Rheinpfalz Voll ins Schwarze getroffen
. „Den Anderen besser kennenlernen und dabei vom Anderen lernen“ – so lautet das Motto der Freizeit, die aus dem Bundesprojekt „Demokratie leben!“ in der Wolfsägerhütte bei Fischbach hervorgegangen ist. Bisher kannte Husein die Dynamik und das Ausschütten von Adrenalin beim Kartfahren nur aus Videospielen. Seine Freunde Aref (15) und Erfan (13) Mohammadi sind ebenso begeistert. Das Brüderpaar war erst vor fünf Monaten aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. An diesem Freizeit-Wochenende beweisen die beiden, dass sie sich mittlerweile gut eingelebt haben und die deutsche Sprache schon erstaunlich gut sprechen. Im Laufe des Wochenendes spüre ich immer wieder, dass es für sie selbstverständlich ist, überall mitzuhelfen. So sehe ich sie auf dem schönen Gelände der Hütte beim Holzhacken. Das Holz wird später für die gemütliche Runde am Lagerfeuer benötigt. Auch gekocht und gespült wird meist gemeinsam. Nur Husein versucht anfangs, sich vor dem Spülen zu drücken – allerdings ohne Erfolg. Kennengelernt haben sich Husein, Erfan, Aref und Sven beim privaten Jugendtreff, der im Untergeschoss des ehemaligen Gasthauses „Pfälzerwald“ in Hinterweidenthal einmal wöchentlich stattfindet. Manfred Schary hat dort die Schlüsselgewalt und ist ebenfalls begeistert mit von der Partie, wenn es dienstagabends heißt: Jugendtreff geöffnet zum Kicker spielen oder für ein Billardturnier. Mit von der Partie am Sonntag auf der Landauer Kartbahn sind zudem Frederic Brödel aus Niederschlettenbach und Gregor Burkhart aus Erfweiler sowie die beiden Mitglieder des Jugendforums Dahn, Justin Köhler aus Busenberg und Sophie Burkhart aus Schindhard. Der 18-jährige Janik Propheter aus Rumbach kann aus familiären Gründen nur am Samstag dabei sein. Da die abschließende Reinigung der Hütte kein Selbstläufer ist, opfern sich Sven Greiner vom Kreisjugendring und Viktor Tschemerow aus Kaiserslautern für die undankbare Aufgabe. Die „guten Seelen der Hütte“ hatten sich im Vorfeld um das Organisatorische gekümmert, unter anderem Nudeln, Brötchen, Wurst und Käse für die ganze Mannschaft besorgt. Über den Verlauf des Kennenlern-Wochenendes sind beide sehr glücklich. „Das hat super geklappt, ich würde so eine Freizeit gerne wiederholen, vielleicht sogar für ein paar Tage länger“, freut sich Sven. Auch die Tatsache, dass kurzfristig drei Jugendliche vom Jugendforum Thaleischweiler sowie zwei syrische Flüchtlinge aus Hauenstein abgesagt hatten, ist für Sven kein Beinbruch: „So wurden unsere drei Flüchtlinge nicht überfordert, zwischen den Teilnehmern konnten sich persönliche Beziehungen entwickeln.“ Viktor, der zum allgemeinen Verzehr russisches Schaschlik und Salat mitgebracht hat, pflichtet ihm bei und ergänzt: „Ich finde es toll, dass wir neben den Flüchtlingskindern auch deutsche Teenager dabei haben. Die Gespräche zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen helfen bei der Integration.