Konsum Boom der Fertigprodukte

Die Gurken-Ernte ist endlich, auf steigende Nachfrage kann nicht immer spontan reagiert werden: Verarbeitung von Gurken bei der
Die Gurken-Ernte ist endlich, auf steigende Nachfrage kann nicht immer spontan reagiert werden: Verarbeitung von Gurken bei der Firma Hengstenberg in Esslingen.

Ob eine Gewürzmischung für Geschnetzeltes, Sauerkraut aus der Dose oder Pizza aus dem Gefrierschrank: Fertiggerichte sind wie gemacht für die Pause im Homeoffice und deswegen gerade in Corona-Zeiten gefragt. Doch die Branche muss Herausforderungen bewältigen. Dafür zahlt der Kunde.

Schon im Frühjahr sei die Nachfrage nach Mildessa Sauerkraut, Rotkohl, Knax-Gurken oder Tomatenprodukten der Marke Oro di Parma der Firma Hengstenberg „außerordentlich hoch“ gewesen, sagt Andreas Reimer, Geschäftsführer des Unternehmens aus Esslingen bei Stuttgart. Nachdem sie im Sommer auf das übliche Niveau zurückging – teils auch darunter – ziehe sie jetzt im Teil-Lockdown wieder an.

Das Statistische Bundesamt erfasst Fertiggerichte in verschiedenen Kategorien, sortiert unter anderem nach gefüllten oder gekochten Teigwaren oder danach, ob sie vorwiegend aus Fleisch oder Fisch bestehen. Für die beiden ersten Quartale – also auch die Zeit der Hamster-Einkäufe im März und April – liegen schon Angaben vor. Und es zeigt sich ein deutlicher Zuwachs bei der produzierten Menge im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019: von 693.789 auf 740.962 Tonnen.

Linsen statt Hack

Auch wenn sie selbst keine Zahlen nennen, die Hersteller freut’s: Der Nestlé-Konzern, zu dem Marken wie Buitoni, Wagner und Maggi gehören, verzeichnet einem Sprecher zufolge quer durch das Produktportfolio ein Absatzplus. Neben der Ravioli-Dose seien vor allem Kochhilfen etwa für Zürcher Geschnetzeltes gefragt. Kassenschlager beim Marktriesen Unilever mit Marken wie Pfanni und Knorr war laut einem Sprecher die klassische Spaghetti Bolognese – bei steigenden Umsätzen insgesamt. Über die Hamsterkäufe in den ersten Wochen der Pandemie hinweg sei vor allem festgestellt worden, dass Kunden am Trend zu gesünderer Kost festhielten. So seien pflanzenbasierte Produkte begehrt. Hack etwa werde für die Soße durch Linsen ersetzt.

Das Deutsche Tiefkühlinstitut hat unlängst einen Boom bei Tiefkühlpizza verkündet – der Umsatz sei in der ersten Jahreshälfte um 7 Prozent gewachsen gegenüber der gleichen Vorjahreszeit. So in etwa lautet auch die Prognose für den gesamten Absatz von Tiefkühlprodukten in diesem Jahr. In der ersten Phase der Corona-Krise hätten viele auf Einkaufsgänge verzichtet und sich mit lang haltbaren Lebensmitteln eingedeckt. Auch Lieferungen bis an die Haustür seien gefragt gewesen.

Darüber hinaus kauften die Bundesbürger laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen im ersten Halbjahr 168 Millionen Packungen Pommes, Röstis, Kroketten und Co. – was eine Steigerung um rund 18 Prozent im Vergleich zur Vorjahreszeit bedeute.

Möglichst wenig Aufwand

Millionen Menschen, die sonst in Kantinen gingen, kochten jetzt zu Hause, sagt ein Nestlé-Sprecher in Frankfurt. Und wie man anhand der gefragten Produkte sehe, solle dort der Aufwand möglichst gering sein. Umfangreicher gekocht werde (wenn) eher am Wochenende.

Doch Corona ist für die Branche nicht nur ein Grund zum Jubeln: Zwar läuft der Hauptteil des Geschäfts etwa bei Nestlé über Supermärkte, wie der Sprecher sagt. Dennoch bekommt der Konzern Beschränkungen in der Gastwirtschaft zu spüren. Auch Hengstenberg-Geschäftsführer Reimer betont, der Gastro- und Großverbraucherbereich sei „dramatisch“ eingebrochen.

Ein weiteres Problem: Vielfach kann auf steigende Nachfrage nicht spontan reagiert werden. „Wir verarbeiten größtenteils heimische Rohwaren und befanden uns daher im März, April und Mai in der Produktionslücke“, erläutert Reimer. „Aufgrund der Jahreszeit konnte somit im Frühjahr nichts geerntet und produziert werden und die Produktion auch nicht gesteigert oder angepasst werden. Unsere Bestände als Saisonhersteller sind endlich und daher haben wir nicht bei allen Produkten den Anschluss an die neue Ernte geschafft.“

„Die schwierigste Gurkensaison“

Hinzu kamen Einreiseregeln für Erntehelfer und Hygienevorgaben. Landwirte hätten vorsorglich auf weniger Fläche angebaut. 2020 sei somit „die schwierigste Gurkensaison der Unternehmensgeschichte“ gewesen, so Reimer. Infolge der Hygieneregeln seien Kleinteams gebildet, zusätzliche Schichten eingeführt, diese entzerrt und das Abfüllen der Gurken mit weniger Personal bewerkstelligt worden. „Das führt zu Ineffizienzen und kostet unter dem Strich Geld.“ Ähnliches gelte für die Tomaten-Produktion im von Corona stark getroffenen Norditalien. Auch der Unilever-Sprecher berichtet von den Herausforderungen in der Produktion und der Belastung für die Mitarbeiter.

Das Ganze hat daher auch Folgen für die emsig einkaufenden Verbraucher: Angesichts von höheren Kosten bei gleichzeitig weniger Menge heben die Hersteller Preise an. Reimer sprach unter anderem für Cornichons und Tomatenprodukte sogar von einem deutlichen Anstieg.

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