Rheinpfalz Schlettenbach mit Erlenbach verwechselt

Am heutigen 8. Mai wird in der Bundesrepublik des Kriegsendes vor 70 Jahren gedacht. Für die Pfälzer war der Krieg bereits einige Wochen früher beendet. Im heutigen Landkreis Südwestpfalz schlug die Stunde Null mit dem zweiten Einmarsch der Amerikaner im März. Wie die Menschen im Dahner Tal das Kriegsende erlebten, berichtet die folgende Geschichte.

Mitte März rückt die Front näher. Jetzt wird intensiv geschanzt, Laufgräben und zusätzliche Panzergräben werden ausgehoben. Hierzu werden ganze Arbeiter-Busse vorwiegend aus den Fabriken aus Hauenstein angekarrt. An den Ortseingängen werden Panzersperren errichtet, daneben griffbereit Baumstämme gelagert, um sie in die Sperre einzufügen. Der Luftverkehr durch Jagdbomber verstärkt sich. Oskar Kreb aus Niederschlettenbach berichtet, dass eines Nachmittags ganze Scharen deutscher Soldaten aus Richtung Nothweiler flohen – die Front nahte! Mit der nötigsten Habe hat seine Familie im Keller von Georg Leiser Zuflucht gefunden. Den Keller hatte man zuvor präpariert und mit Stämmen abgestützt. Am 19. März 1945 ging ein Bombenteppich auf das Dorf nieder. „Es war furchtbar! Die Erde bebte, das Haus schaukelte wie ein Schiff im Wasser. Da im nahen Pfarrgarten zwei Bomben einschlugen, brach die Abstützung im Keller. Als der Bombenhagel nachließ, suchte die ganze ,Kellerbesatzung’ Schutz im Stollen hinter der Kirche. Doch sehr schnell gingen uns Lebensmittel und Wasser aus. Zwei Tage später kamen die Amis.“ Emma Mangin erinnert sich: „An diesem Sonntagmorgen zog ich ganz alleine mit meinen Kindern vom Quartier in Heuchelheim nach Schlettenbach. Am Ortseingang rief jemand: ,Schnell, der Ami steht schon in Bobenthal!’ Wir zogen sofort in den Stollen am Friedhof ein. Kaum drinnen, schlugen schon die Granaten ein.“ „Am 17. März 1945 hatte Mutter Geburtstag“, erinnert sich die damals 21-jährige Wiltrud Ruppert. „Es war schönes Wetter, sodass wir sogar barfuß gehen konnten. Aus Bobenthal kam ein Melder, der schrie: ,Die Amis kommen!’ Wir eilten sofort zum Stollen am Friedhof. Auf dem Weg dorthin schlugen neben uns schon die Granaten ein. Im Stollen suchten 16 Schlettenbacher mehrere Tage Schutz. Nachts kamen deutsche Soldaten, die auf dem Rückzug waren. Ihnen gaben wir Zivilkleidung. Wenige Stunden später kamen die Amis. Wir hatten furchtbare Angst und wagten uns nicht ins Freie.“ Auch Annemarie Mertz, damals 15 Jahre, erinnert sich noch gut an die Geschehnisse vor 70 Jahren. „An einem Samstag gingen unsere Familien vom Quartier in Schwanheim nach Schlettenbach, um nach dem Haus zu sehen. Am folgenden Sonntag beschossen die Amerikaner das Dorf, so dass wir es nicht mehr verlassen konnten. Plötzlich sahen wir, dass vom Teilberg her Scharen deutscher Soldaten kamen, kurz rasteten und meinten: ,In zwei Stunden seid ihr amerikanisch!’ Kurz darauf krachte es auch schon und hörte nicht mehr auf. Wir flüchteten in den Pfarrhaus-Keller. Ich wollte unbedingt zu meiner Familie, die sich im Keller bei Albert Rinck aufhielt. Die Soldaten wollten mich zurückhalten. Trotzdem lief ich aus dem Keller, bis hin zur Remise. Dort hat mich der Luftdruck einer Granate erfasst und zu Boden geworfen. Ich sprang dann weiter zur Kellertür bei Rinck. In dem Moment schlug im Nachbarhaus eine weitere Granate ein, die mich in den Keller drückte. Hier blieb ich nun mit meinen Blessuren. Karl Flory hatte den ganzen Keller mit Stämmen abgestützt. Trotzdem bebte alles. In dem Keller hatten 16 Personen Schutz gesucht. Eine Kuh von Klara und eine von uns standen ebenfalls im Keller. Lebensmittel und Wasser hatten wir nicht, nur Milch, sonst nichts.“ Ortspfarrer Peter Schill befindet sich im März 1945 in Bobenthal. Er macht später folgenden Eintrag ins Pfarrgedenkbuch: „18.3.1945, Sonntag. Zweite Ankunft der Amerikaner, zweiter Einzug in den Stollen. Die Truppen, mit Schwarzen vermischt, machen im Gegensatz zu den ersten eher den Eindruck einer Räuberbande. Nichts war ihnen heilig. Was ihnen in die Finger kam, ließen sie mitgehen: Geld, Eheringe, goldene Kreuzlein, sogar die heiligen Ölgefäße und die Lunula der Monstranz. Zwei Bobenthaler werden durch deutsche Artillerie verwundet. 19.3.1945. Fliegerangriff auf Erlenbach und Schlettenbach, der die Orte zu 90 Prozent zerstört. Neun Erlenbacher müssen ihr Leben lassen. Nur noch wenige Häuser in Schlettenbach können bezogen werden, nachdem sie notdürftig geflickt worden sind.“ Im Armeebericht der 103. US-Infanterie Division heißt es: „20.3.45: Nach Bombardierung des Dorfes durch die Air Force, konnte das 1. Bataillon, 411. Infanterie, gelassen das Dorf stürmen.“ Doch diese angeblich zielgerichtete Aktion der Amerikaner hat einen kleinen Schönheitsfehler, der den Schlettenbachern zum Verhängnis wird. In den frühen Morgenstunden des 19. März erhält das 320. US-Bombengeschwader den Auftrag, den Westwall rund um Erlenbach zu bombardieren. In der Burg Berwarstein vermutet man eine Festung. Aufgrund eines Irrtums des Chef-Navigators des US-Verbandes wird jedoch um 8.40 Uhr Niederschlettenbach von 20 Flugzeugen bombardiert. Insgesamt werden 270 Sprengbomben auf das Dorf abgeworfen, mit verheerenden Folgen. Erst nachdem der Irrtum bemerkt wird, werden die restlichen 19 Bomber in letzter Minute umgeleitet und bombardieren nun Erlenbach mit 300 Sprengbomben. Während die wenigen Schlettenbacher den Bombenteppich mit einem Riesenschreck unverletzt überstehen, sterben durch den Angriff und seine Folgen in Erlenbach neun Menschen. Nach erneuter Bombardierung fällt in den Abendstunden des 20. März 1945 Niederschlettenbach. Oskar Kreb: „Beim Einmarsch ins Dorf schossen die Amerikaner überall in die Kellerlöcher, weil sie dort deutsche Soldaten vermuteten. Wir steckten dann ein weißes Tuch an den Stolleneingang, bis die Amis zu uns kamen. Einer von ihnen sprach Deutsch und fragte nach deutschen Soldaten. Die Amis räumten unseren Stollen und überprüften alle. Die waren eigentlich ganz höflich zu uns. Dann mussten wir wieder in den Stollen zurück. Nur meine Mutter durfte kurz Lebensmittel und Wasser holen. Erst nach zwei Tagen durften wir raus und konnten zurück in die eigenen Häuser, sofern sie noch standen. Ständig zogen nun fremde Truppen mit Panzern durchs Dorf. Auch die Leute im Stollen am Friedhof hatten am Stolleneingang eine weiße Fahne aufgesteckt. Emma Mangin berichtet: „Die Amis fanden uns nicht. Erst Karl Flory zeigte ihnen später den Stollen. Der Karl rief zu uns in den Stollen hinein. Wir kamen dann ängstlich heraus.