Rheinpfalz Vier Hügel, ein Schatz und kein Gasthaus

65 Teilnehmer hat RHEINPFALZ-Mitarbeiterin und Merzalberin Marianne Teuscher gezählt. Damit hätten die Merzalber den Rekord aus
65 Teilnehmer hat RHEINPFALZ-Mitarbeiterin und Merzalberin Marianne Teuscher gezählt. Damit hätten die Merzalber den Rekord aus Donsieders um genau einen Spaziergänger übertroffen.

RHEINPFALZ-DORFSPAZIERGANG: Rührige Vereine sorgen für Leben in Merzalben

«MERZALBEN.» „Und wie viele Roller haben Sie?“, fragt der RHEINPFALZ-Redakteur – und springt bei der ersten Frage des Tages mit zwei Füßen voran ins Fettnäpfchen. „Roller!?“, fragt Mary Thiel gespielt empört. „Äh, Mofas natürlich.“ Gerade noch mal die Kurve gekriegt. Rund zwölf Maschinen – Zündapps, Hercules’, Puchs – haben Familie Thiel und die anderen Merzalber Mofa-Freunde für die Dorfspaziergänger aufgebaut. Über 40 Jahre haben einige Mofas auf dem Buckel. Fast alle sind fahrtüchtig – dank Patrick Thiel, wie seine Frau betont. Familie Thiel wohnt in einer ehemaligen Gaststätte, die in den 1980ern geschlossen wurde, erklärt der erste Beigeordnete Michael Köhler. Ja, die Gaststätten sind ein Problem in Merzalben. Keine einzige gibt es mehr in der 1200-Einwohner-Gemeinde. Hier habe schon 1701 das Gasthaus „Zum grünen Baum“ gestanden, sagt Walter Flammann auf Höhe der Hauptstraße 47. Zwischen 1700 und 1850 seien stets zwischen fünf und acht Gasthäuser im Ort gewesen. Und heute? Keines mehr. Flammann hat zusammen mit einem Team eine Dorfchronik für das 750. Ortsjubiläum im Jahr 1987 verfasst. Zwei Jahre haben sie recherchiert. „Ich war 48 Mal im Landesarchiv in Speyer“, erzählt er. Souverän erläutert er an diesem Abend die Merzalber Geschichte. Nur einmal muss er kurz stocken. Der Grund ist rund einen Meter hoch, drei Jahre alt und heißt Leni. „Tschüss Opa“, sagt Leni wiederholt und nachdrücklich, bis der Opa sich nach unten beugt und seine Enkelin verabschiedet. Da hat er gerade die Geschichte der alten Merzalber Kirche erzählt. Die um 1360 errichtete Wehrkirche war während des 30-jährigen Kriegs schwer beschädigt worden. Eine neue sollte her. Doch Amtmann und Architekt wollten dabei in die eigene Tasche wirtschaften. Das Ergebnis: Pfusch am Bau. Um Geld zu sparen, wurde der Kirchturm abgerissen, die Steine wurden für den Neubau genutzt, der kleiner ausfiel als geplant. Alle Beschwerden der Merzalber halfen nichts. 1770 wurde St. Peter und Paul eingeweiht, die statt eines stattlichen Glockenturms nur einen Dachhelm hat. „Als die drei Glocken darin läuteten, begann er zu schwanken, da er dafür nicht ausgelegt war“, erzählt Flammann. So erklingt bis heute nur die kleinste der drei Glocken im Dachhelm. Seit 1955 die neue Heilig-Kreuz-Kirche eingeweiht wurde, wird die alte nur noch als Leichenhalle und gelegentlich für Konzerte genutzt. Lieb und teuer ist sie den Merzalbern dennoch. Dank des Engagements des Merzalber Arztes Robert Metz hat sie unter anderem neue Fenster bekommen. Derzeit wird die 200 Jahre alte Orgel im elsässischen Sarreunion restauriert. 97.000 Euro Spenden hat der Orgelbauverein dafür gesammelt. Und Metz hat bereits das nächste Projekt im Blick. Die Kirche soll mit einer Elektroheizung ausgerüstet werden, berichtet Walter Flammann. Apropos altes Gemäuer. Gegenüber dem hübsch restaurierten Fachwerkhaus Neuberger, das auf das Jahr 1768 datiert, steht ein Gebäude, zu dem Flammann eine weitere Anekdote kennt. Es soll einst vom reichsten Bürger Merzalbens gebaut worden sein. Und als 1793 die Franzosen durch Merzalben marschierten, soll sich dort ein französischer Offizier einquartiert haben. 