Rheinpfalz Streuselkuchen-Diplomatie
Das politische Geschäft ist nicht immer einfach. Die Wahlkämpfer können heute, einen Tag vor der Landtagswahl, ein Liedchen davon singen. Aber in dieser Kolumne soll es diesmal nicht um die schnöde Landespolitik gehen, sondern um die schmackhaften Seiten der Politik. Journalisten neigen dazu, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen. Das gelingt mal mehr, mal weniger. In Artikel haben sich deshalb Wörter eingeschlichen wie „Dollar-Diplomatie“, „Pendel-Diplomatie“ oder „Öl-Diplomatie“. Nahezu unbemerkt hat die südwestpfälzische CDU-Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer ein neues Mittel etabliert, um ihre Ziele zu verwirklichen. Die Bäckerstochter aus Saalstadt beherrscht die hohe Kunst der Streuselkuchen-Diplomatie. Keine Angst: An dieser Stelle soll nicht in den Krümeln gesucht werden. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Klaviatur des politischen Geschäfts. Die Recherche für diesen bierernsten Artikel war mühsam. Sie führte unter anderem in die Tiefe des (digitalen) Archivs. Es galt, einen Bogen aus vergangenen Ereignissen zur Gegenwart zu schlagen. Beginnen wir im Hier und Jetzt. Genauer gesagt: in Zweibrücken vor zehn Tagen. Mit Ursula von der Leyen (CDU) besuchte eine wahrhafte und gleichermaßen wehrhafte Ministerin die westlichste Stadt der Pfalz. Sie informierte sich unter anderem über die dortige Kaserne. Nahezu nebenbei unterstützte sie die Zweibrücker CDU im Wahlkampf. Schäfer, die Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags ist, hatte ihre Parteifreundin in die Pfalz gelockt. Als Dank für deren Schützenhilfe schenkte Schäfer der Verteidigungsministerin einen Streuselkuchen. Ein regionales Produkt: Im nahen Saalstadt führt Schäfers Bruder nämlich den elterlichen Betrieb fort. „Die ist eine Süße“, berichtete Schäfer von Parteifreundin Ursula, als der Verfasser dieses Textes bei ihr anrief, um der südwestpfälzischen Streuselkuchen-Diplomatie auf die Schliche zu kommen. Natürlich bewertete die Bundestagsabgeordnete mit dem Wörtchen „süß“ nicht das Aussehen ihrer Parteifreundin. Die Ministerin habe ihr mal erzählt, dass sie gerne Süßes isst. Anita Schäfer hat sich das gemerkt und von der Leyen deshalb mit dem Streuselkuchen eine Freude bereiten wollen. Das selbe Produkt aus der Saalstadter Backstube überreichte sie Parteifreunden schon bei anderen Gelegenheiten. Beispielsweise durfte die damalige Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) nach einer Veranstaltung im Bundestagswahlkampf 2013 einen Saalstadter Streuselkuchen mit ins heimische Frankenthal nehmen. Angela Merkel verriet vor ein paar Jahren, dass ihr Ehemann Streuselkuchen mag. Allerdings sei er, der Konditorensohn, nicht mit den Streuseln zufrieden, die sie, die Kanzlerin, auf den Teig legt. Es seien schlicht zu wenige. Vielleicht erfreut Schäfer demnächst mal die Kanzlerin und deren Ehegatten mit dem im Berliner Politgeschehen mutmaßlich legendären Saalstadter Streuselkuchen? Die CDU-Landeschefin Julia Klöckner hat Journalisten dieser Tage mehr oder weniger beiläufig verraten, dass sie gerne „Streuselkuchen nach Omas Rezept“ isst. Beobachter rätseln darüber, ob diese Aussage dem Wahlkampf geschuldet war – oder doch eher ein dezenter Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Anita Schäfer. So ganz wird sich das wohl nicht mehr klären lassen. Dem Verfasser dieser Zeilen wurde beim Telefonat mit Anita Schäfer diese Woche ebenfalls ein Streuselkuchen in Aussicht gestellt. Daran sei hier nur einmal diskret erinnert. Liebe Leser, wir halten Sie über alle Entwicklungen und Varianten der südwestpfälzischen Streuselkuchen-Diplomatie auf dem Laufenden. Versprochen.