Wirtschaft Kallstadt: Alter Weinbau mit jungem Stil

Der Gewölbekeller, in dem Matthias von Rudzinski (links) und Johannes Häge besonders gerne die Weine verkosten, ist in Lila geta
Der Gewölbekeller, in dem Matthias von Rudzinski (links) und Johannes Häge besonders gerne die Weine verkosten, ist in Lila getaucht.

Weingut am Nil? Nein, mit den alten Ägyptern hat der Name nichts zu tun. Nil heißt vielmehr eine kleine Kallstadter Weinparzelle, der das ehemalige Weingut Schuster seinen neuen Namen verdankt. Doch nicht nur beim Riesling fühlen sich die neuen Hausherren der reichen Weinbautradition verpflichtet. Mit eigenem Stil haben sie ein neues Kapitel einer glanzvollen Gutsgeschichte aufgeschlagen.

2010 übernahm das Marburger Unternehmerpaar Ana und Reinfried Pohl jr. den Traditionsbetrieb, der bereits Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Anfang nahm, in einer Region, die schon die Römer für ihren Wein entdeckten. Die historische Parzelle Nil, heute Teil der Lage Saumagen, inspirierte die neuen Eigentümer. Vor allem, nachdem sie entdeckt hatten, dass schon Ende des 19. Jahrhunderts auf Flaschenetiketten der Name stand, berichtet Matthias von Rudzinski. Von der Marburger Zentrale aus hat er die komplette Neuausrichtung der Kallstadter Unternehmung koordiniert. „Wir sind inzwischen für zahlreiche Firmen auch eine Tagungsadresse.“ Viele Millionen Euro wurden seither in die alte Bausubstanz investiert. Voller Respekt für das bereits Geschaffene, mit viel Sensibilität und Liebe zum Detail. Kostspielig wurden Charakteristika stilvoll hervorgekitzelt. So wurde quasi auf römischem Fundament eine völlig neue Marke geschaffen, durchgestylt in einem warmen Lila. Die Farbe leuchtet im historischen Gewölbekeller mit seinen Barriques ebenso wie als Flaschenaufdruck; von den kleinen Laternen auf den Tischen auf der Sonnenterrasse des Restaurants bis in die Tagungsräume und zu den Duschgels in den Suiten des Gästehauses. Und über allem wacht der prächtige Löwenkopf, den schon der Vorbesitzer auf seinen Flaschen verwendete.

Das Aushängeschild: Weine aus der Lage Saumagen

Im Stammhaus haben sich die neuen Besitzer einen Rückzugsort in der Pfalz geschaffen. Gerne nutzen sie auch ihr Domizil, wenn sie gemeinsam mit ihrem Kallstadter Geschäftsführer, Betriebsleiter und Kellermeister Johannes Häge jedes Jahr die neuen Weine kosten. Weinbau ist ihnen schließlich nicht fremd. Zählen doch zu ihrer Firmengruppe zwei weitere Weingüter in Portugal. Zurück nach Kallstadt: Aus den einst übernommenen zwölf Hektar Rebfläche sind inzwischen fast 30 geworden, die dem Gut Trauben aus den besten Lagen Kallstadts und seiner Umgebung liefern. Den Löwenanteil freilich haben die Riesling-Beeren. Aushängeschild sind die Weine aus der Lage Saumagen, die bereits im 17. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurde und noch heute den Weinen vom Nil zu einer ganz besonderen Harmonie voller Fruchtaromen verhelfen. Bei der Klassifizierung orientiert sich Häge an den Vorgaben des Verbands der Spitzenweingüter VDP. Mal ist es der Grauburgunder-Gutswein, mal der Chardonnay oder auch ein Sauvignon Blanc aus dem bekannten Steinacker, vom Herrenberg oder vom Ungsteiner Weilberg, die schlanken Lagenweine sind gefragt.

Qualität und Nachhaltigkeit statt Menge

So unterschiedlich die Jahrgänge auch sein mögen: Zwischen 180.000 und 200.000 Flaschen werden pro Jahr gefüllt, wobei der Hektarertrag nie 5000 Liter übersteigt. Die weißen Trauben überwiegen, allen voran der Riesling. „Qualität verbietet Menge“, bringt der Weinmacher seine Strategie auf den Punkt. Ausgebaut werden die Weine entweder im Eichenholz oder in den Stahltanks, die Teil der modernen Kellertechnik sind. Und er lässt ihnen Zeit. So kommen die Weißweine des Jahrgangs 2017 erst jetzt in den Verkauf. Dieses Jahr, unterstreicht der Geisenheim-Absolvent, werde er seinen ersten Sekt Riesling Brut der Marke Nil auf den Markt bringen und damit das Angebot seiner Vinothek komplettieren. Zu jeweils einem Drittel geht die Produktion an die Gastronomie, an den Fachhandel beziehungsweise in die Hofvermarktung. Der Jahresumsatz des Weingutes, hat Rudzinski errechnet, kratzt an der Millionen-Euro-Marke. Weitere Steigerungsraten verspricht sich das Weingut vor allem vom neuen Online-Shop. Unterstützt wird der Weinmacher von acht fest angestellten Mitarbeitern und einer Reihe von Aushilfskräften. „Wir versuchen, so nah wie möglich an der Natur zu arbeiten“, versichert Häge. Nachhaltigkeit im Weinbau ist ihm besonders wichtig. Auf etwa 30 Prozent der Rebfläche werden die Trauben halbiert, im Keller arbeitet er ohne Pumpe, um so weniger Bitterstoffe zu produzieren. Jedes Jahr will er die Qualität seiner Weine noch ein Stück nach vorne bringen. Preisbeispiel Der Riesling 2017 kostet 8,90 Euro.

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