Rheinpfalz Sanftes Ruhekissen

91-88948919.jpg

Mainz. Dass eine Regierung sich hoch bezahlte politische Beamte leistet, die im Handumdrehen zu teuren und teilweise noch jungen Frührentnern werden können, wird in etwa so gerechtfertigt: An bestimmten Schlüsselstellen brauchen ein Ministerpräsident oder seine Minister Personen ihres Vertrauens, die an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung für die Umsetzung der Regierungspolitik sorgen. Hat ein Minister oder Regierungschef dieses Vertrauen in seinen Spitzenbeamten nicht mehr, muss er sich jederzeit und ohne Begründungen von ihm trennen können – und die Stelle neu besetzen dürfen. Es liegt auf der Hand, dass dies besonders häufig bei Regierungswechseln geschieht. So gab es beispielsweise nach der Bundestagswahl 1998, bei der durch den Sieg von Gerhard Schröder (SPD) die CDU-FDP-Regierung von Helmut Kohl komplett abgewählt wurde, ein Großreinemachen: Damals sollen 16 Staatssekretäre und 55 Ministerialdirektoren (Abteilungsleiter in den Bundesministerien) ausgewechselt worden sein. Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März hatte keinen größeren Regierungswechsel zur Folge: Bis dahin hatte Rot-Grün bestimmt, seither ist auch die FDP mit an der Regierung beteiligt. Das reichte aber aus, um ein Viertel der politischen Beamten auszuwechseln: Sieben wurden nach Angaben der Staatskanzlei in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Eines der prominentesten Opfer war die bisherige Präsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, Dagmar Barzen (52). Im Mai schickte Ministerpräsidentin Malu Dreyer die ADD-Chefin überraschend in den einstweiligen Ruhestand. Über die Gründe war zunächst nichts zu erfahren. Dreyers Staatskanzlei schweigt dazu beharrlich. Fakt ist: SPD-Mitglied Barzen gilt als ein politisches Ziehkind des früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck. Sie war schon seine persönliche Referentin, als er Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion war. Von 2002 an war Barzen Becks Büroleiterin in der Staatskanzlei, bevor sie 2008 zunächst Präsidentin der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz wurde. Bei ihrer Amtseinführung hatte Beck Barzen überschwänglich gelobt: Sie sei hervorragend mit dem Land und seinen Regionen vertraut. Die CDU-Opposition kritisierte dagegen damals die Personalentscheidung als „Glied in einer langen Kette sozialdemokratischen Postengeschacheres“. 2011 wechselte Barzen dann auf Wunsch der SPD-Spitze zur ADD und wurde dort Präsidentin. Im Mai kam die Abberufung. Offiziell verabschiedet wurde Barzen allerdings erst vergangene Woche. Dabei war von der 52-Jährigen erstmals ihre Lesart für die Zwangstrennung zu hören: Man habe nicht mehr das Vertrauen in ihre Führungskompetenz gehabt, wie dies für weitere fünf Jahre im Amt erforderlich gewesen wäre. Als Grund für ihre Absetzung war in den vergangenen Wochen immer wieder Barzens Umgang mit dem Flüchtlingsstrom im vergangenen Jahr genannt worden. Die ADD hatte als Zentralbehörde ganz wesentlich die Flüchtlingsunterbringung zu organisieren. Gab es dabei Mängel? Nach ihrer Verabschiedung sagte Barzen in einem SWR-Interview, 2015 habe das Flüchtlingsthema alles überlagert, das sei einfach so. „Ich habe getan, was ich tun konnte“, erklärte die Ex-ADD-Präsidentin. Finanzielle Sorgen muss sich Barzen nicht machen: Von Mai bis August erhielt sie ihr volles Amtsgehalt in Höhe von 9127,59 Euro monatlich. Ab September bekommt sie drei Jahre lang 71,75 Prozent ihrer Dienstbezüge – das sind 6549,05 Euro. Danach sind Barzens Ruhestandsbezüge von ihrer bisherigen Dienstzeit als Beamtin abhängig – der Betrag kann zwischen 35 und 71,75 Prozent