“ Wiltrud Ruppert ergänzt: „Ein schwarzer Soldat steckte eine Zeitung an und leuchtete damit in den Stollen. Wir bekamen sofort Angst vor den Schwarzen, da wir ja noch nie welche gesehen hatten. Großmutter hat mit den Soldaten bajätscht, doch einer verstand dann Deutsch. Die Amis fragten nur: ,Nix Soldat?’ Die ließen uns dann in Ruhe. Die schwarzen Soldaten waren nun doch freundlich zu uns und gaben uns ihre eiserne Ration. Wir mussten wieder alle in den Stollen und dort tagelang bei Wasser und Brot hausen. Unser Erlebnis im Stollen hatten wir auch mit den Läusen, die sich im Stroh eingenistet hatten, was recht unangenehm war. Die Amerikaner gaben uns später Lauspulver. Den Stollen durften wir erst verlassen, als die Amis überm Rhein waren.“ „Im Keller von Albert Rinck hörten wir nachts draußen amerikanische Spähtruppen“, schildert Annemarie Mertz. „Jetzt haben wir eine weiße Fahne an der Kellertür befestigt. Am nächsten Morgen hatten sie die aber abgeschossen. Plötzlich sprang die Kellertür auf. Ein amerikanischer Soldat stand mit Gewehr im Anschlag in der Tür. Sofort rissen wir alle die Hände hoch und riefen: ,Nicht schießen – alles zivil!’ Der Soldat sprach Deutsch. Lina musste mit einem Bunkerlicht den Keller ausleuchten, damit er sich von unserem Wort überzeugen konnte. Die Soldaten waren nett. Nachdem alles durchsucht war, ließen sich die Amis im Haus nieder und zwar bis hoch unters Dach, es war alles voll. Wir mussten einige Tage im Keller bleiben, bis die Kämpfe beendet waren.„Als wir den Stollen verlassen durften, herrschte überall Elend. Ganze Scharen von Kriegsgefangenen marschierten Richtung Weißenburg. Anfang April kamen langsam die Schlettenbacher zurück. Für uns war der Krieg aus“, berichtet Emma Mangin. „Im Dorf sah es katastrophal aus. Fast nichts mehr war ganz. Überall Bombentrichter. Straßen waren nicht mehr zu erkennen. Durch die Explosionen lag eine dicke Sandschicht auf der Straße. In der Weißenburger Straße und am Worteleingang standen zerschossene amerikanischer Panzer. Tote Amerikaner eines Spähtrupps fanden wir in der Bühlstraße, einen weiteren Trupp in einem Bombentrichter in der Kirchstraße“, so der damals neunjährige Oskar Kreb. Das Elternhaus von Annemarie Mertz war schwer beschädigt. Im Garten hatte eine Bombe eingeschlagen und einen riesigen Bombentrichter verursacht. Bei Kriegsende stellt sich die Situation in Schlettenbach laut Gemeindeakten so dar: „Anwesende Einwohner 50 Personen, die Bevölkerung befindet sich noch in Oberschlettenbach, Darstein, usw. Durch die Luftangriffe sind sieben Wohnhäuser zerstört. Durch Artillerie-Beschuss im März sind 30 Prozent der Gebäude beschädigt. Die Einwohner leben von Vorräten und zurückgelassenen Reserven der Wehrmacht. Die Wasser- und Stromversorgung ist außer Betrieb, keine Verkehrsverbindungen. Kranke werden durch amerikanische Soldaten behandelt.“

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