1933 wollten die damaligen Besitzer eine neue Treppe einbauen und fanden dabei einen Schatz: 60 goldene Dukaten. Die soll der Franzose vor einer Schlacht gegen die Preußen bei Leimen unter den Treppenschlitz geschoben haben. Abgeholt hat er sie nicht mehr. Wenn man von der Geschichte Merzalbens berichtet, darf man die Burg Gräfenstein nicht vergessen, die über dem Ort thront. Vom Neubaugebiet aus hat man einen tollen Blick auf die Ruine. Nicht nur deshalb sei die Nachfrage nach Bauplätze gut, berichten Ortsbürgermeister Benno Schwarz und der zweite Beigeordnete Oswald Teuscher. Die Leute ziehe es nach Merzalben. „Und wenn Sie sich umschauen, sehen Sie warum“, sagt Michael Köhler. Von vier Hügeln, Winschert, Schloss-, Ringels- und Kuffenberg, ist Merzalben eingerahmt. „Fast wie in Rom, da sind es sieben Hügel“, sagt der stellvertretende Chefredakteur der RHEINPFALZ, Andreas Bahner, schmunzelnd. „Nur schöner“, merkt Sylvia Teuscher lachend an. Sie sind stolz auf ihren Ort, die Merzalber. Kein Wunder, dass sie sich für den Erhalt ihrer Schule einsetzen. „Erst in den vergangenen Jahren wurde sie saniert“, sagt Flammann, da wäre es doch hinausgeworfenes Geld, sie jetzt zu schließen. Benno Schwarz ist guter Dinge, dass sie erhalten bleibt. Seit der Gemeinderat beschlossen habe, den Eltern bei der Geburt ihres Kindes eine kleine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, habe es viel Nachwuchs in Merzalben gegeben, berichtet er augenzwinkernd. Ist also der acht Monate alte Matteo, der jüngste Dorfspaziergänger, ein Ergebnis dieser Ratsentscheidung? „Eher nicht“, sagt Mutter Katharina Eser lachend. Für Familien mit Kindern sei Merzalben dennoch attraktiv. Schule, Kindergarten – beides ist vorhanden. „Das ist auch so etwas wie das Kulturzentrum Merzalbens“, ist zu hören. Im Schulgebäude proben die Chöre, der Musikverein und die „Neecher Harmonists“, einer der Top-Acts der Prunksitzung, die vom Fasnachtsausschuss der Vereine organisiert wird. Die Vereine haben die Fasnacht im Ort einst gemeinsam aus der Taufe gehoben. Eine Prunksitzung und den „Nachtumzug“ organisieren sie. Auch ansonsten sind es die Vereine und die Feste, die gefeiert werden, die das Dorfleben prägen. Dass Merzalben eine Reise wert ist, wissen auch die Touristen, die sich im Feriendorf und in Ferienwohnungen einmieten. Die Gästezahlen seien ganz gut, sagt Ortrud Vatter vom Verkehrsverein, der alljährlich die Ortseingänge bepflanzt. Einen „Vorderpfälzer“ konnten die Merzalber am Mittwoch jedenfalls für ihren Ort begeistern. Er wolle wiederkommen, sagte der stellvertretende Chefredakteur beim Ausklang des Spaziergangs im Freizeitpark: „Die Burg muss ich mir mal ansehen.“ „Und den Winschert“, „und den Nachtumzug“, tönte es aus der Runde. „Ich sehe schon, 24 Stunden Merzalben werden das.“ Die Merzalber würde es freuen.

Heute wird St. Peter und Paul nur noch als Leichenhalle und für Konzerte genutzt. Die alte Orgel der Kirche wird derzeit restaur
Heute wird St. Peter und Paul nur noch als Leichenhalle und für Konzerte genutzt. Die alte Orgel der Kirche wird derzeit restauriert.
„MC Brennstoff“ steht auf dem T-Shirt von Mary Thiel, die zwischen einem guten Dutzend alten Mofas steht.
»MC Brennstoff« steht auf dem T-Shirt von Mary Thiel, die zwischen einem guten Dutzend alten Mofas steht.
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