Kultur Südpfalz Tanz als Ausdruck der Emotionen

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Sind es lebende Bilder? Ist es Ausdruckstanz? Was wollen uns die Darsteller mitteilen? Welche Bedeutung hat das Ganze? Viele Fragen auf den ersten Blick. Am frühen Sonntagabend verfolgen etwa zwölf Zuschauer im Garten und im Saal des Hauses am Westbahnhof eine Tanzperformance – der Abschluss eines dreitägigen Intensiv-Workshops „Zeitgenössischer Tanz und Bewegung“, geleitet von Arianne Hoffmann und Liam Clancy.

Sie ist freie Choreographin, Dramaturgin und Dozentin an der Universität der Künste Berlin, er lehrt als Professor für Tanz und Theater an der University of California in San Diego. Zwölf Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren haben an dem Workshop teilgenommen, vier von ihnen – junge Frauen mit langen, dunklen Haaren, die wie Schwestern aussahen – trauen sich am Sonntag, die erarbeiteten „Übungen zur Erweiterung der Körperwahrnehmung“ tänzerisch nach außen zu tragen und zeigen ihr Spiel aus Bewegung, Berührung, Begegnung, bei dem auch die beiden Dozenten von Anfang bis Ende mitmachen. In fließenden Bewegungen und mitunter akrobatisch anmutender Körperhaltung „erzählen“ die Tänzer von verlegener Annäherung, abweisender Haltung, Verehrung, leichtfüßigen Glücksmomenten, hartnäckiger Umwerbung bis hin zu Stalking. Spontan entwickeln sie dabei immer neue Formen, entfaltet sich die Poesie des Augenblicks. Im großen, leergeräumten Saal des Hauses können die Tänzer raumgreifend agieren, sie trippeln, kriechen, hüpfen, tanzen, schlittern übers Parkett. Sie umrunden einander wie Gazellen in der Savanne, sie winden sich schlangengleich am Boden, sie verharren in stillen Posen – während nichts als das gelegentliche laute Atmen der Tänzer das Vogelgezwitscher vom Band unterbricht. „Now it’s your turn“ – jetzt sind Sie an der Reihe“, forderte Liam Clancy das Publikum am Ende der etwa einstündigen Vorstellung auf. Stille. Niemand rührt sich. Verlegenes oder belustigtes Lächeln. Keiner ist spontan bereit, sich im Ausdruckstanz zu versuchen. Da findet Sigrid Weyers vom Haus am Westbahnhof die richtigen Worte: „Wir gehen nicht“, unterbricht sie die Stille, „das ist unsere Performance.“ Befreites Lachen. Es gehe nicht darum, „Tanz im traditionellen Sinn“ zu zeigen, interpretierte Weyers die Vorstellung der Workshopteilnehmer, sei doch das soeben Gesehene „jenseits all dessen, was wir uns gemeinhin unter Tanz vorstellen“. Augenzwinkernd erinnerte sie an den verstorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der seine berühmten Sendungen des „Literarischen Quartetts“ jeweils mit dem abgewandelten Brecht-Zitat beendete: „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ In dem Workshop, sagt Arianne Hoffmann später im Pressegespräch, stehe die Körperwahrnehmung im Vordergrund: „Wir arbeiten immer damit, uns zueinander und zur Welt in Beziehung zu setzen. Alles Weitere entwickelt sich dann. Jeder, der einen Körper hat, kann mitmachen. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Es geht darum, diesen Körper wieder erfahrbar zu machen und ihm Raum zu geben.“ |ovi

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