Wirtschaft Grüne holen Rat bei Brudermüller

„Kein Schmusekurs“: Kerstin Andreae, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.
»Kein Schmusekurs«: Kerstin Andreae, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.

«Ludwigshafen/Berlin». Die Bundestagsfraktion der Grünen gründet einen Wirtschaftsbeirat und will damit am Montag einen stetigen Austausch mit ausgewählten Unternehmern und Managern beginnen. Viele strebten in das Gremium. Mit dabei sind unter anderem BASF-Chef Martin Brudermüller und der Chef von Roche Pharma in Deutschland, Hagen Pfundner. Zu dem Konzern gehört ein Standort in Mannheim mit rund 8200 Mitarbeitern.

Als das Vorhaben durchsickerte, war der Andrang groß: „Die haben uns die Bude eingerannt“, beschreibt es eine fraktionsnahe Quelle. 50 feste Teilnehmer aus der Wirtschaft sind es geworden. Offen, kontrovers und vertraulich soll der Austausch laufen. Nicht alle Mitglieder – meist Unternehmer, Vorstände oder Geschäftsführer – wollen zumindest derzeit, dass ihre Teilnahme bekannt wird. In dem Gremium finden sich neben Brudermüller und Pfundner beispielsweise Premal Desai, Finanzvorstand bei der Thyssen-Krupp Steel Europe AG, oder Gerd Chrzanowski, der zur Leitungsspitze der Schwarz-Gruppe gehört, zu der die Handelsketten Lidl und Kaufland zählen. Weitere Teilnehmer kommen aus den Bereichen Abfallwirtschaft, Auto, Bau, Bekleidung, Bildung, Dienstleistungen, Energie, Finanzen, Versicherungen, Immobilien, Informationstechnologie, Luftfahrt, Maschinenbau, Medizintechnik und Verkehr. Die Grünen-Bundestagsfraktion selbst versteht den Wirtschaftsrat als ein Forum, um grüne parlamentarische Vorhaben einer Art „Stresstest“ zu unterziehen, indem sie in dem Gremium offen und kontrovers zur Diskussion gestellt werden. Das schließt neben wirtschaftspolitischen, ausdrücklich auch energie-, sozial-, außen- oder bildungspolitische Vorhaben ein, wie es ein Papier der Fraktion beschreibt, das der RHEINPFALZ vorliegt. Bei der Auswahl sei Wert gelegt worden auch auf Teilnehmer, die grünen Positionen möglicherweise nicht auf den ersten Blick nahe stünden. Von einem Schmusekurs der Grünen mit der Wirtschaft will deshalb die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Andreae nichts wissen. Sie ist mit der Bildung des Wirtschaftsrates beauftragt. Den Wunsch nach Austausch habe es in der Fraktion wie aufseiten vieler Unternehmen schon lange gegeben, sagt sie. Politik und Wirtschaft könnten die drängenden Aufgaben wie Klimaschutz, demografischer Wandel oder Digitalisierung nur gemeinsam lösen. „An diesem Tisch wird offen gesprochen werden. Wir werden der Konfrontation nicht aus dem Weg gehen, suchen aber einen ehrlichen und zugleich konstruktiven Austausch – unter Schmusekurs verstehe ich etwas anderes“, sagt Andreae zur geplanten Arbeitsweise des Beirates. Klar sei: Eine so große Aufgabe wie die Eindämmung der Klimakrise sei nur gemeinsam mit der Wirtschaft zu bewältigen. In dem Beirat wollten weder die Grünen die Wirtschaft missionieren, noch wollten die Grünen von der Wirtschaft missioniert werden. Ziel sei es, so Andreae, den Blickwinkel von Unternehmern auf die großen Herausforderungen wie etwa Digitalisierung oder Welthandel besser zu verstehen und ihre Lösungsansätze kennenzulernen, um „am Ende ökonomische Aspekte mit ökologischen und sozialen Aspekten in Einklang“ zu bringen, so die Bundestagsabgeordnete. „Der Wirtschaftsbeirat ist bestimmt keine Kuschel-Veranstaltung und schon gar nicht ein Ort, an dem irgendeine Lobby ihren Wunschzettel durchdrückt“, sagt Andreae. Roche-Pharma-Vorstand Hagen Pfundner, Teilnehmer im Beirat, begrüßt die Initiative der Grünen, den Austausch mit Vertretern der Wirtschaft zu Intensivieren. Ein konstruktiver Dialog könne helfen Berührungsängste abzubauen. Das sei eine Voraussetzung dafür, politische Lösungen zu finden, die den wirtschaftlichen Realitäten Rechnung trügen. Die BASF teilte auf Anfrage mit, der Chemiekonzern setze sich für eine nachhaltige Gestaltung der Zukunft ein und eine Gesellschaft, die offener ist für Innovationen. Dazu führe die BASF eine offene Diskussion mit allen Gruppen, die an einem Dialog und an einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung interessiert seien. Deshalb nehme Martin Brudermüller als Vorstandsvorsitzender und Forschungschef der BASF an dem Wirtschaftsbeirat der Grünen teil. Beim ersten Treffen an diesem Montag in Berlin geht es laut Andreae erst einmal darum, sich kennenzulernen. Aufseiten der Grünen nehmen unter anderen die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt teil sowie die Parteivorsitzende Annalena Baerbock. Konkret soll dabei über den Entwurf der Grünen für ein Einwanderungsgesetz diskutiert werden.

Offen für den Dialog: BASF-Vorstandsvorsitzender Martin Brudermüller.
Offen für den Dialog: BASF-Vorstandsvorsitzender Martin Brudermüller.
„Berührungsängste abbauen“: Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG.
»Berührungsängste abbauen«: Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG.
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