Rheinpfalz Viel Puste und jede Menge Ausdauer

Einmal unter der Sonne Afrikas 42,195 Kilometer laufen! Was für viele Marathonläufer ein unerfüllter Traum bleiben wird, haben sich Astrid und Egon Schaarschmidt aus Brücken erfüllt. In Erinnerung werden ihnen jedoch nicht nur die atemberaubenden Bilder des Sonnenaufgangs am Kilimandscharo bleiben, unvergesslich sind auch die Erlebnisse mit Egon Schaarschmidts Bruder Karl, der seit über 26 Jahren als Missionar im Kibera, einem riesigen Slum von Nairobi, arbeitet und lebt.

Das Besondere an dieser Reise war nicht die sportliche Herausforderung, sondern die Stunden und Tage, die sie mit Karl Schaarschmidt erlebten: „Was mein Bruder dort leistet, ist wirklich bewundernswert und hat meinen Respekt verdient“, sagt Egon zur Arbeit seines Bruders. Karl Schaarschmidt hat vor einem Vierteljahrhundert eine sichere Existenz in Deutschland aufgegeben, um den Ärmsten der Armen zu helfen. Doch der Reihe nach: Die Idee, den Urlaub mit einem Marathon zu verbinden, war der Tatsache geschuldet, dass beim letzten Besuch, vor knapp drei Jahren, stundenlange Reisen im Auto absolviert werden mussten. „Uns fehlte einfach die Bewegung“, erzählt die 55-jährige Astrid Schaarschmidt, die sich selbst als Bewegungsfreak bezeichnet. Und so wurde die Idee geboren, den nächsten Besuch beim Schwager mit einem Marathonlauf zu verbinden. Ein paar Klicks im Internet reichten aus, um sich im tansanischen Arusha in die Teilnehmerliste des bekannten „Kilimanjaro-Marathons“ einzutragen. Einen Marathon zu laufen ist immer Kopfsache, und damit Körper und Geist die Schmerzen ab Kilometer 36 besser wegstecken können, sollten beide auf eine solche Belastung sehr gut vorbereitet werden. Für den erfahrenen Marathoni Schaarschmidt hieß das sieben Wochen lang Disziplin beim Essen, ein wöchentliches Laufpensum von zirka 50 Kilometern und zusätzlich jeden Samstag ein Dreistundenlauf. Während die beiden Lauffreaks sich in Regen und Kälte auf den großen Lauf vorbereiteten, sorgte Organisationstalent Karl Schaarschmidt im fernen Afrika bereits fürs Quartier. Ende Februar war es dann soweit: Nach einem neunstündigen Flug konnten Astrid und Egon Schaarschmidt Schwager und Bruder endlich wieder in die Arme schließen. Knapp eine Woche blieb den beiden, um sich in Nairobi zu akklimatisieren, dann fiel Sonntagsmorgens um Punkt 7 Uhr der Startschuss im tansanischen Arusha. Ein solches Laufevent sei nicht mit einem Stadtmarathon in Frankfurt oder Berlin zu vergleichen, dort tickten die Uhren total anders, doch letztlich war der Zieleinlauf für beide ein Ritterschlag, wie sie erzählen: „Ein unbeschreibliches Gefühl, wir waren zwar total kaputt, aber richtig glücklich“, resümierte Egon Schaarschmidt das Lauferlebnis im Schatten des Kilimandscharo. Doch die ganz großen Gefühle gab’s bereits eine Woche zuvor in Nairobi. Dort, im Waisenhaus von Otto Hoffmann, einem ehemaligen Industriellen aus Baden-Württemberg, gab es ein Wiedersehen mit der kleinen Mary. Deren Schicksal hatte die beiden Brücker vor drei Jahren so berührt, dass sie sich spontan entschlossen hatten, für Mary eine Patenschaft zu übernehmen. Sie ist übrigens das dritte Patenkind des Ehepaars. Die Kleine hatte ihre Eltern verloren, sie hätte auf den Straßen von Nairobi keine Chance gehabt, begründet der 57-Jährige Egon Schaarschmidt den Entschluss, auch für sie eine Patenschaft zu übernehmen. Das Ehepaar, das selbst vier Kinder großgezogen hat, zahlt für jedes seiner Patenkinder monatlich 25 Euro. „Mit diesem Geld eröffnen wir Kindern die Möglichkeit auf ein liebevolles Zuhause mit ausreichender Ernährung, Kleidung, einer Schulausbildung und sichern ihnen eine medizinische Grundversorgung. Wenn ich heute in Marys leuchtende Augen schaue, ihr strahlendes Lächeln sehe, dann freue ich mich einfach“, sagt mit einem ebenso strahlenden Lächeln Astrid Schaarschmidt. Ehemann Egon fügt nachdenklich hinzu: „Wenn man sieht, wie diese Kinder auf ihrem Spielplatz, hinter hohen Mauern, gesichert mit Stacheldraht, mit einem alten Autoreifen und einer primitiven, verrosteten Schaukel ungezwungen und glücklich spielen, dann wird man demütig und zornig zugleich.“ Auf ihrer Agenda stand natürlich auch der Besuch des kleinen Krankenhauses mitten im Slum Kibera, das unterstützt durch Spenden des Rotary Clubs Kusel sowie Zuwendungen von Karls Freund Bernhard Bauer aus Schönenberg-Kübelberg von den Steyler Missionaren erbaut worden ist. Die Arbeit von Karl Schaarschmidt und den anderen Missionaren in Kenias Hauptstadt sei vergleichbar mit der eines Marathonläufers, man brauche viel Puste und jede Menge Ausdauer, philosophiert Egon Schaarschmidt. Doch der wesentliche Unterschied sei, dass der Marathonlauf seines nun schon 70-jährigen Bruders wohl nie enden werde: Nach jedem Zieleinlauf folgt wieder ein neuer Start, ein neues Projekt, ein neuer Hilferuf...

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