Wirtschaft Daimler: Vorstände und Betriebsräte gehen auf die Barrikaden

Im südpfälzischen Daimler-Lkw-Werk Wörth geht es um 11.300 Arbeitsplätze. Unser Bild zeigt neue Zugmaschinen auf dem Werksgeländ
Im südpfälzischen Daimler-Lkw-Werk Wörth geht es um 11.300 Arbeitsplätze. Unser Bild zeigt neue Zugmaschinen auf dem Werksgelände.

Konzernvorstände und Betriebsräte schreiben, wie bereits am Freitag berichtet, Brandbriefe an die Politik und gehen gemeinsam auf die Barrikaden. Die Pläne der EU, den Spritverbrauch von Lastwagen per Verordnung um ein Drittel zu senken, sorgt in der Branche für helle Aufregung.

„Mit einer solchen Entscheidung setzt die EU Zehntausende Jobs alleine in Deutschland aufs Spiel“, warnt Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht. Sein Kollege Saki Stimoniaris von MAN sieht das genauso. „Wenn es das Ziel der Europäischen Kommission und der EU-Parlamentarier ist, die europäische Nutzfahrzeugindustrie zu zerstören, dann handelt sie richtig“, sagt er bitter.

Straßburger Abgeordnete entscheiden

Der Lkw-Weltmarktführer Daimler beschäftigt im Südpfälzer Montagewerk Wörth 11.300 Mitarbeiter und am Mannheimer Nutzfahrzeugstandort 8600 Leute. In einem der RHEINPFALZ vorliegenden Brandbrief an fast 100 deutsche Bundes-, EU- und Landespolitiker äußern sich Unternehmensleitung und Betriebsräte besorgt über die geplante Regulierung des Kohlendioxid-Ausstoßes durch schwere Lkw. In dem Brief, der auch an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ging, weist Daimler darauf hin, dass der Konzern in Deutschland im Lkw-Bereich gut 30.000 Mitarbeiter beschäftigt. Zu den Unterzeichnern gehören der Daimler-Betriebsratschef Brecht sowie die Betriebsratschefs von Wörth und Mannheim, Thomas Zwick und Joachim Horner. Am Mittwoch entscheiden die Abgeordneten in Straßburg über den Vorschlag ihres Umweltausschusses, den CO2-Ausstoß von Lastwagen in den kommenden zwölf Jahren um weitere 35 Prozent zu senken. Bei Verstößen drohen ungewöhnlich hohe Strafzahlungen – so hoch, dass sie „selbst große Nutzfahrzeughersteller in ihrer Existenz bedrohen könnten“, wie VDA-Autoverbandschef Bernhard Mattes in Berlin sagte.

Es geht ums Klima

Den EU-Abgeordneten im Umweltausschuss und der EU-Kommission geht es jedoch erst einmal ums Klima. Der Vorschlag „macht die großen Verschmutzer auf der Straße für mehr Klimaschutz verantwortlich“, sagte der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout. Im Transportbereich steige der Ausstoß des Treibhausgases CO2 weiter. Laut EU-Kommission ist er heute um 19 Prozent höher als 1990, weil immer mehr Waren auf der Straße transportiert werden. Stimmt, sagt der europäische Autoherstellerverband Acea, in dem sich auch die Lkw-Hersteller Daimler, MAN, Scania, Volvo und Iveco organisiert haben: Der Lastverkehr wächst, das meiste davon rollt über die Straßen. Aber Lastwagen machten gerade mal 5 Prozent des CO2-Ausstoßes insgesamt aus. Und der einzelne Lastwagen fährt immer sparsamer. Die Spritkosten machen ein Drittel der Betriebskosten aus. Jeder Liter mehr geht vom Gewinn des Spediteurs ab. Deshalb sind sparsame und damit emissionsarme Lastwagen für die Spediteure wie für die Lkw-Hersteller ein klarer Wettbewerbsvorteil. Im Durchschnitt sank der Verbrauch jedes Jahr um gut 1 Prozent – ein schwerer Sattelschlepper schafft heute 100 Kilometer mit 30 Litern Diesel.

Batterieantrieb für Fernlaster nicht marktfähig

Aber der EU geht das alles zu langsam voran. Soeben haben die EU-Staaten auf den Vorstoß von Kommission und Parlament hin die CO2-Werte für Pkw bis 2030 um 35 Prozent gesenkt. Warum sollte das nicht auch bei Lastwagen möglich sein? Anders als bei Autos sei ein Batterieantrieb für Fernlaster auf absehbare Zeit nicht marktfähig, sagte VDA-Chef Mattes. Tonnenschwere Akkus, lange Ladezeiten, notwendige Parkplätze und Ladesäulen – in der Branche sieht man noch viele Fragezeichen. Wenn die Abgeordneten entschieden haben, sind die Regierungen der EU-Staaten am Zug. Bei den Pkw haben sie die Parlamentsvorschläge noch etwas abgemildert.

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