Kultur Südpfalz Radeln für Deutschland

Fahrradfahren in der Hauptstadt kann gefährlich werden, vor allem, wenn man das Bedürfnis verspürt, sich jeder Menschenansammlung, an der man ganz zufällig vorbeikommt, anzuschließen und ein paar lockere Worte zu wechseln. Es könnte nämlich sein, dass man – rein zufällig natürlich – in aber auch mal so etwas von schlechte Gesellschaft gerät, deren leicht fauliger Geruch so penetrant an einem kleben bleibt, dass man ihn nicht mehr losbekommt. Xavier Naidoo, die Stimme Mannheims, der Soulgott der Metropolregion, Dr. Ton aus den ersten Staffeln von „The Voice“, ist genau dieses Missgeschick passiert. Xavier ist am Tag der Deutschen Einheit durch Berlin geradelt und auf eine kleine Demo gestoßen, deren Vertreter von Freiheit ebenso faselten wie sie Verschwörungstheorien hinausposaunten, denenzufolge Deutschland ein unfreies, besetztes Land sei. Unter den Demonstranten – was Xavier absolut nicht wissen konnte – befand sich nicht nur ein hochrangiger NPD-Funktionär, verantwortlich für die ganze Veranstaltung waren zudem die selbst ernannten „Reichsbürger“, die sich ein Deutschland in den Grenzen von 1937 auf die Fahnen geschrieben haben und deshalb auch unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schlichtweg ablehnen. Aber unser guter Mensch aus Mannheim war nicht nur dabei, er war sogar mittendrin. Auf der Bühne! Super Idee, super Marketinggag. Der tiefreligiöse Soulsänger ist für alle da. Ob rechts, ob links, ob Männlein oder Weiblein, ob Heteros oder Schwule, Xavier Naidoo hat einen Auftrag von ganz oben, und da kann er nicht auf Hautfarbe oder politische Gesinnung achten. Er muss seine Botschaften unters Volk bringen. Und als Messias kann man sich sein Volk eben nicht aussuchen. „Ich nehme mir Jesus zum Vorbild und spreche mit jedermann“, verkündete er denn auch später, als heftige Kritik auf ihn einprasselte und sich mittlerweile auch der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz von ihm distanzierte, obwohl doch gerade Kurz über Jahre vor stolz geradezu platzte, weil Naidoo ein Mannheimer ist. Man muss allerdings befürchten, dass Naidoo das wirklich glaubt, wenn er so etwas sagt. An Selbstbewusstsein hat es ihm noch nie gemangelt, auch nicht, wenn er darauf verweist, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck es sich schließlich auch nicht aussuchen könnten, vor wem sie sprechen. Einmal abgesehen davon, dass Merkel und Gauck sich sicherlich nicht auf ein „Reichsbürger“-Podium stellen würden, verrät dies doch ziemlich viel über das Weltbild des Sängers. Jesus, Naidoo, Merkel, Gauck, da macht er keinen großen Unterschied. Jeder hat genau den Platz, der ihm gebührt, und sei es auf einer Bühne, um die herum es nicht nur machtvoll rechtslastig dröhnt, sondern zudem noch unsere Demokratie in Frage gestellt wird. Entweder, der Sänger ist einerseits so naiv, anderseits tatsächlich so messianisch-größenwahnsinnig, dass er glaubt, was er da als Entschuldigung anführt, oder aber, das Gedankengut, für das die besagte Demo stand, ist ihm doch nicht so fremd. Man weiß nicht so genau, was besser wäre, auch nicht, ob man sich künftig wünschen soll, Naidoo möge singen, aber ansonsten doch bitte schweigen. Denn wenn man sich seine musikalische Rechtfertigung mit dem Titel „Die Wahrheit“ auf Youtube anschaut und anhört, kommen einem schon Zweifel: „Denn die Wahrheit ist ein rotes Tuch, blutrot wie ein rotes Buch“, heißt es da. Hier fühlt sich tatsächlich einer im Alleinbesitz der Wahrheit, der Rest der Welt jedoch besteht aus Wahrheitsverhinderern und Freiheitsunterdrückern – mit dem Bundespräsidenten an der Spitze: „Ich nominier′ Joachim Gauck, sich für Freiheit zu engagieren und nicht den weisen Mann zu markieren, zum Krieg zu animieren. Schäm dich Joachim! Freiheit auf der Fahne und Krieg in den Taschen. Was wirst du machen, wenn die Russen hier sind und die Cheneys drüber lachen.“ Oh je, das tut dann fast schon weh.

x