Rheinpfalz Vom Felsen gestürzter Vogel schwebt lautlos der Freiheit entgegen

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Er faucht gefährlich, blitzt mit seinen durchdringenden Bernsteinaugen in die Runde und hebt lautlos ab in die Luft: Der junge Uhu, der Mitte Juni in Kaiserslautern vom Gartenschau-Felsen gerutscht war (wir berichteten), ist zurück in der Freiheit. Im Steinbruch Rauschermühle bei Niederkirchen hat ihn Vogelschützer Kurt Wilhelm am Wochenende ins wahre Uhuleben entlassen.

Im stillgelegten Steinbruch Rauschermühle bei Niederkirchen sind Vogel- und Naturschützer versammelt. Großer Bahnhof für einen großen Vogel. Der will von all dem Trubel aber gar nichts wissen. Seine Ankunft im Karton kündigt er mit einem missmutigen Fauchen an. Auch seine Blicke, die er vom Arm seines „Ziehvaters“ Kurt Wilhelm in die Runde wirft, deuten keine Freundschaft an. Noch weiß er ja nicht, dass er gleich der Freiheit entgegenfliegen wird. Das prachtvolle Tier − mit gut drei Kilo und einer Spannweite von über 150 Zentimetern − sah vor über zwei Monaten ganz anders aus. Ziemlich mager war der damals Heranwachsende, der als Ästling mit zwei Gartenschau-Geschwistern auf dem Felsen herumgeturnt und dabei abgerutscht war. „Da waren nur Federn zu spüren, kein Fleisch“, erinnert sich Christine Schweigert von der Gartenschau an jenen Nachmittag, als Wilhelm den Verunglückten aus dem Gestrüpp zog und ihn davor bewahrte, vom Fuchs gefressen zu werden. Schweigert hat es sich nicht nehmen lassen, noch mal einen Blick auf den Uhu zu werfen. „Na, der hat sich ja verändert“, strahlt sie beim Anblick des Tiers. Dass aus dem Stadtvogel ein Land-Uhu wird, ist ihr egal. „Er soll dort heimisch werden, wo es ihm gefällt. Und sich fleißig vermehren.“ Der Steinbruch bei Niederkirchen wurde von den Vogelschützern ausgewählt, weil dort der Verkehr nicht so dominant ist wie in Kaiserslautern direkt an der Gartenschau. Denn der Eulenvogel hatte keine Gelegenheit, sich mit Autos vertraut zu machen oder die Eltern zu beobachten. Er ist ja in der Voliere herangewachsen. „Es ist vermutlich ein Weibchen“, stellt Wilhelm den „Knacki“ vor. Normalerweise gibt er keinem der von ihm aufgepäppelten Vögel einen Namen. Hat er beim Uhu auch nicht gemacht. Der Bursche − oder die Dame − hat sich selbst einen Namen verpasst, weil er oder sie in der Voliere öfter knackende Geräusche von sich gab. In den letzten Tagen gab es im Käfig auch die typischen Rufe zu hören. Ein zweiter Uhu war angekommen. Wilhelm hat nach dem Anruf besorgter Bürger in Dansenberg einen stark abgemagerten Uhu aufgesammelt und ebenfalls in die Voliere gebracht. Dieses Exemplar war durch verkrümmte Fänge nicht mehr in der Lage, Beute zu schlagen. „Das ist eine Sauerei“, schimpft Wilhelm. Er berichtet, dass das Tier unter sogenannten Dicken Händen leidet, einer Entzündung der Ballen, die es ihm nicht mehr ermöglicht, den Fang zu schließen. „Der Vogel war mit Sicherheit in Gefangenschaft“, ärgert es Wilhelm, dass Menschen solche Tiere halten, sich nicht richtig darum kümmern und sie im Krankheitsfall einfach fliegen lassen − und somit dem Tode weihen: „In freier Natur kommt solch eine Krankheit nicht vor, die geht auf falsche Ernährung und auf eine falsche, glatte Sitzgelegenheit zurück.“ Wilhelm hat den Uhu operieren lassen. Er ist sich aber keineswegs sicher, ob das Tier je wieder jagen kann. „Knacki“, dem Uhu-Nachwuchs aus der Gartenschau, war es nach seinem Freiflug ebenfalls nicht nach Jagen zumute. Lautlos und ohne Abschiedsrunde ist er im schattigen Gestrüpp verschwunden und hat Wilhelm ein stolzes Lächeln ins Gesicht gezaubert. „Die Mühe hat sich gelohnt“, sagt der. „Das weiß ich immer dann, wenn ich einen Vogel fliegen lassen kann.“ |thea

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