Kultur Südpfalz Streng geheime Therapiesitzung
Am Freitag mutierte der Saal im Gloria Kulturpalast vorübergehend in eine, äh, Anstalt. In der turbulenten musiktherapeutischen Sitzung „Alles Neurosen“ zeigte die Neustadter Blue Note Big Band, was in ihr steckt, und die Vorzeigepatienten Friedel Spitz und Eugen Stumpf ließen beim Pfälzer Seelenstriptease alles raus.
Eines vorweg: Eigentlich dürfte dieser Artikel gar nicht erscheinen. Denn Eugen Stumpf – im Folgenden Eicheen genannt – hat vor der Gruppensitzung klipp und klar gefordert: „Alles, was do hin basseert, bleibt im Raum.“ Also, liebe Leserinnen und Leser, bitte behalten Sie alles, was Sie hier lesen, schön brav für sich. (Danke. Die Redaktion). Wo war ich? Ah so, die Handlung: Also der Friedel (Bernhard Weller) begleitet seinen einzigen Freund Eicheen (Götz Valter) zur Musiktherapie. Dort warten schon rund 20 Musiker auf sie. Mental zwar anscheinend leicht geistig verwirrt, jedoch exzellente Könner auf ihren Instrumenten: Die Blue Note Big Band aus Neustadt unter Bernd Gaudera. „Die haben doch alle einen an der Klatsche“, finden Friedel und Eicheen, denen es echt peinlich ist, zur Psychotherapie zu gehen, weshalb sie im Dunkeln und inkognito auf die Bühne schleichen. Um sich dort peu à peu zu entfalten, all ihre Neuröschen zu offenbaren und die Sau rauszulassen. Dabei beginnt alles so traurig. „Es Läwe fängt bei null an und wird von Tag zu Tag weniger“, seufzt Friedel, bei dem die Therapeutin Frau Doktor Siegmund (Sängerin Michaela Pommer) wenig später eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert. Singend und swingend, mal auf Pfälzisch, mal auf Hochdeutsch, mal auf Denglisch, finden Therapeutin und Patienten ihre gemeinsame Mitte. Oder so was Ähnliches. Dabei stellt die Big Band mit ihren satten Bläsern, den professionellen Solisten und dem goldenen Händchen fürs Jazz- und Swingfeeling bei jedem Song ihre Qualität eindrucksvoll unter Beweis. Gesungen wird reichlich und – einfach göttlich – der Eicheen tanzt. Er tanzt, als ob ihm niemand zusähe! „Ach Gott, bin ich schää“, findet er und hüpft in rosa Leggins mit hautengem Body über die Bühne. Egal, ob sich der Eicheen als kiffender Jamaika-Man Rasta Basta einen Joint reinzieht oder im Winter-Blaumann mit Gummistiefeln lasziv mit dem Hintern wackelt: es hat was. Nun ist der Eicheen ja optisch nicht gerade eine Womanizer, da eher klein und rundlich. Aber wenn er so rhythmisch tanzt Das gefällt den Zuschauerinnen. Und ist nicht Eicheens Fraa, die Mathild, „immer in Kur“? Die Autorin schweift ab. Schon klar, der Friedel macht das auch klasse. Aber dem traut man das sowieso zu. Die Musiktherapie jedenfalls tut allen beiden sehr gut. Entfaltung bis zur Ekstase, könnte man es nennen, und gegen Ende der Show fliegen Päckchen mit „Duddesupp“ ins Publikum. Denn der Renner in jedem Spitz-und-Stumpf-Programm darf in keiner Show fehlen: „Dudd, Dudd, Duddesupp′.“ Viel Klatscherei, lange Zugaben, prima Show. Spitz und Stumpf und Big Band sind augenscheinlich geheilt. Danke, Frau Doktor Siegmund. (ovi)