ihrer Dienstbezüge liegen. Derzeit leistet sich die von SPD, FDP und Grünen gestellte Landesregierung 29 politische Beamte. Das sind zwei mehr als bei Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung im Jahr 2011. Zum Kreis der politischen Beamten gehören in Rheinland-Pfalz unter anderem die Staatssekretäre, die Ministerialdirektoren, die Sprecher der Landesregierung, die Präsidenten und Vizepräsidenten der Mittelbehörden ADD und SGD, der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Ministerium sowie der Beauftragte der Landesregierung für Migration und Integration. Der Rechtsprofessor Josef Franz Lindner, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Augsburg, gehört zu den bekanntesten Kritikern eines im Übermaß praktizierten politischen Beamtentums. Er hat in einem Ländervergleich gezeigt, dass Rheinland-Pfalz und Thüringen von diesen Funktionen besonders üppig Gebrauch machen. Im Saarland sind beispielsweise nur die Staatssekretäre politische Beamte, Bayern kennt diesen Sonderstatus überhaupt nicht. Der Präsident des Thüringer Rechnungshofs, Sebastian Dette, hat in der Vergangenheit mehrfach vehement eine Reduzierung der politischen Beamten gefordert: „Das wird von den Regierungsparteien munter genutzt, um ihre Leute zu beglücken.“ Da finde keine Bestenauslese statt wie sonst im Beamtenrecht, rügt der Rechnungshofpräsident. Die Funktion des politischen Beamten stehe zudem im Widerspruch zu Grundsätzen des Berufsbeamtentums wie der lebenslangen Anstellung (Lebenszeitprinzip), die gerade die persönliche Unabhängigkeit des Beamten garantiere solle. Dass Gleichstellungs-, Behinderten- und Ausländerbeauftragte in Thüringen den Status des politischen Beamten besitzen, hält Dette für verfehlt und überzogen. Diese Aufgaben könne auch jeweils ein Referent im Ministerium erfüllen. Für den rheinland-pfälzischen Rechnungshof in Speyer waren die Vielzahl der politischen Beamten bisher noch kein Prüfgegenstand. Ob dieses Thema bei künftigen Arbeitsplanungen auf die Tagesordnung komme, bleibe abzuwarten, sagt Rechnungshof-Sprecher Hartmut Herle. Allzu rasch ist damit wohl nicht zu rechnen, denn derzeit nimmt der Landesrechnungshof beispielsweise den geplatzten Verkauf des Flughafens Hahns an zweifelhafte chinesische Geschäftspartner des Landes unter die Lupe. Das Bundesverfassungsgericht hält die Institution des politischen Beamten für zulässig. Es hat aber in mehreren Entscheidungen Grenzen gezogen: „Es kann sich nur um den engsten Kreis unmittelbarer Berater der Träger politischer Ämter handeln.“ Für den Augsburger Rechtsprofessor Lindner ist deshalb klar, dass der Status des politischen Beamten beispielsweise bei den Präsidenten und Vizepräsidenten der rheinland-pfälzischen Mittelbehörden ADD sowie SGD Süd und Nord verfassungswidrig ist. Sie zählten sicherlich nicht zum „engsten Kreis“ der unmittelbaren Berater der Landesregierung, meint Lindner. Doch solange die Politik hier keine Zurückhaltung übt, kommt es weiter zu fragwürdigen Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand. So auch nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Dort wurde Grün-Rot im Mai von Grün-Schwarz abgelöst. Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) schickte daraufhin die Regierungspräsidenten von Stuttgart und Tübingen, Johannes Schmalzl (FDP) und Jörg Schmidt (SPD), ohne Begründung in den einstweiligen Ruhestand. Nachfolger sind Politiker mit dem Parteibuch der Grünen beziehungsweise der CDU. Schmidt (55) wehrte sich gegen die Abberufung. Und scheiterte: Dem Land komme bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand „ein weiter Ermessensspielraum“ zu, urteilte das Verwaltungsgericht Sigmaringen. Kommentar

x