Eisenberg Von Katastrophenjahren noch lange nicht erholt
KIRCHHEIMBOLANDEN. Als zweiter Vogel der Serie „Vögel im Sinkflug“ soll die Schleiereule vorgestellt werden. Diese schöne Nachteule erlebte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre einen wahren Höhenflug und danach einen jähen Absturz. Heute sitzt sie „im Keller“, und es wird Jahre dauern, bis sich der Bestand wieder erholt hat.
Noch vor wenigen Jahrzehnten gehörte die Schleiereule zum heimlichen Nachtleben eines jeden Dorfes. Ein lang anhaltendes Schnarchen in einer dunklen Februarnacht klang gruselig und unheimlich. Es war die „Hochzeitsmusik“ der Eule, deren Balzzeit begonnen hatte. Zum zweitenmal ein Schnarchen in einer lauen Juninacht: Vielstimmig bettelten die Jungeulen um Futter. Im Dorf ließ es sich früher für diesen Vogel der Nacht recht gut leben. Zur freien Auswahl gab es Nistplätze in Scheunen, Speichern, Taubenschlägen und Kirchtürmen. In der angrenzenden kleinflächigen Feldflur wimmelte es von Mäusen, der Leibspeise der Eule. 50 Jahre später ist vom Idyll nichts mehr geblieben. Keine Nistplätze mehr und keine Mäuse in den Scheunen. So konnten die Schleiereulen nicht mehr überleben. Auch der zunehmende Straßenverkehr forderte seine Opfer. Da half es auch nichts, dass die Schleiereule hervorragend an das Leben als Nachtjäger angepasst war. Mit ihrem hoch entwickelten Gehör konnte sie selbst in stockdunkler Nacht ihre Beute sicher orten und ergreifen. Da sie selbst durch ihr weiches Gefieder und die gezähnten Ränder ihrer Schwungfedern kein Fluggeräusch verursachte, vermochte sie sogar dem Rascheln einer flüchtenden Maus nachzufliegen und diese gezielt zu greifen. Die gefangene Maus wurde mit Haut und Haaren verschluckt. Die unverdaulichen Haare und Knochen wurden als „Gewölle“ wieder ausgewürgt. Eine weitere Eigenart: Junge Schleiereulen einer Brut sind verschieden alt, denn das Weibchen beginnt schon nach dem ersten Ei zu brüten. Die weiteren Eier werden dann im Zwei-Tage-Rhythmus gelegt. Auch im Donnersbergkreis ist die Schleiereule schon seit Jahren im „Sinkflug“. Die Eulenschützer der Kreisgruppe Donnersberg im Natur- schutzbund Deutschland (Nabu) können aus ihrer Arbeit exakte Zahlen vorlegen. Seit 1975 hängten sie 50 Brutkästen in Kirchtürmen, Scheunenund Wohnhäusern auf. Eine wichtige Hilfe, die auch gut angenommen wur- de. Allerdings gab es in den ersten 15 Jahren wegen fehlender Mäuse nur 17 Bruten. 1990 der Durchbruch mit 14 Bruten. Dann folgte ein wahrer Höhenflug. 1993 unglaubliche 26 erfolgreiche Elternpaare. Es kamen noch drei „fette“ Jahre mit 17, 22 und 23 Bruten. Im Winter 1996/97 mit wochenlanger, hoher Schneelage verhungerten die Schleiereulen, weil sie nicht an die kleinen Nager herankamen. Im Frühjahr 1997 zog nur ein Paar im Kirchtum von Sippersfeld vier Junge auf. So richtig kam die Eule auch in den folgenden Jahren nicht mehr in Schwung. 2003 war die Höchstzahl mit 13 Bruterfolgen erreicht. Dazu gab es 2009 und 2013 zwei Katastrophenjahre mit keiner einzigen Brut. Weil es keine Feldmäuse gab, brüteten die Eulen nicht. Es wird Jahre dauern, bis die Schleiereulen sich von diesen Rückschlägen erholt haben. Ihre Lichtscheu, ihr lautloser Flug und ihr unheimliches Rufen brachten den Vogel früher in Verruf, mit finsteren Mächten in Verbindung zu stehen. Schon im Altertum galt sie als Unglücksvogel und Todesbote. Der Aberglaube dichtete ihr alle denkbaren Schlechtigkeiten an. Andererseits sollte sie Unheil, böse Geister, Blitzschlag und Feuer abwehren, wenn sie ans Scheunentor genagelt wurde. Die Redensart „hässlich wie eine Eule“ trifft auf die Schleiereule nicht zu. Im Gegenteil sie ist ein ausgesprochen hübscher Vogel. Im weißen, herzförmigen Gesicht („Schleier“) sitzen zwei kleine, dunkle Augen. Die ziemlich einfarbig grau und goldbraune Oberseite kontrastiert mit der weißen bis rahmfarbenen Unterseite, darin fallen noch dunkle, tropfenförmige Flecken auf. Der englische Name „Scheuneneule“ (barn owl) und der holländische „Kircheneule“ (kerk uil) zeigen, wie unterschiedlich die Namengebung in verschiedenen Sprachen sein kann. (as)