. Längerfristig sei die Zukunft des weltweit siebtgrößten Autobauers jedoch unsicher. „Manley weiß, dass sein Hauptaugenmerk auf der Ausführung liegt und dass er bereits eine Strategie hat, auf die sein Team eingeschworen ist“, sagte George Galliers, Analyst bei Evercore ISI. Es gebe keinen Grund, dass der von Marchionne bis 2022 ausgegebene Kurs nicht umgesetzt werden könne. Max Warburton von der Beratungsgesellschaft Bernstein glaubt indes, dass Marchionnes Ziele Manley nur begrenzt als Anleitung dienen können. Manley habe eine schwierige Aufgabe vor sich. Denn er müsse die Finanzwelt erst von sich überzeugen, während Marchionne mit seiner Erfahrung aus 14 Jahren an der Unternehmensspitze bei Investoren hohes Ansehen genieße. Erschwerend kommt der Rücktritt von Altavilla hinzu. Manley muss rasch einen geeigneten Kandidaten finden, um das Europageschäft auf Kurs zu bringen. „Der Markt wusste, dass Sergio Anfang 2019 als CEO in den Ruhestand gehen würde, aber einige von uns gingen davon aus, dass er als Chairman bleiben und weiterhin Anweisungen geben würde“, schrieb Warburton. Andere hätten die Hoffnung gehegt, dass Marchionne vor seinem eigentlich für April geplanten Abgang doch noch einen großen Deal verkünden werde. Der Italo-Kanadier hatte in den vergangenen Jahren mehrfach versucht, den Konzern mit einem größeren Konkurrenten zu verbünden. Sein Werben wurde jedoch weder von Volkswagen noch von General Motors, Toyota oder Ford erhört. Deshalb hatte Marchionne seinen Fünf-Jahresplan darauf angelegt, die Überlebensfähigkeit von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) durch Investitionen aus eigener Kraft zu sichern. Der Konzern soll stärker auf Elektroautos und autonomes Fahren setzen, um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren. Gleichzeitig soll die Produktion von Geländewagen hochgefahren werden, die weltweit stark gefragt sind und an denen die Hersteller gut verdienen. Kurzfristig erwartet Warburton keine größeren Probleme für Fiat Chrysler. Der Nachteil durch den überraschenden Wechsel an der Spitze sollte sich zumindest in den nächsten zwölf Monaten in Grenzen halten. Langfristig könnten die Sorgen aber zunehmen. Denn Marchionne habe Fiat Chrysler in einem Befehls- und Kontrollstil mit konstanten Brandbekämpfungsmaßnahmen geführt. „Es gibt keine Bedienungsanleitung, der man folgen kann.“ Die größte Baustelle im Konzern ist nach Überzeugung der Experten das Massengeschäft. „FCA muss die Volumenmarken flott machen, bevor es zu spät ist und sie wieder attraktiv machen“, sagte Felipe Munoz vom Analysehaus Jato. Dafür sei Manley der richtige Mann. Ohne Partner dürfte es indes schwierig werden, die Kosten für die Einhaltung der schärferen Klimaschutzvorgaben und die Investitionen in neuen Technologien zu stemmen. Unter den Wettbewerbern aus der westlichen Welt und aus Japan ist Fiat Chrysler nach Ansicht von Nord-LB-Analyst Frank Schwope einer der schwächsten. Der Konzern verfüge über vergleichsweise wenig Geld für Neuentwicklungen und habe eine veraltete Modellpalette. Schwope sieht Fiat Chrysler daher über kurz oder lang als Übernahmekandidaten für einen chinesischen Autobauer.

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