Rheinpfalz Wem der Dom gehört

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Speyer. So um das Jahr 1027 soll es gewesen sein: Der salische Herrscher Konrad II. fasst damals den Entschluss, eine Kirche zu bauen – und zwar eine besondere. Der Adlige plant nichts Geringeres als die längste Kirche der Welt. Das Gotteshaus soll in Speyer entstehen. So ist es überliefert. Damit wäre zumindest schon mal geklärt, wer nach heutigen Maßstäben als Bauherr des Speyerer Doms bezeichnet werden kann. Deutlich vielschichtiger ist die Frage, wem der Bau aus dem 11. Jahrhundert mittlerweile eigentlich gehört. Während der Historiker Thomas Wirt die Auffassung vertritt, dass Napoleon den Dom im Nachgang der Französischen Revolution an die Domgemeinde übertragen hat, vertritt Hans-Jürgen Becker eine konträre Ansicht. Der Kirchenstaatsrechtler ist überzeugt, dass der französische Herrscher den Dom 1806 an den Mainzer Bischof übertragen hat. Dessen Rechtsnachfolger seien der Bischof und das Domkapitel von Speyer. Unstrittig ist, dass der Dom drei Funktionen erfüllt: Zunächst ist er Kathedrale des Bischofs, aber auch die Kirche des Domkapitels sowie Pfarrkirche. Die Frage, wem dieser Bau aus dem elften Jahrhundert gehört, beurteilen Domkapitel und Dompfarrei aber traditionell unterschiedlich. Die Diskussion darüber wurde mal mehr und mal weniger leidenschaftlich geführt. Für eine Neuauflage der Debatte sorgte ausgerechnet Franz-Peter Tebartz van Elst. Zumindest indirekt. Der Geistliche war als Oberhirte in Limburg unangenehm aufgefallen, weil es 2013 beim Bau des dortigen diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus unter seiner Ägide zu erheblich gestiegenen Kosten kam. Etliche Bistümer nahmen das zum Anlass, ihr Vermögen transparenter darzustellen. So auch Speyer. Das führte dazu, dass ein Wirtschaftsprüfer den Haushalt des Domkapitels unter die Lupe nahm. Der Experte verweigerte sowohl für 2014 als auch für 2015 das Testat. Im aktuellen Haushaltsabschluss findet sich der Vermerk, dass der Dom bis 2013 beim Domkapitel zu Speyer bilanziert wurde. Weil es unterschiedliche Auffassungen zu Rechtsform und Eigentümer des Doms gebe, könnten bis zur endgültigen Klärung der Lage nur vorläufige Pro-forma-Jahresabschlüsse für das Domkapitel erstellt werden. Bei der Frage, wem der Speyerer Dom denn nun gehört, hilft ein Blick ins Grundbuch schon mal nicht weiter. Für das gewaltige romanische Bauwerk findet sich dort nämlich schlicht kein Eintrag. Anders sieht es im Liegenschaftskataster aus. Dort wird das historische Gebäude seit 2010 der Dompfarrkirchenstiftung zugeordnet. Nur die Dompfarrei könnte diesen Eintrag ändern. Allerdings bezweifeln namhafte Experten die Rechtsverbindlichkeit eines Eintrags im Liegenschaftskataster. Weihbischof Otto Georgens, der als Dompropst fungiert, sagt: „Das Domkapitel ging lange davon aus, dass der Dom ihm gehört. Wir haben mittlerweile dazu gelernt.“ Nun vertreten die geistlichen Würdenträger die Auffassung, dass der Dom sich selbst gehört. Dazu bräuchte es allerdings eine Stiftung mit einem Stiftungsrat, die ihn nach außen vertritt. Denn klar ist: Der Dom kann selbst keine Geschäfte führen. Diese Funktion könnte eine noch nicht errichtete Kathedralkirchenstiftung übernehmen. Das klingt zunächst nachvollziehbar, ist aber für die Dompfarrei nicht so einfach. Für sie ist der Sakralbau nämlich fester Teil des Gemeindelebens. In ihm finden Taufen und die Erstkommunion statt. Gerade ältere Gemeindemitglieder sehen sich emotional mit dem Dom verbunden. Dompfarrer Matthias Bender sagt, seine Pfarreimitglieder hätten Angst, dass ihnen etwas weggenommen wird – und zwar vom Domkapitel. Die Fronten waren zwischenzeitlich festgefahren. Das liegt auch daran, dass beide Seiten nicht immer freundlich miteinander umgegangen sind. Georgens gesteht ein, dass es in der Vergangenheit bisweilen an Sensibilität des Domkapitels gegenüber der Dompfarrei gemangelt habe. Mittlerweile betonen der Dompropst und der Dompfarrer jedoch unisono, dass „niemand an einem Konflikt interessiert ist“. Beide sprechen von konstruktiven Gesprächen in der strittigen Eigentumsfrage. Allerdings verspürt die Dompfarrei zeitlich überhaupt keinen Druck, die Frage zu klären. Dem Domkapitel hingegen ist es wichtig, die Angelegenheit zügig zu einem Ende zu bringen. Es geht um das Testat des Haushaltes und damit letztlich um Transparenz in finanziellen Dingen. Für Bender und die Dompfarrei unterstreicht der Katastereintrag, dass „wir hier zu Hause sind“. Daher wird nun über die Idee beraten, den Katastereintrag bei der Pfarrei zu belassen, aber die Rechte (und Pflichten) an eine entsprechende noch zu gründende Stiftung zu übertragen. Die Pfarrei, so Bender, wolle schließlich keinesfalls Aufgaben wie das Dombesuchermanagement übernehmen. Seinen Gemeindemitgliedern gehe es eher um „einen symbolischen Zugang zum Dom“. Ein weiterer Gutachter, den die Dompfarrei mittlerweile eingeschaltet hat, hat nach Informationen der RHEINPFALZ signalisiert, dass der anvisierte Kompromiss juristisch denkbar sei. Es könnte auf eine Trennung zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum hinauslaufen. Dann bliebe der Katastereintrag unverändert, und das Domkapitel könnte als Stiftungsrat die Aufgaben übernehmen, die es de facto eh schon seit Jahren wahrnimmt. Zudem könnte die noch zu errichtende Kathedralkirchenstiftung bilanziell vom Vermögen des Domkapitels getrennt werden. Wenn das gelingt, könnte das Gremium einen testierten Jahresabschluss vorlegen – und die jahrzehntelange Diskussion wäre vorbei. Endlich.

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