“ Der Student des Maschinenbaus an der TU Kaiserslautern weiß, wovon er spricht. Er selbst war vor 16 Jahren nach Deutschland gekommen und hatte damals viel Unterstützung, unter anderem von Greiner, erfahren. Ein besonderes Erlebnis gibt es für die Flüchtlinge bereits am ersten Tag, als noch gar nicht alle Teilnehmer angereist sind. Zusammen mit Viktor und Sven besichtigen sie bei herrlichem Sonnenwetter den Blumenstein, die Ruine einer Felsenburg bei Schönau, sowie den Aussichtspunkt Maimont und das Friedenskreuz mit einem wunderschönen Ausblick aufs Sauerbachtal. Wieder zuhause angekommen – auch die anderen Jugendlichen sind mittlerweile eingetroffen –, wird das Lager bezogen. Geschlafen wird auf dem Dachboden, Schlafsäcke und Isomatten sind reichlich vorhanden. Grillmeister Viktor bereitet Lamm- und Schweinespieße am offenen Feuer vor, während die Teenager auf der großen Wiese Fußball spielen. Erfan lässt sein beachtliches Talent aufblitzen, indem er mich mindestens zehnmal tunnelt. Alle sind mit viel Spaß dabei. Als der Ball plötzlich die Böschung herunterkullert, ist Husein zur Stelle. Mit akrobatischem Geschick klettert er hinunter, um das Spielgerät aus dem Bach zu fischen. Apropos Bach: Dieser führt direkt zu einer Quelle, die fürs Wochenende als Wasserlieferant und Waschgelegenheit dient. Wer warm duschen will, hat hier aber das Nachsehen: Das Wasser ist eiskalt. Eine richtige Toilette in Form eines klassischen Plumpsklos gibt es glücklicherweise. Abends erfahren die jungen Menschen mehr voneinander: Jeder schreibt ein Namensschild in seiner Sprache, das dann herumgegeben wird. Am Ende steht auf den Zetteln jeder Name in vier verschiedenen Sprachen. Zum Essen gibt es neben den Spießen ein leckeres Baklava, das Husein selbst gebacken hatte. Sven breitet später auf dem Tisch eine gigantische Weltkarte aus. Jeder soll zeigen, woher er kommt und wie er im Wasgau gelandet ist. Aref und Erfan legten den beschwerlichen Weg aus Afghanistan teilweise zu Fuß zurück. Dabei durchquerten sie unter anderem Pakistan, Iran, Irak, die Türkei und Griechenland. Der Marsch kostete sie zwei Monate mit zahlreichen schlaflosen Nächten an Straßenrändern. Kurz nach 0 Uhr wird Aref dreimal hochleben gelassen. Er hat Geburtstag und wird 15 Jahre alt. Zunächst traut er sich nicht auf den Stuhl, der ihn in die Luft katapultieren soll, dann gibt er dem Ansturm des wütenden Pöbels aber nach. Ein – im wahrsten Sinn des Wortes – Höhepunkt der Freizeit ist der Besuch von Burg Fleckenstein am Morgen, den sich besonders Aref und Erfan gewünscht haben. Die fantastische Aussicht beeindruckt alle. Mit dem Outdoor-Vergnügen „Wikingerschach“ oder „Kubb“ trifft Sven wieder voll ins Schwarze. Fünf Leute stehen sich jeweils gegenüber, vor ihnen sind fünf Holzpflöcke nebeneinander gereiht. In der Mitte regiert der König, ein einsamer Holzklotz mit Krone. Die Mitglieder des einen Teams müssen versuchen, alle Pflöcke des gegnerischen Teams mit Holzstäben umzuwerfen. Der König ist solange tabu, bis keine Pflöcke mehr beim Gegner vorhanden sind. Für das Team, bestehend aus Sven, Aref, Erfan, Husein und mir sieht es im ersten Durchgang gut aus. Dann bin ich an der Reihe. Die Spannung steigt. Ich hole aus, werfe und treffe den König. Nachdem sich die Enttäuschung gelegt hat, bedeutet aber auch im zweiten Durchgang der zu früh getroffene König Endstation. Die Freizeit war ein voller Erfolg. Das Ziel, die jungen Flüchtlinge in unsere Gesellschaft zu integrieren, ist zumindest an diesem Wochenende gelungen. Die Aktion sollte wiederholt werden.