Rheinpfalz Wenn der Verstand in die Hose rutscht

Wenn das Ambiente stimmt, zu sehen ist, was Männer drunter tragen, wenn in einer Holzlandgemeinde das Chaos ausbricht, sich nach vier Stunden alles in Harmonie auflöst und 230 Zuschauer das mit Vergnügen verfolgen, hat garantiert die Theatergruppe in Geiselberg (TiG) ein neues Stück auf die Bühne gebracht. Am Samstag feierte die TiG mit „Alles nur Theater“ Premiere.

Die Welt von Bauer und Bürgermeisterstellvertreter Alfons (Ralf Weißmann) gerät in diesem Stück von Erich Koch nach durchzechter Nacht aus den Fugen. Dass er am Ende des Stücks nicht mehr Herr im eigenen Haus sein wird, ahnt er nicht, als er mit Brummschädel die am Abend zuvor in der Kneipe geborene Idee mit Freund Heinz (Thomas Malschofsky) diskutiert. Ein Theaterstück soll inszeniert werden, damit das Dorf beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ vorne landet. Wenn das so einfach wäre. Das funktioniert in der Realität nicht, wo die Zahl der guten Theatergruppen in der ländlichen Region, zu denen seit Jahren die Geiselberger zählen, die Zahl der im Wettbewerb erfolgreichen Gemeinden klar übersteigt. Und es funktioniert nicht im Stück. Obwohl Alfons die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren für Theaterstücke kennt: „Es braucht einen Österreicher, einen Bayern und eine Jungfrau.“ „Wonnsd maanst“, würde der Österreicher sagen. „Jo mei“, der Bayer. Beide wissend, dass das nicht reicht, um ein Theaterstück mit dem Titel „Die Schöne und das Biest“ erfolgreich zu inszenieren. Für erfolgreiche Theaterstücke, wie am Samstag und an allen folgenden, längst ausverkauften Vorstellungsabenden zu sehen, braucht es mehr: Neben einem trotteligen Bauern einen starken Freund wie Heinz. In jeder Hinsicht stark. Mental stark, weil er sich dem Freund zuliebe auf ein Techtelmechtel mit Alfons Schwägerin Hilde (Eva Eger) einlässt. Die alte Jungfer, genannt der Uhu, weil sie ihre Überraschungen gerne lautstark mit „uhuuu“ begleitet, ist für jeden Mann eine optische Herausforderung. Sexy ist anders. Aber die Geschichte von Heinz und Hilde ist letztlich die Geschichte von der angesichts des fortgeschrittenen Alters hässlichen Ente zum schönen Schwan, gepaart mit der Erkenntnis, dass ein erfülltes Liebesleben den Blick verändert. Stärke beweist Heinz auch, weil er zeigt, dass Theaterspielen im wahrsten Sinne des Wortes körperliche Schwerstarbeit sein kann. Nach schlagenden Argumenten mit dem schweren Topf, durch die er ein vermeintliches Einbrecherpärchen schachmatt setzt, muss er die beiden verschwinden lassen. Blöd, wenn Theaterkollegen, die zu tragen sind, schwerer sind. Da kommt Malschofsky sichtlich ins Schwitzen. Zum Trost für so viel Sportsgeist gibt es, wie über das gesamte Stück hinweg, reichlich Szenenapplaus. Die „Einbrecher“ im Schrank verstaut, die Bühne bereitet, um zur Freude von Alfons und Heinz die Suche nach dem „Biest“ zu starten. In Form eines Castings, das nach Alfons Vorstellung durchaus auf der Besetzungscouch enden dürfte. Zum Club der bekennenden Langen-Unterhosen-Träger gesellt sich ein weiterer Freund dieser Mode: Muttersöhnchen Hans (Thorsten Lehmann), der zugibt, lange Unterhosen seines verstorbenen Vaters aufzutragen. „Mei Mama saad, die sinn noch gut.“ In Erwartung der Kellnerin, die nach Alfons’ Willen die Rolle des Biestes erhält, kommt es zu Germanys next Top-Biest-Casting. Mit einer Überraschung für die – Heidi Klum lässt grüßen – drei Juroren. Statt einer bewerben sich drei Damen um die Rolle. Das Schuhwerk lässt erahnen: Eine schöner als die andere. Der Blick auf die Beine muss genügen, die Gesichter der Damen sind verschleiert. Dahinter verbergen sich, der Zuschauer weiß es, die Herren ahnen nichts, der „Uhu“, Alfons Ehefrau Agnes (Annette Weißmann) und seine ausgeflippte Tochter Eva (Vera Haas), die gerne eine Ratte auf ihrer Schulter spazieren trägt. Es kommt, wie es kommen muss, den Herren rutscht der Verstand in die Hose und im richtigen Ambiente finden sich drei Paare. Die größte Überraschung erlebt Alfons, dem die vermeintliche bayerische Kellnerin ins Ohr flüstert: „Dua d’Hosn owi.“ Als er Hosen und Hemmungen fallen lässt, fällt auch der Schleier: Überraschung! Hinter der Bühne hat Maskenbildnerin Tanja Malschofsky über die gesamte Spielzeit Schwerstarbeit zu leisten. Aus dem Uhu und Agnes werden Ladys. Eva wird sittsam. Aus Muttersöhnchen Hans hingegen wird Punker „Zorro“, inklusive tätowierten Armen. Und dann war da doch noch was. Schlagende Momente, sportliche Kraftakte, natürlich, die vermeintlichen Einbrecher im Schrank. Die entpuppen sich als das Tratschweiber des Dorfes schlechthin, die Pfarrköchin (Brigitte Roggensack), die durch den Knock-out um ihre Chance gebracht wurde, sich für die Rolle als „Bieschd“ zu bewerben, und der Altwarenhändler Franz (Jürgen Hauck). Ein Bayer. Also doch das Erfolgsrezept aufgegriffen. Der lernt auf die unsanfte Art, dass „Mann“ nicht ungestraft eine Nacht mit einer Pfarrköchin im Schrank verbringt. Da heißt es Ehre wiederherstellen. Ohnmacht hin, Ohnmacht her. Und so gilt zum Schluss ein Reim des Dichterfreundes Heinz: „Wenn einem so viel Gutes widerfährt, dann ist das schon ein Schnäpschen wert.“ Prost. Bis zum nächsten Stück.

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