Mindeststeuer Auf dem Weg zu einer neuen Weltsteuerordnung

Die Pläne für eine Mindeststeuer zielen unter anderem auf Internet-Riesen wie Google.
Die Pläne für eine Mindeststeuer zielen unter anderem auf Internet-Riesen wie Google.

Es ist ein Durchbruch nach jahrelangen Verhandlungen: 130 Länder, die zusammen für 90 Prozent der Weltwirtschaft stehen, haben sich auf eine internationale Mindeststeuer für Großkonzerne verständigt. Doch es gibt Widerstand in einigen Staaten.

Warum ist eine Reform nötig?
Steuereinnahmen sind für die meisten Länder die entscheidende Einnahmequelle, um Infrastruktur, soziale Sicherungssysteme oder die öffentliche Daseinsvorsorge von der Wasserversorgung über Schulen bis hin zur Feuerwehr zu bezahlen. Zugleich überflügeln internationale Konzerne mit ihren Umsätzen inzwischen die Wirtschaftsleistung mancher Staaten, zahlen auf ihre Gewinne mitunter aber kaum Steuern. Und zwischen einzelnen Ländern ist ein Wettbewerb darum entbrannt, wer mit möglichst unternehmensfreundlichen Steuersätzen Firmen anlockt.

Dieser „Steuerwettlauf nach unten“, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) es nennt, soll durch ein internationales Abkommen ausgebremst werden. Seit Jahren gibt es dazu Verhandlungen, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordiniert werden.

Die OECD betont, dass es vor allem wegen der in den vergangenen Jahren rasant vorangeschrittenen Digitalisierung nötig ist, das mittlerweile mehr als hundert Jahre alte internationale Steuersystem neu aufzustellen. Damals basierte es vor allem auf Unternehmen aus Ziegeln und Mörtel („Brick and Mortar“) – heute sind Firmen nicht mehr überall dort, wo sie Gewinne erzielen, auch physisch präsent und werden deshalb nicht angemessen besteuert. Immaterielle Wirtschaftsgüter wie Lizenzen oder Patente und vor allem die immensen Datenschätze der Unternehmen spielen zudem eine immer größere Rolle.

Was ist nun vorgesehen?
Zentral ist laut OECD das sogenannte Zwei-Säulen-Konzept: Säule eins soll eine gerechtere Verteilung der Besteuerungsrechte der Staaten in Bezug auf die Gewinne großer multinationaler Konzerne sicherstellen – vor allem aus der Digitalwirtschaft. Dabei soll ein Teil der Rechte zur Besteuerung der Konzerne von den Ländern, in denen sie ihren Hauptsitz haben, auf diejenigen Staaten übergehen, auf deren Märkten sie ihre Gewinne erzielen – unabhängig davon, ob sie dort eine physische Präsenz haben.

Die zweite Säule ist die globale Mindeststeuer, die bei „mindestens 15 Prozent“ liegen soll. Bislang gibt es hier teils deutliche Unterschiede: So sind es etwa in Irland, wo die US-Digitalgiganten Facebook, Google und Apple Niederlassungen haben, 12,5 Prozent.

Nach OECD-Angaben dürften durch die Mindeststeuer die weltweiten zusätzliche Steuereinnahmen um rund 150 Milliarden Dollar (rund 127 Milliarden Euro) steigen – pro Jahr. Außerdem werde dadurch das internationale Steuersystem stabiler. Dies erhöhe die Planungssicherheit auch für die Unternehmen.

Von wo gibt es Gegenwind?
Nicht alle 139 Mitglieder des sogenannten Inclusive Framework der OECD haben das neue Rahmenkonzept unterzeichnet. Irland, das um bis zu 20 Prozent seiner Einnahmen aus der Unternehmensbesteuerung fürchtet, stellt sich zwar grundsätzlich hinter ein internationales Abkommen, hat aber noch Vorbehalte gegen die Höhe der Steuer. Keine Zustimmung gibt es bislang auch aus Ungarn. Die Schweiz hat Bedenken geäußert, unterstützt aber dennoch das Abkommen. Zustimmung für das Rahmenkonzept gab es auch von der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft China.

Was sind die Folgen für Deutschland?
Die genauen Auswirkungen sind noch unklar. Die Bundesregierung gibt an, dass es hier eine Vielzahl von Berechnungen gebe. In der Vergangenheit wiesen Wirtschaftsforscher etwa darauf hin, dass für Exportländer wie die Bundesrepublik eine Besteuerung nach Marktland auch nachteilig sein könnte – so müssten etwa deutsche Autobauer künftig womöglich einen größeren Teil der Gewinne in China versteuern, weil dies ihr größter Absatzmarkt ist. Der Autoherstellerverband VDA mahnt an, dass insbesondere Mehrfachbesteuerungen vermieden werden müssten.

Laut Berechnungen der Beratungsgesellschaft Deloitte, über die der „Spiegel“ berichtete, würde die globale Mindeststeuer dem deutschen Fiskus nur wenig bringen – nämlich höchstens 700 Millionen Euro zusätzlich. Zum Vergleich: 2020 nahmen Bund, Länder und Gemeinden laut Statistischem Bundesamt knapp 740 Milliarden Euro an Steuern ein – die beiden mit Abstand größten Quellen sind dabei die Mehrwertsteuer und die Lohnsteuer, die zusammen deutlich mehr als die Hälfte ausmachen.

Wie geht es nun weiter?
Laut OECD sollen im Oktober die letzten Details des Zwei-Säulen-Ansatzes geklärt sein. Außerdem soll dann ein Plan für die Umsetzung ab 2023 vorliegen.

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